SZ-Serie: Ehrensache, Teil 8:Netzwerker für Nachbarn

Bei Peter Lobenstein laufen die Fäden im Verein "Bürger für Bürger" zusammen, der in Wolfratshausen heute 1300 Mitglieder zählt. Vor zwei Jahren hat er den Vorsitz aus der Not heraus übernommen - und es seitdem nicht bereut

Von Susanne Hauck, Wolfratshausen

Erst seit zwei Jahren ist Peter Lobenstein Vorsitzender des Wolfratshauser Nachbarschaftshilfevereins "Bürger für Bürger". Zu seinem Posten sei er eher zufällig gekommen, winkt der 56-Jährige bescheiden ab. Aber eher könnte man sagen, dass er als Retter in der Not einsprang: 2016 suchte der langjährige Vorstand nämlich händeringend einen Nachfolger für Christine Freundorfer. Weil der sich nicht finden ließ, stand der Verein vor der Auflösung. So war Lobenstein "nach ein, zwei unruhig verbrachten Nächten" bereit, den Laden zu schmeißen, auch wenn er bislang nur sporadisch mitgeholfen hatte. "So etwas Wichtiges wie die Nachbarschaftshilfe muss einfach weitergehen", ist seine Einstellung. "Und die Kinder waren groß geworden, ich hatte mehr Zeit." Seine Frau Ines ist ebenfalls sozial engagiert, sie arbeitet bei der Caritas für die Obdachlosenhilfe und leitet den Asylhelferkreis.

Lobenstein kommt aus Leipzig. Er weiß, dass das beim Gegenüber stets Unglauben hervorruft, weil man es ihm nicht anhört, so dass er zum Beweis schnell ein paar Sätze sächselt. Der Diplom-Ingenieur für Kommunikationstechnik lebt in Wolfratshausen, seit er 1996 bei Siemens anfing und eine Wohnung in der Nähe suchte. Mittlerweile arbeitet er im Systemmanagement in München.

Der Verein Bürger für Bürger ist vor 28 Jahren entstanden, er begann mit Kinderbetreuungsangeboten, bald folgten Seniorentreff und Seniorenhilfe. Lobenstein ist ein Netzwerker. Und jemand, der die Weiterentwicklung anstrebt. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat der Verein nun eigene Räume. Seit vergangenem Februar ist er im Pumpenhaus am Loisachufer untergebracht. Auch wenn das nur eine Lösung auf Zeit ist: Der Verein ist froh über die Räumlichkeiten, um Sprechstunden und Veranstaltungen anbieten zu können. Wird Lobenstein nach Zukunftsplänen für den Verein gefragt, so wäre sein Traum eine Art Bürgerhaus, das sich soziale Dienste und Vereine teilen könnten. Eine zentrale Anlaufstelle für Wolfratshauser aller Generationen, die sich sozial beraten lassen oder auch einfach nur an Angeboten teilnehmen wollen. "Das wäre schon toll, wenn man den administrativen Aufwand bündeln könnte und mehr Zeit für die Facharbeit hätte", erklärt er.

SZ-Serie: Ehrensache, Teil 8: Gemeinschaft ermöglichen: Peter Lobenstein bei einem Seniorentreff in den Räumen, die der Verein im Februar im ehemaligen Stadtarchiv am Loisachufer bezogen hat. Dort können die "Bürger für Bürger" vorerst bleiben. Der Vorsitzende wünscht sich jedoch langfristig eine Art Bürgerhaus in der Stadt.

Gemeinschaft ermöglichen: Peter Lobenstein bei einem Seniorentreff in den Räumen, die der Verein im Februar im ehemaligen Stadtarchiv am Loisachufer bezogen hat. Dort können die "Bürger für Bürger" vorerst bleiben. Der Vorsitzende wünscht sich jedoch langfristig eine Art Bürgerhaus in der Stadt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Verein mit 1300 Mitgliedern hat etwa 120 aktive Helfer, die Kinder betreuen, älteren Leuten im Haushalt helfen oder Schachabende organisieren. Eine Zahl, die nach viel klingt, aber letztlich "rennen uns die Freiwilligen nicht gerade die Bude ein", bedauert der Vorsitzende. Deshalb ist er für jeden Neuzugang dankbar, egal ob der nur zwei Stunden im Monat zur Verfügung hat oder als frischgebackener Rentner mehrere Male in der Woche. Jeder macht das, was ihm Spaß macht und so viel, wie er Lust hat. Sonst funktioniert es nicht, weiß Lobenstein. "Wem es leicht fällt, behördliche Formulare auszufüllen, kann anderen dabei behilflich sein, die sich damit nicht auskennen, und wer einen grünen Daumen besitzt, hat vielleicht Freude daran, einer alte Dame, die gerade aus dem Krankenhaus kommt, im Garten unter die Arme zu greifen."

Das gilt auch für Lobenstein: "Mein Talent liegt wahrscheinlich darin, dass ich gut organisieren und die Dinge zusammenhalten kann", meint er. "Und ich mag Menschen." Bei ihm laufen die Fäden zusammen. Und die Nachbarschaftshilfe in Wolfratshausen brummt: Die Freizeitbörse stemmt 60 Veranstaltungen jährlich, der Seniorentreff 250, die Seniorenhilfe betreut etwa 90 Menschen. Sogar der "Kinderpark" läuft noch gut, obwohl es mittlerweile überall Hortbetreuung gibt. Richtig leid tut es Lobenstein, wenn Veranstaltungen auf der Kippe stehen, weil die Nachfrage nachlässt, wie jüngst bei den "Musikalischen Entdeckungen", ein Angebot für Klassikfreunde.

Neun Ressorts voller Angebote

Der Verein "Bürger für Bürger" wurde 1990 von zehn Wolfratshausern gegründet, die einen großen Bedarf an Nachbarschaftshilfe festgestellt und beschlossen hatten, dass "etwas getan werden" muss - nämlich schnell und unbürokratisch zu helfen. Als erstes eröffneten die Mitglieder den "Kinderpark", ein Betreuungsangebot für Mütter. Im Laufe der Zeit sind sieben weitere Ressorts hinzugekommen: Mutter-Kind-Gruppen, Babysittervermittlung, Kindersachenbasar, Freizeitbörse, Seniorentreff, Seniorenhilfe und Dienstleistungsbörse.

In der Gründungsversammlung wurde seinerzeit beschlossen, dass die Hilfe von Bürgern für Bürger nicht kostenlos sein soll. Hilfesuchende zahlen einen kleinen Betrag, so werden sie nicht zu "Almosenempfängern". Helfer erhalten eine Aufwandsentschädigung. Die Leitungsaufgaben im Vorstand hingegen werden ehrenamtlich erbracht. Kommendes Jahr will der verein ein Auto anschaffen, mit dem die Helfer beispielsweise Einkaufsfahrten unternehmen und gehbehinderte Menschen zum Landratsamt bringen können. Um den Bürgern zu helfen und Begegnungen zu ermöglichen, entwickelt die Wolfratshauser Nachbarschaftshilfe auch immer wieder neue Angebote. "Reparatur und Kaffee" heißt etwa die aktuelle Veranstaltungsreihe, bei der Bürger ihre kaputte Gegenstände in eine Selbsthilfewerkstatt bringen und während des Reparierens unter fachlicher Anleitung auch gleich miteinander ins Gespräch kommen können. Das neueste inzwischen neunte Ressort ist der Asylhelferkreis mit 130 Ehrenamtlichen, der 2018 unter das Vereinsdach geschlüpft ist. Wer sich bei "Bürger für Bürger" engagieren möchte, kann zum Beispiel mit Peter Lobenstein Kontakt aufnehmen (Telefon 08171/92 66 01, E-Mail vorstand1@bfb-wor.de) oder in die wöchentliche Sprechstunde am Loisachufer 1 kommen. shau

Manchmal wünscht sich der Vorsitzende nur, er würde nicht in München arbeiten, sondern in Wolfratshausen, damit er "mittags mal schnell was klären könnte". So muss er sich tagsüber aufs Telefon verlassen, um Dinge in die Wege zu leiten, und den Rest abends und am Wochenende erledigen. Wie viele Stunden er pro Woche für die ehrenamtliche Leitung aufbringt, zählt er nicht. "Was bringt mir die Stoppuhr in der Hand?", fragt er. "Ich mache das, weil es ein gutes Gefühl ist, wenn man anderen helfen kann." Manchmal aber kommen die Wochenenden schon ein wenig kurz. Gern würde er öfter mit seiner Frau in die Berge gehen, aber dann hat doch wieder die Vereinsarbeit Vorrang. "Wenn wir was vorhaben, müssen wir das schon richtig einplanen, sonst ist mal wieder keine Zeit."

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