Tassilo:Ein Mann für Mann

Christof Botzenhart Tassilo Preisträger

Christof Botzenhart hat sich schon als Bub durch Thomas Manns gesammelte Werke gelesen.

Kandidaten für den Kulturpreis der SZ: Christof Botzenhart ist es gelungen, Thomas Mann im Stadtbild sichtbar und im Bewusstsein der Tölzer präsenter zu machen

Von Petra Schneider

Wenn man ihn nach seinem Lieblingswerk fragt, überlegt Christof Botzenhart nur kurz. "Mario und der Zauberer", sagt er dann, "weil das von den literarischen Werken Thomas Manns das mit dem offensichtlichsten politischen Bezug ist." Botzenhart ist ein zugewandter Mensch, ein kultursinniger Anpacker. "Kultur und Kommunalpolitik" nennt er als seine Interessenschwerpunkte. Mit Thomas Mann verbindet ihn eine lange und intensive Beziehung. Den ersten Kontakt hatte der 51-Jährige als Ministrant in der neunten Klasse; in einer Predigt erwähnte der Pfarrer Manns Novelle "Gladius Dei". Zuhause schnappte sich der Schüler die gesammelten Werke aus dem Bücherregal seiner Eltern - und las.

Es folgte der Leistungskurs Deutsch am Tölzer Gabriel-von-Seidl-Gymnasium mit den "Buddenbrooks" als Lektüre, der Abituraufsatz mit der Fragestellung "Warum ist Thomas Mann nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nach Deutschland zurückgekehrt?" 1989 war Botzenhart dabei, als das Tölzer Gymnasium den Historiker Golo Mann zu einer Lesung empfing. "Da hat sich die Stadt wirklich sehr um ihn bemüht." Um Golo Manns Vater, den Literaturnobelpreisträger Thomas Mann, der mit seiner Familie im Tölzer Landhaus von 1909 bis 1917 die Ferien verbrachte und dort Weltliteratur schrieb, hatte die Stadt dagegen lange wenig Aufhebens gemacht.

Das "Herrensitzchen" an der Heißstraße gehört dem Orden der Armen Schulschwestern und ist nicht öffentlich zugänglich. Bis auf ein kleines Weglein am Klammerweiher erinnerte lange Zeit nichts an den berühmten Feriengast. Christof Botzenhart ist es zu verdanken, dass sich das geändert hat. In kurzer Zeit ist es ihm gelungen, Thomas Mann im Stadtbild sichtbar und im Bewusstsein der Tölzer präsenter zu machen.

"Das Kurhaus ist Gold wert"

Botzenhart, der Deutsch und Geschichte für das Lehramt studiert und über Ludwig II promoviert hat, ist CSU-Stadtrat, Dritter Bürgermeister und Kulturbeauftragter. "Das hat sicher nicht geschadet", sagt er. Gleich nach seiner Wahl im Jahr 2014 begann er mit den Planungen für ein Projekt, das drei Jahre später realisiert wurde: das Thomas-Mann-Jahr. Höhepunkt war die Tagung der "Deutschen Thomas Mann Gesellschaft" im Tölzer Kurhaus. Die gesamte "Community" habe sich ausnahmsweise nicht in Lübeck, sondern "im tiefen Süden" versammelt, sagt er. Zwischen März und November 2017 gab es Lesungen, Vorträge, Ausstellungen, sogar eine Filmreihe - "da haben wir aus allen Rohren geschossen". Die Resonanz war enorm und das Kurhaus als Veranstaltungsort "natürlich Gold wert".

Auch die Unterstützung seitens der Stadt und der Touristinfo sei stets groß, sagt Botzenhart. Als er mit seinen Ideen vorsprach, habe es geheißen: "Ja, mach mal, es ist Zeit, dass man das Thema aktiviert." Dass im Folgejahr in der Tölzer Stadtbibliothek ein Thomas-Mann-Zimmer mit Requisiten aus dem Film von Heinrich Breloer und dem Originalleuchter aus dem Arbeitszimmer des Schriftstellers eingerichtet wurde, war einer "Notsituation" geschuldet. "Aus heiterem Himmel" habe ihn der Vorsitzende des Münchner Thomas-Mann-Forums, Dirk Heißerer, angerufen. Dem Häuschen "Villino" in Feldafing, wo einige Kapitel des "Zauberberg" entstanden sind, drohe die Auflösung, und man suche dringend Räumlichkeiten für das kleine Museum. Botzenhart telefonierte mit dem damaligen Bürgermeister Josef Janker und der Leiterin der Stadtbibliothek. "Eine halbe Stunde später war alles geklärt", sagt er.

2019 wurde der Thomas-Mann-Weg eröffnet, ein Rundweg mit erläuternden Texten, Zitaten und Fotografien an acht Stationen, die in Kooperation mit Stadtarchiv und Touristinfo entstanden sind. Mit Zimmer, Rundweg und dem 2017 am Sparkassengebäude enthüllten Bronzerelief eines privaten Stifters seien Fixpunkte entstanden, "die Thomas Mann im Stadtbild sichtbar machen", sagt Botzenhart.

Die Idee und das Konzept zum Thomas-Mann-Festival, das 2020 über die Bühne ging, sind alleine ihm zu verdanken. In sieben hochkarätig besetzen Veranstaltungen wurde die Novelle "Tod in Venedig" unter verschiedenen Blickwinkeln - über Musik, Wort und Bild - beleuchtet. Das Festival stand unter dem schlechten Corona-Stern, wurde von Mai auf Oktober verschoben und ging gerade noch vor dem zweiten Lockdown über die Bühne. Die erhoffte, überregionale Strahlkraft entfaltete sich nicht, auch die Besucherzahlen blieben hinter den Erwartungen zurück, was Botzenhart immer noch ein bisschen enttäuscht, aber nicht entmutigt.

"Ein persönliches Anliegen"

Der gebürtige Tölzer, der mit der Tochter des einstigen Bundesfinanzministers Theo Waigel verheiratet ist und zwei Töchter hat, war Redenschreiber im Bayerischen Landtag, Lehrer am Gymnasium Geretsried und arbeitet seit zwei Jahren als Regierungsdirektor in der Staatskanzlei. Wie viele Stunden er ehrenamtlich für die Thomas-Mann-Projekte investiert hat, für Korrekturlesen von Infotafeln, Konzeptionierung, Terminvereinbarungen oder Verhandlungen mit Agenturen, kann er gar nicht sagen. "Es macht mir Spaß und ist mir ein persönliches Anliegen." Viel Freizeit bleibt ihm nicht; womit er sie verbringt, ist in seinem Wohnzimmer nicht zu übersehen: Eine CD-Sammlung mit 200 Opernaufnahmen füllt fast eine ganze Wand. Er liebt klassische Musik, aber auch die Beatles.

Botzenhart ist auch Zweiter Vorsitzender des Historischen Vereins. Das von ihm mitorganisierte Gabriel-von-Seidl-Jahr 2013 bezeichnet er als Impulsgeber für das Thomas-Mann-Jahr. Die Bürger der Kurstadt seien "Kultur-affin", er habe die Erfahrung gemacht, "dass Thomas Mann sehr gut zieht". Zurzeit ist er mit der Konzeption des Festivals für 2023 beschäftigt. Ein Thema steht noch nicht fest, nur, dass es auf jeden Fall stattfindet.

Wenn Sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten für den SZ-Kulturpreis vorschlagen wollen, schreiben Sie bitte bis 30. April eine E-Mail an tassilo@sz.de

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Tassilo: Das Thomas-Mann-Zimmer in der Stadtbücherei Bad Tölz.

Das Thomas-Mann-Zimmer in der Stadtbücherei Bad Tölz.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

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