SZ-Serie: Ehrensache:Lobbyist für nagende Baumeister

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Nikolaus Schöfmann ist seit rund zwei Jahren als Biberberater im Landkreis aktiv. Der Geretsrieder begutachtet die Schäden, die die Tiere anrichten, und beschwichtigt die Grundbesitzer. "Man muss konfliktfähig sein", sagt er über sein Ehrenamt

Von Konstantin Kaip, Geretsried

Zweimal hat Nikolaus Schöfmann in seinem Leben einen Biber in freier Natur gesehen. Einmal stand er beim Fischen an der Loisach auf Höhe der Wolfratshauser Musikschule, "da ist er in der Dämmerung ganz nah an mir vorbeigeschwommen", erzählt der 70-Jährige. Ein anderes Mal habe er einen der großen Nager vom Kastenmühlwehr Richtung Weidachmühle schwimmen sehen, "vermutlich ein Jungtier, das sich ein neues Revier gesucht hat". Die Spuren der Tiere allerdings sieht Schöfmann sehr oft, schließlich muss er sie regelmäßig begutachten. Seit mehr als zwei Jahren ist er nämlich für die Untere Naturschutzbehörde im Landkreis ehrenamtlich als Biberberater tätig. Er begutachtet die Schäden, die bei der Behörde gemeldet werden und berät Landwirte und Waldbesitzer bei Präventionsmaßnahmen. Kein leichter Job, denn als Biberberater ist Schöfmann Vermittler in einem brisanten Konfliktfeld. "Ich will, dass die Bauern und Eigentümer keinen großen Schaden haben", sagt er. "Aber auch, dass der Biber noch einen Lebensraum hat, wo er sich behaupten kann."

Wo Menschen und Biber aufeinandertreffen, gibt es häufig Probleme. Das Konfliktpotenzial des Nagers ist in seiner Natur begründet - paradoxerweise in seinen allzu menschlichen Eigenschaften. Denn der Biber ist der größte Baumeister im Tierreich. Während andere Arten ihre Lebensgewohnheiten perfekt an die Umwelt angepasst haben, macht es das größte Nagetier Europas genau umgekehrt. Es passt seine Umwelt an seine Lebensbedingungen an. Der Biber errichtet eine Burg, wo er lebt und seine Jungen großzieht. Und weil deren Eingänge unter Wasser liegen müssen, staut er Fließgewässer auf, bis sie über die Ufer treten - und oft Wiesen vernässen. Er ernährt sich ausschließlich vegetarisch, auch von Feldfrüchten und Obst, im Winter aber hauptsächlich von Rinden und Zweigen. Und weil er nicht klettern kann, fällt er die Bäume mit seinen scharfen Schneidezähnen. Auch große Buchen und Eichen kann er in geduldiger Knabberei umlegen. Ihre Stämme transportiert er dann über den Wasserweg zu seiner Burg, wo er Nahrungsflöße aus den Ästen und Zweigen als Wintervorrat baut.

Wie fleißig Biber sein können, hat Schöfmann einmal in Deining erlebt. Dort habe er zusammen mit den Grundbesitzern einen Biberdamm abgetragen, der ein Stück Land überflutet hatte, erzählt Schöfmann - und Wildkameras am Bau installiert. Die Bilder hätten dann gezeigt, wie drei Biber über nacht den Damm wieder "emsig aufgebaut haben", sagt der 70-Jährige mit einem Grinsen. Zum Biberberater wurde Schöfmann nach einer einwöchigen Ausbildung mit mündlicher Prüfung bei der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege. Dort wurde auch seine menschliche Eignung getestet, sagt er. "Man muss auch konfliktfähig sein." Denn in seinem Amt habe er viel mit zornigen Menschen zu tun. "Oft heißt es: ,Der Biber muss weg'", sagt Schöfmann. "Da muss man schauen, wie man auf eine Kommunikationsebene kommt." Er sei stets höflich und stelle sich erst einmal vor, höre dann zu und versuche, "eine Lösung auf Augenhöhe zu finden".

Vermittler zwischen Mensch und Tier: Nikolaus Schöfmann begutachtet die Schäden, die ein Biber in Gelting angerichtet hat. Der 70-Jährige ist seit mehr als zwei Jahren als Biberberater im Landkreis tätig. Er hilft bei Konflikten mit Grundbesitzern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

So war es auch kürzlich, als er nach Gelting gerufen wurde. Dort hat eine Biberfamilie direkt am Kanal eine Burg gebaut - und rings herum zahlreiche Bäume umgelegt, etwa 15 Stück, wie Schöfmann sagt. Der Schaden ist beträchtlich, die Besitzerin, die das Areal als Freizeitgrundstück nutzt, wollte das Tier entfernen lassen. Das aber stehe nicht zur Debatte, da es dort keine Wege gebe und folglich kein Schaden für Leib und Leben bestehe, sagt Schöfmann. Was bleibt sind aufwendige Baumschutzmaßnahmen, etwa mit Drahthosen. Freude kommt so bei den Grundbesitzern nicht auf.

Gelegentlich aber siedeln sich Biber dort an, wo sie lebensgefährlich werden. In Bichl etwa habe ein Tier seine Burg einmal direkt am Bahngleis gebaut, berichtet Schöfmann. Man habe allerlei versucht, aber der Biber war dort nicht wegzubekommen. Deshalb musste das streng geschützte Tier erlegt werden. Solche von den hauptamtlichen Bibermanagern in Ausnahmefällen angeordneten sogenannten "lethalen Vergrämungen" kommen laut Schöfmann zwar recht selten vor. In Bayern habe es jedoch 2017 rund 1400 angeordnete Abschüsse gegeben - bei 20 000 Bibern, die mittlerweile im Freistatt leben. "Der Bestand ist dadurch keinesfalls gefährdet", weiß Schöfmann. Mehr Tiere kämen im Straßenverkehr ums Leben - und bei Revierkämpfen, die auch tödlich ausgehen könnten.

Dass sich der Biber seit den Sechziger Jahren so rasant in Bayern ausgebreitet hat, liegt auch an seiner Biologie: Nach der Paarungszeit im Januar - "im eiskalten Wasser", wie Schöfmann sagt - bringen die monogamen Biber im Mai durchschnittlich drei Junge zur Welt, die zwei Jahre in der Burg bleiben. Danach müssen sie sich ein eigenes Revier suchen, Konkurrenz wird bei den Nagern nicht geduldet. "Inzwischen sind fast alle Reviere besetzt", weiß Schöfmann. Deshalb gebe es kaum noch Möglichkeiten, Problemtiere umzusiedeln. Auch im Münchner Stadtgebiet seien die Tiere längst heimisch. "Der Biber ist genügsam", erklärt der Geretsrieder. "Er braucht nur Wasser und genug zu fressen."

Sein Wissen gibt Schöfmann gerne weiter. So war der Biberberater im vergangenen Jahr auch schon im Ickinger Gymnasium, um den Sechstklässlern dort mit einem "Biberrucksack" voller Anschauungsmaterial über das Leben der faszinierenden Tiere zu erzählen. Seine Einsätze muss Schöfmann dokumentieren, gut 40 hat er bereits für dieses Jahr aufgelistet. Etwa fünf Stunden pro Woche sei er durchschnittlich als Biberberater aktiv, sagt der 70-Jährige. Meistens geht es um land- und forstwirtschaftliche Schäden - und um Diplomatie und Deeskalation. "Manchmal übertreiben die Leute ein bisschen", sagt Schöfmann. "Manche meinen, dass wir ihnen den Biber eingesetzt haben", sagt er. "Aber das stimmt überhaupt nicht. Wir haben nur die Arbeit."

Schöfmann ist seit mehr als 40 Jahren im Fischereiverein Wolfratshausen aktiv und wurde für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement schon mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter die Isar-Loisach-Medaille. Auch wenn es manchmal mühsam ist als Biberberater: Aufhören will er nicht. "Solange ich gesund bin, mach' ich das gerne", sagt er. Schließlich wolle er die Menschen überzeugen, dass der Biber nicht nur schaden kann, sondern vor allem nützlich ist. So schaffe das Tier etwa mit Totholz in den Gewässern Rückzugsorte für die Fischbrut und erhöhe die bestände vieler Fischarten. "Die Vorteile beim Biber überwiegen die Nachteile bei Weitem", ist er überzeugt.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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