Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Ehrensache, Teil 9:Guter Rat im Ruhestand

Lesezeit: 3 min

Peter Schöbel engagiert sich bei den Aktivsenioren Bayern und kann so als ehemalige Führungskraft seine Lebens- und Berufserfahrung an andere weitergeben. Arbeitslose, Angestellte, Selbständige und Unternehmen profitieren von seiner ehrenamtlichen Arbeit

Von David Holzapfel, Bad Tölz

Peter Schöbel ist ein Macher. Er sei auch schon immer einer gewesen, sagt der 65-Jährige und fügt an: "Manche legen sich als Rentner hin und schauen den ganzen Tag Fernsehen, das kann ich nicht, ich muss aktiv sein." Ausgelastet ist der Ruheständler und Großvater in seiner neu gewonnenen Freizeit allemal. Ob im Sportverein oder als Dozent an Weiterbildungsträgern wie der Industrie- und Handelskammer (IHK), überall "mischt er a weng mit". Vor drei Jahren trat Schöbel in den Ruhestand ein, nach 47 Berufsjahren bei ein und derselben Firma - einem international tätigen Hersteller für Unterhaltungselektronik. Er arbeitete sich nach oben, fing mit einer Lehre als Elektrotechniker an und bekleidete später den Posten des Leiters der Arbeitsvorbereitung. In seiner Zuständigkeit lag zeitweise die gesamte Organisation, Produktion, Steuerung, Planung und das Lagerwesen des Unternehmens. "Ich war quasi der Mann für alles", sagt Schöbel. So vielfältig wie seine Tätigkeitsbereiche sind auch die Fachkenntnisse, die er über Jahrzehnte hinweg angehäuft und vertieft hat.

Tritt ein Mensch in den Ruhestand ein, so tut das meist auch sein "Know-how". Nicht selten verblasst in langen Jahren erworbenes Fachwissen mit der Zeit zu einer vagen Erinnerung. Und für nicht wenige liegt genau darin der Reiz eines Ruhestandes. Für Peter Schöbel und die Aktivsenioren Bayern jedoch ist dies eine vertane Chance. Der gemeinnützige Verein arbeitet in allen Regionen des Freistaates und bietet Führungs- und Fachkräften im Ruhestand die Möglichkeit, ihre Lebens- und Berufserfahrung an andere weiterzugeben.

Und so sitzt Peter Schöbel an einem Tag im Monat in einem kleinen Sprechzimmer des Landratsamtes in Bad Tölz. Fein säuberlich hat er seine Unterlagen vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. Wer mit ihm einen Termin vereinbart hat, kommt meist mit vielen Fragen, nicht selten jedoch auch mit einem handfesten Problem. Wie baue ich eine Fertigungslinie auf? Mit welchen Mitteln finanziere ich ebendiese? Warum läuft mein Betrieb nicht rund? Zu Schöbels Klientel zählen neben kleinen und mittelständischen Unternehmen schwerpunktmäßig Angestellte oder Arbeitslose, die eine eigene Existenz gründen möchten.

Am Anfang eines Beratungsgesprächs lotet Peter Schöbel aus, wie er seinem Gegenüber helfen kann. "Oft sagen die Kunden nach einem kurzen Dialog, ich hätte ihnen schon so viel geholfen, dass sie gar keine Hilfe mehr benötigen", sagt er. Das sei der Idealfall. Lässt sich ein Problem jedoch nicht so einfach lösen, greift der 65-Jährige auch in der Praxis ein. Er entwickelt - gemeinsam mit seinen Kunden - Businesspläne und Unternehmensstrategien. Die sollen später helfen, eine fruchtbare Unternehmung zu starten und am Laufen zu halten. Der Ehrenamtliche versteht sich selbst als Betreuer, nicht als Mentor, getreu dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe". "Ich erwarte schon Eigeninitiative", sagt Schöbel.

Und wenn der 65-Jährige einmal selbst nicht den richtigen Rat parat hat, greift er einfach auf das große Expertennetzwerk des Vereins zurück. In den Reihen der Aktivsenioren finden sich unter anderem ehemalige Sparkassendirektoren, Unternehmensberater oder Fachleute für Qualitätsmanagement.

Böse Zungen könnten nun freilich behaupten, die Aktivsenioren Bayern seien ein Auffangbecken für ehemalige Verantwortungsträger, die nicht recht loslassen können von dem, was viele Jahre ihr Leben bestimmt hat. Schöbel weist diesen Vorwurf entschieden zurück: "Ich habe so viel Zeit, die paar Termine im Monat tun mir da auch nicht weh", sagt er. Und wer mit dem Ehrenamtlichen spricht, merkt schnell: Der Senior hat große Freude daran, zu erklären, zu vermitteln und mit verschiedenen Menschen in den Dialog zu treten.

Für ihre Beratungen verlangen die Aktivsenioren keine Vergütung. Lediglich etwaige Fahrt- oder Materialkosten sollten von den Kunden erstattet werden. Der Dank der Menschen, denen durch ihr Engagement geholfen werden könne, sei Bezahlung genug, sagt Schöbel.

An eine Beratung erinnert sich der Aktivsenior ganz besonders gerne zurück. Vor einiger Zeit saß ihm eine Dame aus der Region gegenüber, die sich mit einer Gastronomie selbständig machen wollte. Zusammen mit Schöbel erstellte sie einen Geschäftsplan und konnte wenig später ihren Traum von einem eigenen Café verwirklichen. Seither brummt das Geschäft. Von Zeit zu Zeit kommt der 65-Jährige zum Wandern in das Gemeindegebiet. Dann macht er auch einen Abstecher in das Café. Und jedes Mal springt neben einem netten Gespräch auch ein kostenloser Kaffee für ihn heraus.

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Quelle:
SZ vom 29.12.2018
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