SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis, Folge 10:Busfahrer dringend gesucht

SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis, Folge 10: Begehrtes Personal: Busfahrer werden derzeit von allen Verkehrsbetrieben und Unternehmen in Bayern händeringend gesucht. Werden die Linien und Takte wie gefordert ausgebaut, wird sich die Situation noch verschärfen.

Begehrtes Personal: Busfahrer werden derzeit von allen Verkehrsbetrieben und Unternehmen in Bayern händeringend gesucht. Werden die Linien und Takte wie gefordert ausgebaut, wird sich die Situation noch verschärfen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist essenziell für eine Verkehrswende. Schon jetzt aber haben die Betriebe Schwierigkeiten, Personal zu finden. Gewerkschaften fordern mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen.

Von Konstantin Kaip

Am Wolfratshauser Bahnhof macht ein Busfahrer am Dienstagmittag seine vorgeschriebene halbstündige Pause. Der 49-Jährige hat um 4.30 Uhr angefangen und muss noch bis 16 Uhr arbeiten. Seit 20 Jahren sei er als Busfahrer tätig, sagt er, inzwischen für den RVO. Sein Gehalt liege bei etwa 2800 Euro brutto, plus Zuschläge für Nacht- und Feiertagsdienst, jedes zweite Wochenende müsse er arbeiten. Eine eigene Familie habe er nicht, und er habe das Glück gehabt, eine günstige Wohnung im Landkreis zu bekommen. Zum Leben reiche sein Geld aber nur knapp. "Es geht gerade noch", sagt er. Zwar verdiene er etwas mehr als Kollegen privater Unternehmen. "Aber wir müssen besser bezahlt werden." 15 Euro brutto pro Stunde, das sei zu wenig für einen Busfahrer. "18 Euro sollten's schon sein. Dann wäre es angemessen."

Was der Mann erzählt, klingt nicht besonders verlockend für einen Beruf, der immer wichtiger wird. Schließlich wird die Verkehrswende angesichts des Klimawandels allerorten gefordert. Und dafür braucht es einen attraktiven Nahverkehr. Ausbau und Vernetzung der Buslinien stehen deshalb in vielen Gremien ganz oben auf der Agenda, auch im Kreistag. Ob das gelingt, hängt allerdings nicht nur von politischen Beschlüssen ab. Es müssen sich auch genug Busfahrer finden, die die zusätzlichen Fahrzeuge bedienen. Das aber bereitet den Verkehrsbetrieben und Subunternehmen schon jetzt gehörige Schwierigkeiten. "Die Fahrer sind tatsächlich ein limitierendes Element", sagt beispielsweise MVV-Sprecherin Franziska Hartmann. Auch wenn der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund, der für die Linien im Nordlandkreis verantwortlich ist, bisher alles umsetzen konnte, wie sie betont.

"Der Fahrermangel ist ein Problem, vor dem die ganze Branche steht", weiß auch Matthias Schmid, der im Landratsamt für den öffentlichen Nahverkehr zuständig ist. Zwar sei es bisher im Landkreis immer gelungen, die Linien zu bedienen. Im Norden schreibe sie der MVV aus, Busunternehmen, die Angebote machen, müssten das Personal zur Verfügung stellen. Das gelte auch für den RVO, der den Süden in Eigenregie bedient. Die Akquise neuer Fahrer aber mache den Akteuren mehr zu schaffen als die neuer Fahrzeuge, weiß Schmid.

Ein Anruf beim Busunternehmen Deucon in Landsberg am Lech, das unter anderem die Stadtbuslinien in Wolfratshausen und Geretsried betreibt, bestätigt das. "Es sind einfach zu wenige Busfahrer da", sagt Betriebsleiter Horst Argesheimer. Seine GmbH müsse deshalb vermehrt auf ausländische Mitarbeiter zurückgreifen, die überwiegend aus Osteuropa, etwa aus Rumänien oder Bulgarien, kämen. Für die müsse er Unterkünfte besorgen und, weil viele kein eigenes Auto hätten, Fahrgemeinschaften organisieren. Hinzu komme eine hohe Fluktuation. Sein Unternehmen suche daher laufend neue Fahrer. Die Stellenanzeige auf der Homepage der Firma reicht laut dem Betriebsleiter dafür nicht aus. Um Mitarbeiter zu gewinnen, müsse er auf verschiedenen Stellenbörsen inserieren, sagt Argesheimer - vor allem auch auf internationalen Portalen.

SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis, Folge 10: Um den Nahverkehr attraktiver zu machen, braucht es mehr Busfahrer.

Um den Nahverkehr attraktiver zu machen, braucht es mehr Busfahrer.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Wer Busfahrer werden will, braucht sich derzeit um eine Arbeitsstelle keine Sorgen zu machen. Auch die Deutsche Bahn, zu der der RVO gehört, wirbt um Mitarbeiter und Quereinsteiger, denen das Unternehmen eine Ausbildung anbietet: In einem Spot erklärt der Busfahrer Ottmar, dass er an seinem Beruf "die Freiheit und Selbstbestimmtheit, aber auch die Nähe zum seinem Wohnort und den täglichen Kontakt zu Menschen" schätze.

Was in dem Spot nicht erwähnt wird, sind die Rahmenbedingungen: Das Gehalt beträgt laut der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bei kommunalen Arbeitgebern monatlich circa 2500 Euro brutto für Einsteiger, wer länger dabei ist, bekommt 2900 Euro. Im Tarif des Landesverbands bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) bekommen Einsteiger 2140 Euro, die Endstufe liegt bei 2340 Euro. Hinzu kommen Zuschläge für Schicht-, Sonn- und Feiertagsdienst. Denn die Fahrer müssen ihre Busse früh morgens, abends und auch am Wochenende und an Feiertagen bedienen. "Das muss man halt auch mögen", sagt Betriebsleiter Argesheimer. Für Familienleben und Freizeitgestaltung sind die Bedingungen jedenfalls nicht gerade ideal.

Im Großraum München kommen zudem noch die hohen Lebenshaltungskosten hinzu. Die steigenden Mieten im Landkreis könne sich kaum ein Busfahrer leisten, sagt Matthias Schmid. Im Prinzip hätten sie das gleiche Problem wie andere wichtige, aber schlecht bezahlte Berufsgruppen, etwa Krankenschwestern, Erzieher oder Altenpfleger.

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Spielraum, zusätzliche Anreize zu schaffen, hätten die Busunternehmen aber nicht, sagt Betriebsleiter Argesheimer. Schließlich würden die Linien von den Verkehrsbetrieben im Auftrag der Kommunen ausgeschrieben. Dabei gelte der LBO-Tarif als Grundlage. Den Fahrern mehr zu zahlen, sei daher keine Option. "Dann gewinnt man keine Ausschreibung", sagt der Betriebsleiter. Um den Fahrermangel, der immer spürbarer werde, zu bekämpfen, seien "andere Organisationen gefordert".

Dessen sind sich die Gewerkschaften bewusst. "Es gibt einen eklatanten Busfahrermangel", sagt Kai Winkler, Leiter des Fachbereichs Verkehr bei Verdi in Bayern. Gehe es aber um Tarifverhandlungen, stellten sich die Arbeitgeber quer. Das sei nicht zu finanzieren, heiße es dann, und dass man immer noch genug Fahrer finde. Fakt aber sei, dass in allen Tarifverträgen, mit dem LBO und den kommunalen Arbeitgebern, das Gehalt für Busfahrer "viel zu niedrig" sei. Schließlich verrichteten sie eine verantwortungsvolle und belastende Arbeit, von der sie bei der derzeitigen Bezahlung in Ballungsräumen kaum leben könnten. "Nur eine bessere Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen werden den Beruf wieder attraktiver machen", ist der Gewerkschafter überzeugt. Verdi arbeite gerade die Forderungen für die Tarifverhandlungen aus, die im kommenden Jahr sowohl mit den kommunalen als auch mit den privaten Unternehmen geführt werden sollen. "Wir gehen davon aus, dass wir nächstes Jahr eine gute Gehaltserhöhung erzielen werden", sagt Winkler. Bei den Tarifgesprächen wolle man auch die politische Dringlichkeit des Nahverkehrausbaus für die Verhandlungsposition nutzen. "Wenn wir die Verkehrswende wollen, braucht es längere Taktzeiten und mehr Linien." Und für die brauche es Fahrer, die nur mit besseren Arbeitsbedingungen gewonnen werden könnten. Zwar gebe es bereits fahrerlose U-Bahnen. "Aber von fahrerlosen Bussen sind wir noch weit entfernt."

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