Süddeutsche Zeitung

Talentiade 2019:Erfolgreich auf der Matte

Die Münsinger Nachwuchs-Judokas Solveig Bruderhofer und Luis Schmidt stehen regelmäßig in den Siegerlisten der wichtigsten Wettbewerbe ihres Sports

Von Benjamin Engel, Münsing

An ihrem Sport reizt Solveig Bruderhofer am meisten, dass sie die Bewegung unmittelbar spüren kann. "Dieser eine Moment, wo man schneller ist als der andere, ist ein tolles Gefühl", sagt die 16-jährige Münsinger Judoka. Im Wettkampf haben die Sportler direkten Körperkontakt. So kann sie ganz unmittelbar antizipieren, welchen Griff ihr Gegner als nächstes plant. Das kann in Verbindung mit einer ausgefeilten Technik, Kraft und Ausdauer über Sieg und Niederlage entscheiden. Mit sechs Jahren hat Bruderhofer angefangen, beim Judoverein Münsing-Ammerland (kurz JVAM) zu trainieren. Weil ihr der Sport so gut gefiel ist sie bis heute dabeigeblieben. In der Altersklasse U 18 hat die Jugendliche erst kürzlich Silber und Bronze auf bayerischer und süddeutscher sowie Bronze auf deutscher Meisterschaftsebene erkämpft.

Fast jedes Jahr tauchen Sportler des Judovereins Ammerland-Münsing in den Siegerlisten der wichtigsten Wettbewerbe und Turniere auf. Bruderhofer ist nur eines von vielen Nachwuchstalenten. Allein neun Titel hat Amelie Lenhard zwischen 2016 und 2018 in der Altersklasse U 15 gewonnen. Die junge Münsingerin ist dreimal hintereinander jeweils südbayerische, bayerische und süddeutsche Meisterin geworden. In derselben Altersklasse hat der heute 17-jährige Luis Schmidt dreimal in Folge die bayerische Meisterschaft gewonnen. Zudem wurde er in der Klasse U 15 auch süddeutscher Meister. In der Klasse U 18 gewann er je einmal die südbayerische und süddeutsche Meisterschaft.

Woran das liegt? Womöglich machen die mehr als 13 lizenzierten Trainer die Münsinger Sportler so erfolgreich. Rainer Schmidt, Pressewart und früher selbst aktiver Judoka, kennt jedenfalls keinen anderen Verein mit einer ähnlich großen Zahl an fachmännisch geschulten Betreuern. Alexander Bauhofer kümmerte sich beispielsweise schon in Münsing um den Nachwuchs, ist heute Landestrainer für die U 16-Altersklasse in Bayern. Außerdem liegt der Olympia-Stützpunkt im Münchner Stadtteil Großhadern nur eine knappe halbe Stunde entfernt. Dort könnten die Münsinger Nachwuchssportler von den besten Judokas und Trainern lernen, sagt Schmidt.

Wie er zudem schildert, habe der neue Vorsitzende im Münsinger Judoverein, Andreas Schaubmar, mit dem Betreuerteam neue Ideen umgesetzt. Selbst für die Kleinsten organisierten sie Trainingcamps und würden mit ihnen so früh wie möglich an Wettkämpfen teilnehmen. Damit verlören die jungen Judokas umso eher die Angst, auf die Matte zu gehen, sagt Schmidt. Und das mache die Sportler routinierter und damit erfolgreicher. Um den Verein nach außen besser darstellen zu können, treffen sich die Vorstandsmitglieder regelmäßig zu Workshops.

Wer sich im Judo auf Leistungssportniveau weiterentwickeln will, muss viel trainieren. Vier bis fünfmal die Woche halte sich sein Sohn Luis fit, berichtet Rainer Schmidt, drei- bis viermal davon direkt am Großhaderner Olympia-Stützpunkt. Luis gehe unter anderem noch zum Joggen, Radfahren oder Schwimmen, um Kraft und Ausdauer zu gewinnen. "Judo ist eine Randsportart", sagt Rainer Schmidt. "Wenn man Gas gibt, kann man dort richtig erfolgreich werden." Wer bereit sei, an seine Schmerz- und Leistungsgrenze zu gehen, könne viel erreichen.

Schon in der Altersklasse U 12 hat Luis Schmidt 35 Turniere gewonnen. Ebenso konnte er das größte internationale Turnier der Altersklasse U 16 - das Sichtungsturnier des Deutschen Judo-Bundes in Duisburg - für sich entscheiden, wurde jüngster süddeutscher Meister in der Altersklasse U 18. Für den ESV Ingolstadt kämpft er in der zweiten Bundesliga. Im Vorjahr hat er auch schon international bei vier European Cups teilgenommen, in Teplice, Zagreb, Berlin und beim International Bremen Masters. Mehr noch als über alle Erfolge freut sich sein Vater Rainer Schmidt, dass sein Sohn 2017 den schwarzen Gürtel beim Judo geschafft hat. "Das ist mehr wert als jede Goldmedaille." Hauptaugenmerk gelte im Moment allerdings der Schule. Sohn Luis geht in die elfte Klasse des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums in Icking. Dort wird er nächstes Jahr Abitur machen. Und das sei erst einmal wichtiger als der Sport, sagt sein Vater. Anschließend werde man weitersehen, wie es mit dem Sport weitergehe. Derzeit ist Luis Schmidt allerdings am Meniskus verletzt, muss bis Mai pausieren. Die zweite Zwangspause nach einem Kapselriss im vergangenen Jahr, die den Judoka bereits für einige Wochen ruhigstellte.

Für besonders verletzungsgefährlich hält Solveig Bruderhofer die Sportart Judo trotzdem nicht. Schließlich machten die Sportler eigens Stabilisationsübungen für den Rumpf, die Arme, Beine und Füße, um die Muskeln zu stärken. "Der denkende Sportler ist gefragt", schildert sie. "Wenn etwas wirklich wehtut, muss man auf den Körper hören." Nur wer auf seine Gesundheit achte, könne Leistungssport betreiben. Allerdings hat sie sich im Vorjahr den Fuß und zwei Bänder beim Training gebrochen. Zwei Stunden trainiert sie pro Tag und ist, so schätzt sie, an 20 Wochenenden im Jahr für Wettkämpfe und Trainingslehrgänge unterwegs. Sie kämpft für Schweitenkirchen in der Bayernliga.

Vor etwa zweieinhalb Jahren hat sich Bruderhofer entschieden, Judo als Leistungssport weiterzumachen. Bereut hat sie diese Entscheidung bislang nie. "Ich habe Sachen erfahren, die ich sonst nie erfahren hätte", sagt sie. Allein, dass sie so viele Sportler aus anderen Nationen kennenlerne, bereichere ihren kulturellen Horizont enorm. Kürzlich hat sie an einem European Cup im tschechischen Teplice mit allein 56 Sportlerinnen in ihrer Gewichtsklasse teilgenommen. "Mein großer Wunsch wäre, Deutschland auf einem großen Turnier vertreten zu dürfen", sagt sie. Ob das klappe, bleibe aber abzuwarten.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2019
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