Szyszkas Klassiker:Vertonte Kunst

Manche Komponisten verzweifelten schon daran, ein Kunstwerk zu vertonen. Mussorgski hat dagegen eine ganze Ausstellung komponiert

Von Reinhard Szyszka

Wie setzt man Kunstwerke in Musik um? Die Frage ist durchaus ernst gemeint. Instrumentale Musik mit außermusikalischem Inhalt nennt man Programmmusik, und der Name sagt schon, dass zumeist ein Programm zugrunde liegt, also eine Geschichte mit einem Anfang, einem Ablauf und einem Ende. So etwas kann man musikalisch erzählen; man zeichnet einfach den Gang der Handlung in Tönen nach. Beispiele gibt es zuhauf. Ein Werk der bildenden Kunst aber - ein Gemälde, eine Statue, ein Bauwerk - ist statisch; ihm fehlt die Dimension der Zeit. Wie will man so etwas in einem Musikstück darstellen? Anders ausgedrückt: Wie macht man aus einem Werk ohne Zeit einen zeitlichen Ablauf?

Das Problem hat so manchen Komponisten zur Verzweiflung gebracht, und so gibt es nur wenig Programmmusik, die Werke der bildenden Kunst zum Gegenstand hat. Franz Liszt hat in einigen seiner Klavierstücke so etwas versucht. Doch das mit Abstand bekannteste Werk dieser Art heißt "Bilder einer Ausstellung" und stammt von dem russischen Komponisten Modest Mussorgski.

Dem Komponisten ist ein genialer Kunstgriff eingefallen, um die fehlende Zeitdimension zu ergänzen. Die Zeit entsteht einfach dadurch, dass der Betrachter durch die Ausstellung geht und ein Bild nach dem anderen anschaut. Ein prägnantes Thema, die "Promenade", taucht immer wieder zwischen den einzelnen Abschnitten auf und besagt unmissverständlich: Weiter geht's; nächstes Bild. Das letzte Bild heißt "Das große Tor von Kiew", und mitten in der Musik zu diesem Bild hören wir die "Promenade" im strahlenden Fortissimo. Der Betrachter wird gewissermaßen in das Bild hineingezogen und schreitet selbst durch das große Tor von Kiew.

Mussorgski hat seine "Bilder einer Ausstellung" für Klavier solo komponiert, doch in dieser Besetzung sind sie nur selten zu hören. Die Musik schreit förmlich nach Instrumentierung, und es verwundert nicht, dass die "Bilder einer Ausstellung" das am meisten bearbeitete Werk der Musikgeschichte sind. Da gibt es Fassungen für Orchester, für Blechbläser, für Orgel, für Akkordeon, für Synthesizer und viele, viele andere mehr.

Am Sonntag erklingt das Werk in der Loisachhalle Wolfratshausen in einer Fassung für Klavierquartett, also Klavier, Violine, Bratsche und Violoncello. Das Fauré-Quartett, ein festes Ensemble dieser Besetzung, spielt. Außerdem auf dem Programm: ein Werk von Gabriel Fauré, dem Namenspatron des Quartetts. Die "Bilder einer Ausstellung" aber hat das Fauré-Quartett selbst für den eigenen Konzertgebrauch arrangiert, und das große Tor von Kiew klingt sicher noch viel majestätischer, wenn da nicht nur ein Klavier klimpert, sondern noch drei Streichinstrumente hinzutreten.

Sonntag, 12. März 2017, 19.30 Uhr, Loisachhalle Wolfratshausen: Das Fauré-Quartett spielt Werk von Gabriel Fauré und Modest Mussorgski. Karten zu 29 Euro (ermäßigt 15 Euro) im Bürgerbüro der Stadt Wolfratshausen, Telefon 08171/21 40; Abendkasse

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