SZ-Serie "Ehrensache", Folge 1:"Man muss es nur wollen"

Erich Fisch war neun Jahre lang Vorsitzender des VdK Schäftlarn-Baierbrunn. Zum Rumsitzen fühlt er sich nicht bestimmt. Wenn jemand Hilfe braucht, ist er da - die Zeit dafür nimmt er sich

Von Katharina Schmid, Schäftlarn

Erich Fisch ist 79, und jeden Mittwoch zieht es ihn in die Berge. Seit 23 Jahren. "Mein Leben besteht aus Sport und Musik", sagt er. Und dass die Berge jedes Jahr gefühlte 100 Meter höher werden. Aber dann heiße es eben: "Zähne zambeißen." Jedenfalls kein Grund für den Rentner, sich zu schonen. Sich schinden, das gehört für ihn dazu, Bewegung halte fit und zum Rumsitzen sei er sowieso nicht gemacht, erzählt er in seinem Wohnzimmer in Hohenschäftlarn.

Herumgesessen hat Fisch in seinem Leben nie viel. In den vergangenen 13 Jahren hat er sich ehrenamtlich im Sozialverband VdK engagiert, neun Jahre lang als Vorsitzender, vier Jahre als Stellvertreter. In diesem Herbst hat er sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niederlegt. Trotzdem mischt er noch mit, im VdK genauso wie im gesellschaftlichen Leben in Schäftlarn. Einmal im Monat sitzt er mit Senioren aus Schäftlarn und Baierbrunn beim "VdK-Kaffee-Ratsch" zusammen, spielt Volkslieder auf seiner Quetschn, wozu die Senioren singen, oder wie Fisch es ausdrückt: "Die trällern wie die Schwaiberl."

Ehrenamts-Serie

Mit dem Akkordeon spielt Erich Fisch zur Unterhaltung der Besucher des "VdK-Ratsches".

(Foto: Hartmut Pöstges)

Sporadisch besucht er die Bewohner des Altenheims in Ebenhausen ebenfalls mit seinem Instrument, nebenbei kümmert er sich um drei an Demenz erkrankte Menschen. Und zu Weihnachten wollen er und seine Frau wieder ältere Menschen aus der Gemeinde, die keine Familie haben, zu sich nach Hause einladen. Dann wird gemeinsam auf Heiligabend angestoßen, mit Wein und Eierlikör. "Das gibt einem viel", sagt Fisch über sein Engagement. "Ich freu mich, wenn sich die Leute freuen."

In den VdK ist Fisch über die Musik "reingeschlittert", wie er sagt. Er spielte auf den Weihnachtsfeiern des Sozialverbands, sah, dass der damalige Ortsvorsitzende arg belastet war, und packte dann einfach selbst mit an. Trotz dieses Zufalls sei er immer vom VdK-Gedanken überzeugt gewesen. Der Verband federe ab, was die Politik "zum Teil Hirnrissiges" entscheide. Senioren mit ihren Problemen und Sorgen zur Seite zu stehen, sie wieder aufzurichten, ihnen auch mal finanziell unter die Arme zu greifen, das sah Fisch als VdK-Funktionär als seine Aufgabe - und das tut er auch heute noch.

Soziales im Sinn

Der Ortsverband Schäftlarn-Baierbrunn des VdK besteht seit 71 Jahren. Er wurde am 18. Juli 1947 als Kriegsopferverband gegründet, noch bevor sich 1950 der Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands im Bund formierte. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der VdK vom Kriegsopferverband zu einem Sozialverband entwickelt, der für soziale Gerechtigkeit kämpft und sich gegen den Abbau von Sozialleistungen stark macht. Deutschlandweit zählt der VdK fast 1,9 Millionen Mitglieder, er ist damit der größte deutsche Sozialverband. Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist die Vertretung der Interessen seiner Mitglieder gegenüber der Politik. Mitglieder können sich beim VdK fachlich und rechtlich beraten lassen. Dem VdK Schäftlarn-Baierbrunn gehören derzeit 284 Mitglieder an, etwa zehn davon sind ehrenamtlich in Vorstand oder Beratung tätig. Als spezielle Herausforderungen des Ortsverbands nennt dessen Vorsitzender Wolfgang Franz die Werbung jüngerer Mitglieder, die Beschaffung von Pflegekräften und den Einsatz für Barrierefreiheit, insbesondere an den S-Bahnhöfen. Weiter sagt er: "Für unsere Arbeit ist es wichtig, viele Interessenten, Freunde und Mitglieder, aber auch ehrenamtliche Mitarbeiter zu gewinnen, zumal der VdK für seine tägliche hauptamtliche Arbeit keine öffentliche Unterstützung erhält und nur durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert wird."

Im Ortsverband Schäftlarn-Baierbrunn stärken allmonatlich Treffen wie der "Kaffee-Ratsch" den Zusammenhalt. Dazu kommen Faschings- oder Weihnachtsfeiern und Vorträge sowie die zweimal jährlich stattfindenden Tagesfahrten.kasc

Manchmal brauche es auch klare Worte: "Diese verfluchte Jammerei", die müsse mal aufhören, sagt er. "Im Grunde geht es uns doch allen gut. Gegenseitiges Vorjammern zieht einen nur runter." Fisch plädiert für mehr Zufriedenheit, denn er ist überzeugt: "Das Leben ist schön, es gibt immer ein Lichtl."

Eine dem Leben zugewandte Einstellung, die der 79-Jährige an den Tag legt. Obwohl oder vielleicht gerade weil er schon viel durchgemacht hat. Im Zweiten Weltkrieg wurde seine Familie, wohnhaft im Münchner Bahnhofsviertel, "ausgebombt", erinnert er sich. Mit sechs Jahren kam er 1945 nach Hohenschäftlarn, die Familie war in der glücklichen Lage, ein Sommerhaus im Ort zu besitzen. Dort lebt er bis heute zusammen mit seiner Frau Marianne, 75 Jahre, die im Rollstuhl sitzt. Sie leidet seit 40 Jahren an Muskelschwund, ein Schicksal, mit dem sich das Ehepaar arrangiert hat und das für die beiden kein Grund ist, trübsinnig zu sein.

Fisch selbst hat den Krebs besiegt und einen Brandunfall beim Grillen überlebt. "Seitdem feiere ich zweimal Geburtstag", sagt er. "An dem Tag, an dem ich geboren bin, und an dem, an dem ich überlebt habe." Die Zufriedenheit, mit der er auf sein eigenes Leben schaut, will der studierte Wirtschaftsingenieur den Menschen mitgeben, die es nicht so leicht nehmen oder oftmals ganz handfeste Probleme haben. "Ich kann nicht wegschauen, wenn jemand Hilfe braucht", sagt er. Wer wisse schon, ob er nicht selbst einmal auf Unterstützung angewiesen sein werde. Dann seien Gemeinschaft und Zusammenhalt wichtig. "Das Schlimmste ist das Alleinsein für Menschen." Wenn alte Menschen den Partner verlieren, die Kinder weg sind, dann hole sie die Einsamkeit ein. Deshalb ist für Fisch eine lebendige Dorfgemeinschaft so wichtig, in der jeder den anderen noch kennt, ihn grüßt, mit ihm ratscht. "Nur leider wird unsere Gesellschaft immer kälter und unpersönlicher."

Er kenne Menschen in Schäftlarn, die im Alter allein in ihren großen Häusern säßen und für die es einem Festtag gleiche, wenn sie sich für die monatlichen Treffen oder die Adventsfeier des VdK herrichten dürften: "Manche gehen davor extra zum Friseur." Zu seinem Abschied als stellvertretender Vorsitzender hat der VdK Fisch zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Und obwohl ihm Urkunden eigentlich nicht wichtig sind, gibt er zu: Ein bisschen stolz macht ihn der Titel doch.

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