Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Dorfdynastien:Bauer, Bischof, Edelmann

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In Eurasburg ist der Familienname Urban weit verbreitet. Vorfahren waren Landwirte und Handwerker. Kaspar Urban wurde Mitte des 19. Jahrhunderts Bamberger Erzbischof. Ein Zimmer mit seinem Nachlass existiert im Mörzhof.

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Das örtliche Telefonverzeichnis verdeutlicht, wie sehr die Familie Eurasburg prägt. Zwanzig Mal steht dort der Nachname Urban. Da kann es vor allem Außenstehenden leicht passieren, die Verwandtschaftsverhältnisse durcheinanderzubringen, besonders wenn so manche Haushistorie eng verwoben ist.

CSU-Gemeinde- und Kreisrätin Maria Urban amüsiert sich jedenfalls sehr, wenn sie an den vergangenen Kommunalwahlkampf zurückdenkt. Denn die 64-jährige Bio-Landwirtin stammt aus dem Mörzhof in Unterherrnhausen. Nur einen Kilometer entfernt steht auf dem Höhenrücken östlich von Eurasburg der Packlhof in Oberherrnhausen. Im Haus lebt der 42-jährige Grünen-Landtagsabgeordnete, Gemeinde- und Kreisrat Hans Urban, ebenfalls Bio-Landwirt. Bei Wahlkampfauftritten außerhalb Eurasburgs sei sie immer wieder für dessen Mutter gehalten worden, sagt Maria Urban. "Altersmäßig würde das auch passen."

Nur ist es eben falsch. Zutreffend ist, dass der Großvater von Hans Urban und die Mutter ihres Mannes Sepp Geschwister waren. Das richtigzustellen hat Maria Urban teils aufgegeben. Womöglich liegt das daran, dass es sie einfach so sehr amüsiert. Am großen Tisch in der Stube des Mörzhofs muss sie jedenfalls laut lachen, als sie davon erzählt. Gleichzeitig illustriert diese Anekdote nur zu gut die manchmal verzwickte Familiengeschichte. Für solche Fälle haben die Urbans aus dem Mörzhof aber auch ihren Stammbaum. Das vielfach gefaltete, die ganze Tischbreite ausfüllende Papier haben sie dafür vor sich ausgebreitet. Trotzdem muss sich jeder konzentrieren, der den Überblick behalten will.

Dreh- und Angelpunkt ist wohl der berühmteste Träger des Familiennamens. Als Bonifaz Kaspar Urban (1773-1858), der später den Zusatz "von" erhielt, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert geboren wurde, sprach noch wenig dafür, dass er einmal Erzbischof in Bamberg werden würde. Seine Eltern Georg und Gertraud Urban bewirtschafteten als Bauern den Packlhof in Oberherrnhausen. Der Stammbaum reicht bis zu Georg Urban im Jahr 1658 zurück. Das Paar hatte noch die ältere Tochter Katharina (1769-1844). Im damaligen nahen Beuerberger Augustiner-Chorherrenstift ging Kaspar zur Elementarschule. Die Geistlichen erkannten früh, wie talentiert er war. Seit dem elften Lebensjahr besuchte er die Studienanstalt der Augustiner in München. Statt ein Stipendium für ein Studium an der Ingolstädter Universität anzunehmen, entschied sich Kaspar Urban, dem Augustinerorden in Beuerberg beizutreten.

Zum Wendepunkt seines Lebenswegs sollte das Jahr 1803 werden. Das damalige Fürstentum Bayern löste fast sämtliche kirchliche Herrschaften und Klöster auf. Deren Besitz fiel an den Staat oder wurde verkauft. Bevor der Papst im Jahr 1842 Kaspar von Urban als Bamberger Erzbischof bestätigte, war dieser unter anderem Hofkaplan des bayerischen Königshauses. In dieser Funktion unterrichtete er auch Prinzessin Sophie Friederike von Bayern - die spätere Ehefrau des österreichischen Erzherzogs Franz Karl und Mutter von Kaiser Franz Joseph I. Aus einem Brief der Prinzessin an Erzbischof Kaspar von Urban kann Maria Urban heute noch zitieren. Darin schreibt diese, wie aufgeregt sie sei, weil sich ihr Sohn mit der späteren Kaiserin Elisabeth - genannt Sisi - verlobt habe.

Viele Hinterlassenschaften Kaspar von Urbans sind im sogenannten Bischofszimmer im ersten Stock des Unterherrnhausener Mörzhofs erhalten. Dort stehen sein Bett und ein reich verzierter Sekretär oder ein besonderes Besteck mit Elfenbeingriffen. Früher war das Zimmer meist zugesperrt, der Hausherr verwahrte den Schlüssel und öffnete es nur zu besonderen Gelegenheiten. Heute hat Maria Urban den Schlüssel zum Bischofszimmer, ihr Schwiegervater hat ihn ihr überlassen. "Der Erzbischof war immer ein positives Vorbild", sagt sie. Dessen Herz ruht heute in der Kirche in Oberherrnhausen, in der er getauft worden ist.

Wer in der Familiengeschichte aufgepasst hat, könnte sich nun fragen, wie das Bischofszimmer in den Mörzhof nach Unterherrnhausen kommt. Schließlich ist Kaspar von Urban doch im Oberherrnhauser Packlhof geboren. Das liegt an seiner Schwester Katharina, die 1794 Josef Leopolder aus dem Mörzhof heiratete. Daher kam der Nachlass ihres Bruders dorthin. 1816 verkauften Katharina und ihr Mann den Packlhof an Jakob Gabler. Etwas mehr als ein Jahrhundert später heiratete 1922 Sebastian Urban aus Unterenzenau bei Bad Heilbrunn die Hoferbin Therese Gabler. Seitdem leben wieder Urbans auf dem Packlhof. Schon seit 1831 führten auch die Bewohner des Mörzhofs wieder denselben Familiennamen. Eine Tochter der Leopolders heiratete Josef Urban aus Osterhofen.

Der Mühlstein liegt am Eingang zur Mühle in Beuerberg.

Das original Besteck mit Besteck Bänkchen - die Griffe sind sogar aus Elfenbein.

Ein paar der vielen Hinterlassenschaften, die Bilder von Erzbischof Kaspar Bonifatius Urban (mittig oben und unten), seiner Mutter Gertraud (links) und seiner Schwester Katharina (rechts).

Untereinander verwandt seien die Familienzweige damals aber nicht gewesen, schildern Maria und Sepp Urban vom Unterherrnhauser Mörzhof. Die Vorfahren dieses Sebastian Urbans stammten ursprünglich aus Italien. Über die Alpen sei die Familie nach Unterenzenau gekommen. Seit dem 15. Jahrhundert tauche dort der später eingedeutschte Name Urbani auf.

Um ihre weiteren Vorfahren auf dem Mörzhof machen Maria und Sepp Urban kaum Aufhebens. "Das waren brave Leute", sagt Maria Urban. Von gravierenden Streitigkeiten oder Vorkommnissen wisse sie nichts. Die Vorfahren hätten ein unauffälliges Leben geführt. "Es hat nie Ärger gegeben." Die meisten seien entweder Landwirte oder Handwerker geworden. Zimmerer oder Sägewerks-Beschäftigte habe es gegeben. Einer sei Müller gewesen. Bis kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs betrieb die Familie eine kleine Mühle an der Loisach. Vom Mörzhof leitete eine Sturzleitung das Wasser eines Baches hinunter zur Loisach. Reste davon seien noch heute in Flußnähe zu sehen, sagt Sepp Urban.

Viele aus dem Mörzhof stammende Urbans heirateten im 19. Jahrhundert nach Beuerberg, wie etwa ein Hans Urban in den dortigen Gasthof zur Mühle. An dessen Hausfassade ist heute noch ein früherer Mahlstein aus der Mühle des Mörzhofs angebracht. In Beuerberg gründete Hans Urban auch den Burschenverein, machte auch bei den Schäfflertänzen mit, die dessen Mitglieder organisierten.

Auf dem Mörzhof bewirtschaften Maria und Sepp Urban heute 80 Hektar Grund. Sie haben fünfzig Kühe und noch einmal so viel Jungvieh zur Nachzucht. Maria Urban engagiert sich darüber hinaus noch als Orts- und stellvertretende Kreisbäuerin, sitzt für die Christsozialen seit 2012 im Eurasburger Gemeinderat. Von heute aus betrachtet hätte sie gerne zehn bis fünfzehn Jahre früher damit angefangen, sich politisch zu engagieren, sagt sie. Aber damals seien ihre drei Kinder noch klein gewesen und ihren Mann habe sie mit der Arbeit auf dem Hof auch nicht alleinlassen wollen. "Ich habe mich immer bemüht, dass mein Mann nicht alleine im Stall sein muss", sagt sie. Politisch engagiere sie sich gleichwohl gerne. Gestaunt habe sie, dass sie bei den jüngsten Kommunalwahlen im Frühjahr die zweitmeisten Stimmen aller Kandidaten bekommen habe.

Auf dem Mörzhof wird der Sohn der Urbans einmal die Familiengeschichte fortführen. Er hat Informatik studiert. Von den Vorfahren hätten bis dahin nur welche aus dem Leopolder-Zweig studiert. In seinem Testament hatte Erzbischof Kaspar von Urban festgelegt, eine Stiftung zu gründen. Das Geld diente als Basis, um männlichen Mitgliedern seiner Familie ein Studium zu finanzieren. Der Neffe des Erzbischofs aus der Leopolder-Familie wurde Direktor des bayerischen Hauptmünzamts und geadelt. Das wäre Stoff für eine weitere Ahnengeschichte.

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Quelle:
SZ vom 15.01.2021
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