SZ-Serie: Unikate:Im Jachenauer Sternenhimmel

Josef Scheifl Schnitzerei

Reine Handarbeit: Seit 30 Jahren schnitzt Josef Scheifl vorzugsweise Sterne aus Zirbenholz.

Der 76-jährige Schnitzer Josef Scheifl hat sich auf Christbaumschmuck aus Zirbenholz spezialisiert. Jedes einzelne Stück fertigt er von Hand. Mit das Unglaublichste daran ist der Preis

Von Stephanie Schwaderer, Jachenau

Josef Scheifls Universum duftet. Nach Harz und Sommer und hohen Bergen. "Das ist das Zirbenholz", sagt er, "wächst ab 1500 Metern." In seiner kleinen Werkstatt, die in der Jachenau am Fuße des Staffel liegt, türmen sich am Boden ganze Haufen von Zirbenspänen. Sie stammen von Bäumen, die bis zu tausend Jahre alt werden - und von den Sternen, die Scheifl zuletzt geschnitzt hat. Da gibt es massive und filigrane, kleine und große, sechs- und zwölfeckige. Sterne sind Scheifls Spezialität. Seit 30 Jahren. Der Jachenauer verkauft sie in die ganze Welt.

"Die Leute können immer nicht glauben, dass jeder einzelne von Hand gemacht ist", erzählt er vergnügt. "Viele fragen: Sind die wirklich nicht aus China?" Er lacht. "Und dann sehen sie den Preis und sagen: Das gibt's doch gar nicht. Und ich sage: Doch. Das gibt's." Im Sommer kommen vor allem Urlauber in seinen kleinen Laden, der im Ortsteil Bäcker liegt. Jetzt vor Weihnachten rufen viele Leute aus der Region und München an. Zudem beliefert Scheifl das Freilichtmuseum Glentleiten und den Klosterladen auf Frauenchiemsee, das Heimatwerk Bad Tölz, Gravuren Weigl in Wolfratshausen und einen Schnitzer-Kollegen in Oberammergau. Von dessen Laden aus treten viele seiner Sterne die Reise nach Neuseeland oder Japan an. "Wenn sie alle gleichzeitig leuchten würden, dann wäre es rund um die Erde hell."

Josef Scheifl Schnitzerei

Jeden Morgen um 7.30 Uhr sitzt er in seiner Werkstatt im Jachenauer Ortsteil Bäcker.

Mehr als 20 Formen hat er im Kopf - und in seinen kräftigen Händen. "Den hier nennen Amerikaner oft Snowflake", sagt er und deutet auf einen eleganten Sechsspitzer. "Für mich ist es die Nummer drei." Und der daneben? "Drei-Strich-drei, ist ja die gleiche Grundform." Für einen Außenstehenden ist dieses Universum gar nicht so leicht zu durchschauen. Scheifl legt sich einen Rohling zurecht, den er zuvor mit der Bandsäge aus einer dünnen Zedernplatte gesägt hat, dann greift er zu einem breiten Schnitzeisen. Er fasst es mit der ganzen Faust. Eine kleine Drehbewegung aus dem Handgelenk - und ein dicker Span fliegt durch die Luft. "Man muss Gefühl für das Holz haben, wissen, wie man es anpackt und wie man das Messer ansetzt", sagt er, "dann passt's."

Ellipsen, Zacken und ein Loch

In Sekundenschnelle dreht er den Rohling, der zusehends an Strahlkraft gewinnt. Das Eisen schneidet durch ihn wie durch Butter. Und doch: Ganz schön aufwendig so ein Sternchen! Sechs Ellipsen gilt es auszuschneiden - erst von der Vorder-, dann von der Rückseite. Anschließend kommen die Seiten dran, zwölf Zacken, die ebenfalls beidseitig angeschrägt werden müssen. Fehlt noch das Loch und der Silberfaden zum Aufhängen.

Für einen einfachen Stern verlangt Scheifl gerade einmal vier Euro, für einen in sich gedrehten Doppelstern acht Euro. Ist das nicht viel zu wenig? "Ich kann keinen Stundenlohn von 40 Euro verlangen", sagt er, "sonst kauft keiner etwas." Unterstützung bekommt er von seiner Frau Susanne. Sie versteht sich aufs Vergolden und bemalt zudem geschnitzte Schwammerl, Rehkitze und Alpenblumen mit leuchtenden Farben. Eine der beiden Töchter, Marianne, ist für die Gestaltung der Homepage verantwortlich, die ansprechend und informativ ist. Ansonsten verzichtet Scheifl auf Werbung. "Bitte nichts von den Krippe-Figuren schreiben", sagt er, "das schaff ich gar nicht mehr bis Weihnachten."

Sein Handwerk hat der 76-Jährige vor mehr als 50 Jahren an der Berufsfachschule für Schnitzer in Oberammergau gelernt. Sich selbständig zu machen sei nicht einfach gewesen. "Wenn du zu schlampern anfängst, hast du verspielt." Noch immer sitzt er morgens um 7.30 Uhr an der Werkbank. Disziplin sei ihm nie schwergefallen. Das Grundstück hingegen, auf dem er sein Haus gebaut hat, würde er sich heute nicht mehr leisten können. "Das kostet mittlerweile ja Horrorsummen."

Scheifl ist ein bescheidener Mensch. Die Sommer seiner Kindheit hat er mit einer Tante auf der Scharnitz-Alm am Fuße der Benediktenwand verbracht. "Da ist schon was hängen geblieben", sagt er. Sein liebstes Spielzeug seien damals Latschenzapfen gewesen. "Die großen waren die Kühe und die kleinen die Kalbi." Unlängst hat er noch einmal seinen Stammplatz hinter dem Felsen aufgesucht. "Da hat sich nichts verändert." Auch seine Wertschätzung für Kühe ist ihm geblieben. Noch immer schnitzt er sie mit Hingabe. Jede ist ein bisschen anders, so wie im Leben auch. Aber Scheifls Kühe haben alle "Herndl".

Auch Gams-Reliefs hat er im Angebot - "Die lieben die Leute" - und Heiligenfiguren, zudem Gebrauchsartikel wie federleichte Obst- und Brotschalen. Am liebsten jedoch schnitzt er Sterne. Sommers wie winters. Ist er ihrer nach 30 Jahren nicht manchmal überdrüssig? Er hält kurz inne. "Nein", sagt er, "eigentlich nicht."

Felsen, Möwen, Ruhe

Und dann erzählt er von Norwegen, dem Land, das für ihn genauso schön wie die Jachenau ist, und das er mit seiner Familie seit 15 Jahren bereist. Einmal habe er an einem Fjord bei Bergen sein Werkzeug ausgepackt und zu schnitzen begonnen. Frau und Töchter hätten die Köpfe geschüttelt. Aber er sei glücklich gewesen. "Da waren nur die Felsen und die Möwen, ansonsten absolute Ruhe. Das war an sich schon toll. Aber dann noch einen Stern zu schnitzen - das war die Schau!"

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