SZ-Serie: Wortschatz, Folge 4:Das Königspaar der Bestsellerliste

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Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath veröffentlichen ihre Bücher unter dem Pseudonym Iny Lorentz, darunter ihr größter Erfolg "Die Wanderhure"

Von Manuel Kronenberg

Mit einem Zelt im Gepäck kommen Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath in Cornwall an - ausgerechnet in dem Moment, als ein Sturm dabei ist, die Zelte vom Boden des Campingplatzes zu rupfen. Das Ehepaar macht sich trotz allem daran, das Zelt aufzustellen. Immer mehr Schaulustige versammeln sich - verrückt, was diese beiden Deutschen da versuchen! Doch Klocke und Wohlrath geben nicht auf. Nachdem sie 60 Heringe in den Boden gerammt haben, schaffen sie es tatsächlich. Ihr Nachtlager steht. "Zur Verblüffung sämtlicher Englishmen und Englishwomen, die um uns herumstanden", erzählt Wohlrath grinsend, als er sich ungefähr dreißig Jahre später in Poing an das Erlebnis erinnert. Der stürmische Tag in Cornwall ist Sinnbild für den Weg, den die beiden Autoren - die heute unter ihrem gemeinsamen Pseudonym Iny Lorentz bekannt sind - in 37 gemeinsamen Jahren gegangen sind.

Zu Beginn dieses Weges steht das Schreiben und Lesen als Leidenschaft. 1978, als beide Mitglied in einem Fantasy-Club sind, werden sie aufeinander aufmerksam. Bevor sie sich das erste Mal sehen, pflegen sie eineinhalb Jahre lang eine Brieffreundschaft. "Er hat 90-Minuten-Kassetten besprochen", erzählt Klocke. "Und ich habe auf der Schreibmaschine geschrieben - randlos, einzeilig und immer etwa sieben Blätter." Später ziehen beide nach München, heiraten, arbeiten bis 2006 in der selben Versicherung. Nebenher schreiben sie viel, unbeirrt, trotz vieler kritischer Reaktionen. Sie versuchen immer wieder, ihre Geschichten in Verlagen unterzukriegen. Oft werden sie zurückgewiesen, stehen aber selbst nach harscher Kritik wieder auf und können schließlich eine Agentur überzeugen.

Nun sitzen Klocke und Wohlrath nebeneinander auf dem Sofa. Man sieht ihnen ihre Nähe zur Fantasy-Welt an. Erst nach 20 Jahren Ehe, als die Herr-der-Ringe-Trilogie in die Kinos kam, haben sie sich Ringe zugelegt. Klocke erinnert sich: "Wir sehen ihn plötzlich in einem winzigen Juweliergeschäft - den einen Ring!" Das war das perfekte Symbol für sie. Auf ihren T-Shirts sind mystische Motive zu sehen. Beide waren aber auch schon immer an geschichtlichen Ereignissen interessiert. Ein historischer Roman, "Die Kastratin" aus dem Jahr 2003, brachte ihnen schließlich den Durchbruch. Ein Jahr später kam mit "Die Wanderhure" dann der ganz große Erfolg.

Ihre Bestseller haben auch daheim einen Ehrenplatz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Noch bevor sie anfingen, gemeinsam zu schreiben, gab einer ihrer Kritiker ihnen den entscheidenden Anstoß. 1981 bekamen sie die Möglichkeit, Kurzgeschichten für Anthologien beizusteuern. Ihr Lektor sei nicht gerade höflich gewesen, erzählen die beiden. "Bei Inys zweiter Kurzgeschichte hat er das Ende zerrissen", sagt Wohlrath. "So, dass ich schon gar nicht mehr weiterschreiben wollte", ergänzt Klocke. Wohlrath habe ein neues Ende geschrieben, welches Klocke sodann überarbeitet habe. So sei das einige Male gegangen. Jedes Mal, wenn sie zusammen geschrieben hätten, sei der Lektor begeistert gewesen, meint Wohlrath. Also haben sie die Arbeitsweise beibehalten. Inzwischen folgen sie einem durchgeplanten System. Das sei nötig, um konzentriert arbeiten zu können, betont Klocke. Drei bis vier Bücher veröffentlichen sie pro Jahr. Für jedes schreibt Wohlrath zunächst die Rohfassung. Anschließend liest Klocke und kritisiert. Insgesamt überarbeiten sie jedes Manuskript sieben Mal.

Ihr Zuhause ist vollgestellt mit Büchern. Ungefähr 13 000 sollen es sein. Der wenige Platz, den die Bücher lassen, ist dekoriert mit Figuren. Viele davon sind Erinnerungen. Wohlrath holt eine Figur aus dem Regal. Ein berittener Krieger mit Flügeln - ein polnischer Flügelhusar. Den haben sie aus Polen mitgebracht. Reisen sind wichtiger Bestandteil der Recherche. Wohlrath kramt ein Fotoalbum hervor und zeigt ein Bild, das er auf einer dieser Reisen geknipst hat. Es zeigt seine Frau, wie sie vor ihm auf einem Kamel reitet. Ihre Krücken, die sie zum Gehen braucht, ragen aus dem Gepäck hervor. Mit ihrem kaputten Bein sei das eine Qual gewesen, erzählt Klocke. Das Bild sei sogar bei einer wichtigen Besprechung im Verlag gezeigt worden, fügt sie hinzu. "Um zu zeigen, was wir alles auf uns nehmen, nur für unsere Bücher."

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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