SZ-Serie: Aus erster Hand:Flüssiges Gold

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Jahrelang durfte Christiana Eibl im Bienenhaus nur den Männern zuarbeiten. Nun ist sie die Imkerin auf dem Eiblhof bei Kreut. (Foto: Hartmut Pöstges)

In den alten Bienenhäusern eines Einödhofs bei Kreut arbeitet Christiana Eibl mit 25 Königinnen und deren fleißigen Völkern. Den Honig verkauft sie an Wanderer und Kunden, die bis aus Saudi-Arabien kommen.

Von Stephanie Schwaderer, Königsdorf

Wenn Christiana Eibl zu ihren Bienen geht, weiß sie, dass sie auf Überraschungen gefasst sein muss. Ohne Schleier stattet sie keinem ihrer 25 Völker einen Besuch ab. Und auch den Smoker, ein handliches zylinderförmiges Gerät mit Blasebalg, hält sie immer griffbereit. Behutsam entfernt sie den Deckel einer Holzkiste und bläst Rauch in die Wabengassen. Anstatt angriffslustig aufzufliegen, ziehen sich die Bienen brummend tiefer in ihre Behausung zurück, und Eibl kann vorsichtig eine Wabe herausziehen. "Ich glaub's nicht!", ruft sie und lacht und hält die Wabe schräg ins Licht, so dass es noch besser zu sehen ist: In den unzähligen sechseckigen Näpfchen glänzt und schimmert es dunkelbraun. Frischer Honig. "Die haben noch mal was eingetragen", staunt sie, "um diese Zeit!"

Die Imkerei am Eiblhof hat eine lange Tradition. (Foto: Hartmut Pöstges)

Seit 15 Jahren befasst sich die Bäuerin intensiv mit der Imkerei. "Kein Jahr ist wie das andere", sagt sie. Im Juli sei sie davon ausgegangen, dass die "Tracht vorbei" sei, die Bienen also in der Natur keine Nahrung mehr fänden und die Zeit zum Einfüttern gekommen sei. "Und dann fangen Heide und Wald zu honigen an!" Dieses Phänomen trete nicht alle Jahre auf - und selten so spät wie heuer. Was sie noch mehr erstaunt hat: Kein einziges ihrer Völker sei geschwärmt. "Das gab es noch nie", bestätigt ihr Mann Peter. Und der hat immerhin sein ganzes Leben auf dem Eiblhof mit Bienen verbracht.

Geöffnet ist der Hofladen immer, wenn jemand zu Hause ist. (Foto: Hartmut Pöstges)

Sein Großvater, er hieß ebenfalls Peter, war es, der 1889 auf dem prächtig gelegenen Einödhof in Kreuth seine Liebe zu den Bienen entdeckt hat. Um das Jahr 1910 professionalisierte er die Imkerei und baute mit seinem Sohn (sein Name war ebenfalls Peter) zwei große Bienenhäuser. "In den besten Zeiten hatten wir hier 120 Völker", erzählt Christiana Eibl. Allerdings habe ihr Schwiegervater mit kleinen selbstgezimmerten Holzkisten gearbeitet. Sie ist auf sogenannte Alpentrogbeuten umgestiegen. "Da passen doppelt so viele Waben und damit doppelt so viele Bienen hinein." Etwa 30 000 seien es im Frühsommer. "Im Winter werden es pro Volk nur noch 3000 sein, das geht jetzt rapide abwärts."

Nun ist sie Königin im Bienenhaus

Ihr Wissen hat sie sich vor allem im Imkerverein Geretsried angeeignet. Zu Lebzeiten ihres Schwiegervaters blieben ihr die Bienenhäuser verschlossen. "Die Arbeit dort war den Männern vorbehalten." Auch der älteste ihrer drei Söhne, er heißt (richtig!) Peter, sei vom Großvater noch in die Imkerei eingeweiht worden. Sie als Frau hingegen durfte über Jahre hinweg nur die Zuarbeiten übernehmen: Waben in den Hof tragen und entdeckeln, Honig schleudern und abfüllen. Diese Zeiten sind vorbei. Vor sieben Jahren ist ihr Schwiegervater gestorben. Dass sie mittlerweile die Königin im Bienenhaus ist, liegt daran, dass ihr Mann unglücklicherweise eine Bienenallergie entwickelt und ihr Sohn eine Stelle als Maschinenbauingenieur bei BMW angenommen hat.

Gemeinsam mit ihrem Mann Peter kümmert sich Christiana Eibl liebevoll um Hof und Garten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Mit der neuen Arbeitsaufteilung in ihrem kleinen Paradies haben sich die Eibls offenbar gut arrangiert. Haus und Hof ist anzusehen, dass sie geliebt und von geschickten Händen gepflegt werden. Das Wasser kommt aus einer Zisterne, der Strom vom Dach. "Wir sind weitgehend autark", sagt die Bäuerin. "Im Sommer muss ich kaum einkaufen gehen." Sieben Kühe liegen im Obstgarten und geben sich genussvoll der Verdauung hin. Im Gemüsebeet balgen sich zwei Katzen. Hinter gestutzten Buchsbaumhecken, Malven und drei Meter hohen Sonnenblumen reicht das Auge bis zum Blomberg, dazwischen nichts als Wälder, Moor und Streuwiesen. "Ein ideales Gebiet für die Bienen", attestiert Christiana Eibl. Ihr Blick sagt: Nicht nur für Bienen.

Auch Urlauber und Wanderer wissen die Gegend zu schätzen. So kommt es, dass der kleine Hofladen trotz seiner Abgeschiedenheit gewissermaßen Laufkundschaft hat. Das Sortiment ist überschaubar. Während andere Imker bestimmten Nektarquellen hinterherziehen und ihren Arbeiterinnen Sortenhonig von Rapps bis Robinie eintragen lassen, sammeln die Eibl-Bienen das, was gerade rund ums Haus blüht. Weide, wenn noch der letzte Schnee liegt, später Apfel, Zwetschge oder Löwenzahn. Waldhonig, auf den Imker oft vergeblich hoffen, entsteht nicht aus Blütennektar, sondern aus den Ausscheidungen von Blattläusen und anderen Insekten, sogenanntem Honigtau. Der Kunde im Eiblhof hat die Wahl zwischen "Blüte", "Sommertracht" und "Waldblüte"; das 500-Gramm-Glas kostet sechs Euro. Zudem gibt es handgezogene Kerzen und einige zugekaufte Produkte wie Met, Seife und Handcreme. Auch hausgemachter Zwetschgensaft steht im Regal und frische Marmelade. Fleisch aus Mutterkuhhaltung - die zweite Einnahmequelle der Direktvermarkter - wird nicht im Hofladen vertrieben, sondern vom Metzger an die Kunden ausgeliefert.

Die Honigernte in diesem Jahr ist gut ausgefallen. Viermal haben Christiana und Peter Eibl die Edelstahlschleuder angeworfen, 18 Zentner warten in großen gelben Eimern darauf, gerührt und abgefüllt zu werden. Absatzprobleme kennen sie nicht. Guter Honig ist begehrt. Vor kurzem sei ein Mann aus Saudi-Arabien bei ihnen vorstellig geworden, erzählt Christiana Eibl. Er habe im großen Stil einkaufen wollen - und zu vergünstigten Preisen. Damit habe er bei ihr aber auf Granit gebissen. "Beim Honig lasse ich nicht mit mir handeln!" Nach einer Stunde sei er wieder abgefahren. Mit einem Glas Eiblgold im Gepäck.

© SZ vom 04.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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