Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Bau-Geschichten:Ungeliebtes Denkmal

Kreisheimatpflegerin Maria Mannes kämpft seit vielen Jahren für den Erhalt des Alten Krankenhauses in Wolfratshausen.

Von Wolfgang Schäl

25 Jahre war Maria Mannes in der Tölzer Kreisbehörde für den Denkmalschutz zuständig, seit 13 Jahren engagiert sie sich als Kreisheimatpflegerin für die historische Bausubstanz im Landkreis. In dieser Zeit hat sie gelernt, Planungsunterlagen zu lesen. Und dies hat sich in einem besonderen Fall als höchst vorteilhaft erwiesen: Bei der Lektüre jenes Bebauungsplans nämlich, der das Geviert zwischen Sauerlacher Straße, Floßkanal und Hammerschmiedweg in Wolfratshausen umschließt, machte sie eine höchst unliebsame Entdeckung. Auf der Zeichnung war ein Gebäudeumriss an allen Seiten mit jeweils einem X-Zeichen markiert, was grundsätzlich bedeutet, dass ein Haus zum Abbruch freigegeben ist. Das ausgeixte Anwesen war das Haus an der Sauerlacher Straße 15 - das alte Krankenhaus, eines der markantesten Zeugnisse der Wolfratshauser Medizin- und Baugeschichte.

Als Sorgenkind betrachtete Mannes das aus der Biedermeierzeit stammende klassizistische Gebäude ob seines hohen Sanierungsbedarfs schon lange. Nun aber, im Jahr 2012, galt es zu handeln, denn das dem Abriss geweihte Anwesen stand seit dem Jahr 1984 auf der offiziellen Liste der Baudenkmäler - ein unhaltbarer rechtlicher Missstand. In einem offenen Brief an die Presse wies Mannes eindringlich darauf hin, leidenschaftlich unterstützt vom Historischen Verein Wolfratshausen, der auf allen Amts- und Regierungsebenen Alarm schlug. Die Kreisbehörde indes sah keine Veranlassung, die Abbruchgenehmigung zurückzunehmen, da sie schon bestanden habe, bevor das Objekt auf die Denkmalliste gesetzt worden sei. Die Bezirksregierung wiederum kritisierte zwar den Schwebezustand, mochte sich aber nicht einmischen, solange Wolfratshausen keine Anstalten machte, das Haus abzureißen.

Was in den Jahren bis 2014 folgte, war ein juristisches Hickhack, denn die Stadt zeigte ein Interesse, das Filetgrundstück an der Altstadtperipherie möglichst lukrativ per Erbpacht an einen privaten Bauträger zu vergeben. In ihrem offenen Brief erinnerte Mannes an eine vergleichbare Bausünde, die der Stadtrat in den 80er-Jahren begangen hatte - damals wurde der alte Bauhof an der Königsdorfer Straße abgerissen, der nahezu baugleich war mit dem alten Krankenhaus und aus derselben Zeit stammte. Der Bauhof sei schon damals dem Kommerz geopfert worden, beklagte Mannes. Wie es an dieser Stelle mittlerweile aussieht, wolle sie lieber nicht kommentieren.

Ziel von Begehrlichkeiten war auch das alte Krankenhaus schon lange, 2006 hatte sich der Bauausschuss der Stadt für den Abbruch ausgesprochen, und schon in jenem Jahr hatte Mannes dagegen protestiert: "Mit welchem Recht kann der Denkmalschutz von Privateigentümern die fach- und sachgerechte Sanierung ihrer Denkmäler verlangen", sagte sie, "wenn hier dem Abbruch zugestimmt wird, weil die Stadt Geld braucht und das Grundstück meistbietend versilbern will." Dass das Haus einen gewaltigen Sanierungsrückstand aufweise, habe sich die Stadt im Übrigen selber zuzuschreiben. "Wenn ich ein Haus über Jahre hinweg nicht pflege, dann verfällt es eben." Ein Argument für den Abriss sei die Hinfälligkeit des Hauses jedenfalls nicht, zumal es durchaus noch gerettet werden könne. Der alte Bauhof sei ohne Not geopfert worden, beklagt Mannes, mit dem alten Krankenhaus verfüge die Stadt deshalb nun nur noch über ein einziges Gebäude aus dieser Bauepoche. Schon aus diesem Grund sei es erhaltenswert. Es beinhalte aber auch ein Stück lokaler Kriegs- und Nachkriegsgeschichte: In den Jahren 1935 bis 1945 habe dort, was wenig bekannt sei, die NSDAP-Kreisleitung residiert, und in den Jahren bis 1948 das Ernährungs- und das Gesundheitsamt.

Klare Linien und antike Ornamente

Der Klassizismus beginnt Ende des 18. Jahrhunderts. Die Epoche endet um 1850. Seine Vorbilder sind die klassische Antike, in erster Linie die Bauten im antiken Griechenland. Die Walhalla in Donaustauf entsteht von 1831 bis 1842 im Stil des Parthenontempels auf der Athener Akropolis. Auch der Rückgriff auf die römische Antike ist möglich, zum Beispiel auf das Pantheon in Rom. Es wird zum Vorbild für zahllose Kuppeln und Rundbauten, darunter die Befreiungshalle von Kelheim. Überwiegend sind es jedoch rechteckige Grundrisse, Symmetrien, klare Linien und antike Ornamentik, wie zum Beispiel beim Königsplatz in München. Klassizistische Bauten sollten dem bayerischen Kronprinzen Ludwig als späterem König Ludwig I. dazu dienen "Griechen und Römer aus dieser Rasse von Biertrinkern zu machen, die er eines Tages regieren wird". So äußert sich jedenfalls König Max I. Joseph über seinen Sohn. Das Zitat stammt aus den Erinnerungen des Architekten Leo von Klenze vom Beginn des 19. Jahrhunderts. Wichtige Vertreter des Klassizismus sind in Bayern neben Klenze auch Carl von Fischer, Friedrich von Gärtner und Gustav Vorherr, in Preußen Karl Friedrich Schinkel.K. Voss

Die später zu Wohnzwecken umgebauten Räume im Inneren des alten Krankenhauses hat Mannes bis jetzt nicht betreten, weil die Bewohner dort in äußerst prekären Verhältnissen leben, besichtigt hat sie nur den Hausflur, der wie das gesamte Anwesen absolut sanierungsbedürftig ist. Im Erdgeschoss habe es früher eine Kapelle gegeben, in den Raum mit seiner Stuckdecke sei leider eine Wand eingezogen worden. Die blinden Fenster mit den zerschlissenen, meist zugezogenen Gardinen vermitteln obendrein von außen einen höchst trostlosen Eindruck.

Unmittelbar vom Abbruch bedroht ist das klassizistische Gebäude nach einer Bebauungsplan-Änderung im Jahr 2014 nicht mehr, einen befriedigenden Zustand sieht Mannes damit noch lange nicht erreicht. Wie sie überhaupt um den Denkmalschutz in Wolfratshausen besorgt ist. Die Situation sei aufgrund starker kommerzieller Interessen "sehr beunruhigend", was die Heimatpflegerin auch an einem anderen Beispiel, dem Hatzplatz, illustriert sieht. Der Plan, dort, in unmittelbarer Nähe zum Zentrum, ein dreistöckiges Parkhaus zu errichten, sei für das Stadtbild "absolut unpassend". Aus Sicht der Denkmalpflege findet Mannes für Wolfratshausen zu einem wenig schmeichelhaften Gesamturteil: "Es ist alles zum Haareraufen."

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Quelle:
SZ vom 29.08.2017
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