SZ-Serie: "Aus erster Hand":Stressfrei zur Qualität

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Der Sachsenkamer Johann Liebhart und seine Ehefrau Anneliese waren lange Milchbauern, bis ihnen der Betrieb in der Ortsmitte zu umständlich wurde. Sie stellten auf Rotwild um, deren Fleisch im Hofladen Absatz findet. Demnächst soll noch Dorper-Lammfleisch das Angebot abrunden.

Von Konstantin Kaip, Sachsenkam

Das Hirschgeweih, das an der Scheune des Bauernhofs der Liebharts in Sachsenkam hängt, ist zwar stattlich, aber an sich nichts Besonderes. Gute Kronenhirsche unter Dachfirsten zieren schließlich zahlreiche Fassaden im ländlichen Raum. Erst wenn man den Blick nach unten schweifen lässt, zu dem kleinen Schild am Hofladen, kann man erkennen, das es dort etwas Spezielles gibt. Statt Milch, Eiern, Rind- oder Schweinefleisch bietet Hans Liebhart Wildfleisch an. Das meiste stammt vom Rotwild, das er seit vier Jahren in einem acht Hektar großen Gatter unweit seines Hofes hält. Etwa 60 Tiere leben dort. Zwischen 25 und 30 Stück erlegt er im Jahr. Ihr Fleisch kann man im Laden kaufen: Rücken, Gulasch, Bratenstücke oder Grillsteaks aus der Keule. Aus dem Fleisch älterer Tiere lässt Johann Liebhart Wurst herstellen, Rohsalami oder Kaminwurzen.

Liebhart und seine Frau Anneliese waren bis vor kurzem noch Milchbauern. Die Milchkühe haben sie aber vor etwa sieben Jahren aufgegeben. Zu umständlich, sagt Anneliese Liebhart, war der Betrieb auf ihrem biozertifizierten Hof. "Wir mussten die Kühe mindestens zweimal die Woche auf die Weide führen, auch im Winter." Da der Bauernhof mitten im Ort liegt und die Tiere über die Straße geführt werden mussten, habe das "immer Ärger" gegeben. Kurz nach seinem 50. Geburtstag hat Liebhart dann eine Chance ergriffen: Er übernahm ein Wildgatter im nahe gelegenen Sufferloh bei Holzkirchen, dessen Betreiber überraschend gestorben war. So wurde er vom Milch- zum Wildbauern.

Dabei kam ihm zupass, dass er gelernter Metzger und passionierter Jäger ist. Eine Sachkundeschulung brauchte er dennoch - auch, um die Tiere fachgerecht zu sedieren, um sie, zwei Jahre später, auf den eigenen Grund kurz nach der Sachsenkamer Ortsgrenze zu transportieren. Mit 22 Stück habe er angefangen, sagt Liebhart. Das Damwild, das anfangs noch die Hälfte seines Bestands ausmachte, hat er inzwischen nicht mehr. Zu scheu seien die Tiere gewesen, und mit ihrem deutlich geringeren Gewicht auch weniger interessant für die Schlachtausbeute. Heute erinnert nur ein einzelnes weißes Damtier in seiner ansonsten rotbraunen Herde an die frühere Zeit.

Um die Tiere zu sehen, muss man nur die Kirchbichler Straße ein paar hundert Meter ortsauswärts fahren. Hinter dem zwei Meter hohen Zaun sieht man allerdings an heißen Sommernachmittagen nur Wiese und ein kleines Waldstück. "Sie mögen es nicht so heiß", sagt der Bauer über seine Tiere, die den Schatten der Bäume der prallen Sonne vorziehen. Betritt Liebhart das Gatter jedoch mit einem Eimer frischer Äpfel, dauert es nicht lange, bis sie sich zeigen: Erst sieht man nur die Köpfe einiger Alt- und Schmaltiere, nach ein paar Minuten aber ist der Bauer umringt von Rotwild, darunter auch der stattliche Platzhirsch und ein junger einjähriger sogenannter Schmalspießer mit kleinen Kolben im Bast auf dem Kopf. Ohne Scheu fressen die Tiere das Obst, das ihnen Liebhart auf den Boden wirft und lassen sich von ihrem Besitzer sogar streicheln. "So zutraulich sind sie bei mir nicht", erklärt seine Frau mit einem Lächeln.

Die spontane Fütterung lassen sich auch zwei gepunktete Kälber nicht entgehen, die erst wenige Monate alt sind. Sie tragen gelbe Ohrmarken, damit der Bauer sie im kommenden Jahr eindeutig identifizieren kann. Als Schmaltier oder Schmalspießer, wie die Tiere dann je nach Geschlecht heißen, sind sie reif für die Schlachtung und liefern zwischen 55 und 65 Kilo zartes Fleisch pro Stück. Erlegt werden die Tiere mit der Büchse: Liebhart lockt sie mit Äpfeln an und tötet sie dann mit einem gezielten Kopfschuss, um kein Wildbret zu entwerten, aus einer kurzen Distanz von 30 bis 50 Metern. Dann lässt er sie auf dem Feld ausbluten, nimmt sie aus und bringt sie in seine Schlachtkammer, wo er sie gleich aus der Decke schlägt, ihnen also das Fell abzieht, und sie dann noch drei Tage zum Reifen in die Kühlkammer hängt, die er auf seinem Hof eingerichtet hat. Anschließend werden die Tiere zerwirkt, und die küchenfertigen Stücke kommen einvakuumiert in die große Tiefkühltruhe des Hofladens.

Das Fleisch der Tiere enthält keine Stresshormone, weil die sie nicht auf einen Schlachthof transportiert werden müssen, sondern in ihrem gewohnten Umfeld getötet werden. Das ist aber nicht der einzige Vorteil, den Liebharts Kunden zu schätzen wissen. Wildfleisch enthält mit sechs Gramm pro Kilo weniger Fett als Hühnerbrust (neun Gramm pro Kilo). Und außer den gelegentlichen Äpfeln fressen die Tiere nur Gras und im Winter die Heusilage, die ihnen Liebhart gibt. "Bei uns ist alles bio", sagt der Bauer. In seinem Hofladen, der früher die Milchkammer war, gibt es neben dem Hirsch- auch noch Rehfleisch. Von Tieren, die Liebhart selbst in seinem Jagdrevier erlegt hat oder solchen, die die benachbarten Pächter vorbeibringen. Sein Fleisch kann man auch auf der Karte des Klosterbräustüberls Reutberg finden, das er beliefert. Die Nachfrage bei den Gästen sei gut, sagt Liebhart, neuerdings auch nach Innereien, Leber und Herz.

Die Kilopreise in dem kleinen Hofladen variieren zwischen je nachdem, was der Kunde wünscht: 12,50 Euro kostet das Gulasch, 18,50 Euro die Keule und 30 Euro der ausgelöste Rücken. "Viele Leute geben gerne ein bisschen mehr aus und haben dafür gutes Fleisch", sagt Hans Liebhart. Die stressfreie Haltung und die Bioqualität wissen zahlreiche Kunden aus der ganzen Region zu schätzen. Manche kämen regelmäßig und deckten sich für Monate mit Fleisch ein, erzählt Anneliese Liebhart. Andere kämen beim Wandern zufällig vorbei. Man spüre einen Bewusstseinswandel, sagt die 50-Jährige. "Jeder Skandal in der Massentierhaltung bringt uns wieder Kunden." Die meisten kämen jedoch immer noch zur Weihnachtszeit. "Dann rennen sie uns die Bude ein." Die Liebharts haben jedoch schon viele Kunden überzeugt, dass man Wildfleisch auch anders zubereiten kann als nur in Rahmsoße. Etwa im Sommer auf dem Grill. Die Steaks, die er dafür aus seinen Hirschkeulen schneidet, seien "der Renner", sagt Hans Liebhart. Sein Sortiment will der 54-Jährige trotzdem noch erweitern. Auf seinem Hof hält er auch noch 20 Schafe der südafrikanischen Rasse Dorper, die nicht geschert werden müssen. Der Bestand müsse noch wachsen, sagt er. Aber bald soll es in dem kleinen Hofladen dann auch Lammfleisch geben - in Bioqualität, versteht sich.

Wild Liebhart, Kirchbichler Straße 2, 83679 Sachsenkam, Telefon 08021 / 9718, Mobil 0160 / 8321316, E-Mail: h.a.liebhart@freenet.de

© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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