SZ-Serie: Heimatwerkstatt:Lösungen für ein anrüchiges Thema

SZ-Serie: Heimatwerkstatt: Nils Beck (l.) und Kamil Schweda bauen Stille Örtchen, die ohne Wasser und Chemie auskommen und zudem mobil sind.

Nils Beck (l.) und Kamil Schweda bauen Stille Örtchen, die ohne Wasser und Chemie auskommen und zudem mobil sind.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Benediktbeurer Gründer von "Ur-Bedürfnis" Kamil Schweda und Nils Beck bauen in Lenggries geruchsneutrale und ökologische Mobiltoiletten.

Von Silver Lucia Breitkopf

So authentisch wie möglich sollte es am Wikingermarkt am Walchensee Ende August zugehen, mit einem Lager, selbst genähten Gewändern und handgeschmiedeten Waffen. Dass Wikinger einmal in der Woche gebadet haben, nämlich am Laugardag, was wortwörtlich Badetag heißt? Geschenkt, denn das war immer noch viel mehr als der ganze Rest Europas zu dieser Zeit. Doch alle Authentizität hin oder her, in einem Punkt würden sicher alle Besucher heutzutage die Grenze überschritten sehen: Wenn es um das "Urbedürfnis", also den Toilettengang geht. Ein Donnerbalken über einer Grube? Nein, danke. Und schon ist man mitten in der Frage nach Gerüchen und Umweltverträglichkeit, wenn es um das Müssen müssen auf Festen, Märkten, Open Airs und anderen Veranstaltungen geht. Fragen, die sich auch Kamil Schweda und Nils Beck aus Benediktbeuern gestellt haben - und eine Antwort erfanden: Eine nicht riechende, ökologische und mobile Toilette. Und diese wiederum hat ihre Feuertaufe jüngst ausgerechnet auf dem Wikingermarkt bestanden. Kochels Bürgermeister Thomas Holz ließ sechs der Toiletten testweise am Walchensee aufstellen und ist überzeugt. "Riecht nicht, keine Fliegen - optimal! Und das trotz 3500 Besuchern innerhalb von zwei Tagen", sagt der auf Nachhaltigkeit bedachte Rathauschef.

Kamil Schweda und Nils Beck sind die Hersteller dieser ökologischen, mobilen Toilette. "Wasser ist ein so wertvolles Gut und wir müssen noch viel bewusster damit umgehen. Bei jedem Toilettengang spülen wir 15 Liter sauberes, reines Trinkwasser einfach so hinunter. Das ist zu viel," sagt der gelernte Steuerfachangestellte Schweda. Mit diesem Gedanken sei alles ins Rollen gekommen. Er habe begonnen, sich immer mehr in Alternativideen einzulesen. Und schließlich bauten Nils und er zusammen die erste "Ur-Bedürfnis"-Toilette. Die kleinen Hüttchen haben das Format eines herkömmlichen Dixiklos.

Doch das war es dann auch schon mit Gemeinsamkeiten mit den bekannten, blauen Plastikkästen. Schon optisch wirken die Toiletten des jungen Startups ganz anders, denn sie sind aus hellem, freundlichem und heimischem Fichtenholz, das Urinal ist ein halbiertes Stahlfass und das Waschbecken sitzt auf einem alten Eichenfass. Selbstverständlich ist da auch das Klopapier recycelt und zellulosefrei. Alles andere wäre auch nicht authentisch. Das eigentlich Besondere an ihnen ist jedoch: die Toilette funktioniert ohne Wasserspülung, wie in gewöhnlichen Klos, und ohne Chemie, wie es in den meisten mobilen Toiletten zum Einsatz kommt.

Stattdessen verwenden Schweda und Beck eine Mischung aus Naturgesteinsmehl und Backsoda, die der Toilette beigefügt wird. Das wirke geruchsneutralisierend und sei der entscheidende Faktor, dass der Inhalt der Toilette an jeder Kläranlage entsorgt werden könne. Mit Chemie ist das nämlich nicht gestattet. Außerdem würden Urin und Fäkalien getrennt aufgefangen, was zusätzlich die Geruchsbildung verringert. "Erst durch das Vermischen von Urin und Fäkalien entsteht der unangenehme Geruch, der dann auch Fliegen anlockt", erklärt Schweda, der einen Großteil seines Wissens von dem thüringer Unternehmer Karsten Holzapfel hat. "Holzapfel und Konsorten feilt ebenfalls an alternativen Toilettensystemen und hat uns in der Anfangszeit sehr unterstützt", erzählt der Benediktbeurer.

Derzeit gibt es noch viel zu tun für das Unternehmen, das sein Büro in Benediktbeuern und seine Werkstatt in Lenggries hat. Die sechs Prototypen, die sie bisher haben, bauten sie extra für die Anfrage von Bürgermeister Holz, die sehr kurzfristig kam. Die Familien der Gründer halfen und werkelten tatkräftig mit. Für die nächsten Exemplare wollen sie ein Ablüftungssystem einbauen, das mit Solarstrom betrieben wird. Mit allem, was sie verwenden, versuchen sie so regional wie möglich zu bleiben. Und natürlich so umweltschonend wie möglich. Eingesetzt können ihre Mobiltoiletten sowohl permanent als auch kurzzeitig. Auch einen Aufbau- und Verwertungsservice bieten die beiden Unternehmer an.

Der soziale Aspekt soll in Zukunft ebenfalls nicht zu kurz kommen. "Wir würden gerne mit Behindertenwerkstätten kooperieren. Ich fände es toll, wenn sie die Holzhäuschen anfertigen könnten", sagt Kamil. Ein weiteres Ziel sei es, die Inhalte der Toiletten ganzheitlich zu kompostieren. Das sei in dem bisherigen, noch recht kleinen Rahmen, allerdings noch nicht möglich. Noch sind das also Träumereien.

Erst Mal müssen sie die Produktion der Toiletten ankurbeln. Die ersten Aufträge warten schon. Einer ihrer ersten Kunden wird voraussichtlich die Gemeinde Kochel am See sein, die sich vorstellen kann, einige der Holzlatrinen fest am Walchensee aufzustellen. Damit könnte der Verschmutzung des Ufers und der Überlastung der bisherigen Toiletten entgegen gewirkt werden. Und nicht nur das. "Optisch machen sie natürlich auch was her", sagt Bürgermeister Thomas Holz. Und: "Sie fügen sich schön in das Landschaftsschutzgebiet des Walchensees ein."

Weitere Informationen zur ökologischen Mobiltoilette und Kontakt zu Kamil Schweda per E-Mail an info@ur-beduerfnis.de

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