Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: "Aus erster Hand":Biologisch Wertvolles

Im Laden von Ingrid Köglsperger am Deininger Stollhof kauft man nicht ein, man wird versorgt - mit ökologisch erzeugter Milch sowie mit Fleisch, Getreide und persönlicher Ansprache. Für die Kunden ist der Besuch stets mehr als nur Shopping - viele Generationen erleben hier Natur pur.

Von Christa Gebhardt

Thomas Köglsperger ist seit 13 Jahren Chef auf dem Deininger Stollhof, ein Vorzeigebetrieb für ökologischen Landbau: Er hat 2005 den Bauernhof von seinem Vater Sebastian übernommen. Der Papa, der im Januar seinen 80. Geburtstag feierte, war ein regionaler und überregionaler Pionier in der ökologischen Landwirtschaft; bereits 1976 stellte er den Familienbetrieb als einer der ersten in Deutschland auf organisch-biologischen Landbau um. Nicht nur in der Heimat wurde er damals ausgelacht. Bio war etwas für Spinner. "Wir waren das Gespött vom ganzen Landkreis", erinnert sich Sebastian Köglspergers Ehefrau Ingrid, die nach einer Pause ihren beliebten Hofladen wieder betreibt. Und wenn etwas schief gegangen sei bei der Umstellung, sagt sie, habe sich das verbreitet unter den Leuten bis nach Norddeutschland.

"Heute ist Bio längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen", sagt ihr Sohn Thomas. Er muss sich nicht mehr gegen Widerstände stemmen wie der Vater, der mit großem Idealismus für die artgerechte Milchwirtschaft kämpfte, Wissen über den ökologischen Landbau ansammelte, Überzeugungsarbeit bei den Kollegen leistete und Hofführungen für die wachsende Kundschaft des Hofladens veranstaltete. 1989 erhielt Sebastian Köglsperger den Agrar-Kulturpreis der KLS-Stiftung, zahlreiche weitere Auszeichnungen folgten. Der Deiniger Stollhof war zum Demonstrationsbetrieb für ökologischen Landbau geworden.

Ihm, Thomas Köglsperger, würde das alles, das "Umtriebige" des Vaters, nicht liegen, wie er zugibt. Er ist eben ein Realist. Und wenn er sagt, "ich konzentriere mich auf die Arbeit", meint er ein vernünftiges Verhältnis von Zeitaufwand und Ertrag. Thomas Köglsperger betreibt noch immer den organisch-biologischen Landbau nach den Bioland-Richtlinien, die für Anbau, Tierhaltung und Verarbeitung ständig überprüft werden. Eine Wirtschaftsweise ohne Agrarchemie bedeutet aber noch immer hohen Zeitaufwand und da muss eben halt auch der Biobauer nüchtern kalkulieren. Die Kuhfamilienzucht hat er beibehalten, der prächtige schwarze Stier darf inmitten seiner Herde im Stall wohnen. Die 50 Holsteiner Milchkühe und etwa ebenso viele Jungrinder sind immer noch "Freiläufer" mit Ruhezonen, Futterstall und Laufhof. Die aufwendige Chipanlage, einst eine Versuchsstudie der Uni Weihenstephan, aber hat er nicht mehr für teures Geld reparieren lassen, als sie kaputt ging.

Die Futterportionen werden computergesteuert an die Tiere abgegeben, ihr Fressen, kräuterreiches Gras im Sommer, Heu und Silage im Winter, müssen sie sich selber holen. Dabei müssen sie sich bewegen, das hält sie auch fit. Die Vergrößerung des Hofs mit mehr Fläche hat Thomas Köglsperger überlegt, aber für unrentabel befunden, weil die Pachtpreise mittlerweile uneffektiv hoch geworden seien. Auch gegen einen neuen großen Stall mit viel mehr Kühen hat er sich entschieden, ebenso rechnet sich seiner Meinung nach der Betrieb einer Biogasanlage nicht mehr. "Das war und ist eine super Technik, mittlerweile kann man sie aber nicht mehr mit dem Konzept der Nachhaltigkeit verbinden." Thomas Köglsperger, der mit seiner Frau und einem Lehrling den Stollhof allein bewirtschaftet, möchte frei und selbständig über seine Arbeit entscheiden. Eine Abhängigkeit von der Bank über Jahrzehnte, bis sich die millionenschwere Anschaffung einer Biogasanlage amortisiert hätte, kam für ihn nicht in Betracht.

Eine Ausweitung der Landwirtschaft würde sich auch nicht lohnen, so Köglsperger. Frucht-und Nutzpflanzenanbau wären mit hohem Zeit-und Arbeitsaufwand verbunden, insofern mache es Sinn, Grünland zu haben. "Wir sitzen hier auf der Endmoräne", erklärt er und das heißt, "wir haben hier alle zehn Meter einen anderen Boden." Die Konzentration auf die Milchwirtschaft ist also effektiv. Wie auch das Geschäft mit dem Holz. Dem Wald gehört seine ganze Liebe. Auch wenn die Kunden weniger Ster kaufen fürs Heizen als in früheren Jahren, rechnet sich der Holzverkauf. Während sich der Borkenkäfer in diesem Jahr zumindest in seinem Wald "eher entspannt verhält", macht sich die Trockenheit im Wald in diesem Sommer bemerkbar. Wie viele seiner Kollegen weiß Köglsperger, dass man über viele Generationen denken muss. Nicht nur als Waldbesitzer, sondern auch im Gemeinsinn versteht er das, denn der Wald gehöre allen Bürgern. Fichten überstehen weder Trockenheit noch höhere Temperaturen. Deshalb pflanzt er seit über zwanzig Jahren keine Fichten mehr, stattdessen Tannen, Lärchen, auch Eschen oder Kirschbäume, denn wie die meisten Landwirte weiß er genau, dass der Klimawandel Ende der 1990er Jahre nicht nur angekündigt wurde, sondern längst da war und in Zukunft eine noch größere Herausforderung für die Landwirtschaft sein wird.

Eigentlich stehe der Aufwand für den Hofladen auch in keinem Verhältnis zum Ertrag, fand Thomas Köglsperger. Aber da hat er die Rechnung ohne seine Mama gemacht. Und er hat Verständnis dafür: "Sie kann halt nicht ohne den Laden sein." Ingrid Köglsperger betreibt den Hofladen weiter, ein bisschen kleiner als vorher, nur noch am Samstag und nicht mehr täglich. Die Stammkunden, die seit Jahrzehnten aus der ganzen Umgebung kommen, sind heute Großeltern und bringen ihre erwachsenen Kinder und die Enkelkinder mit. Im Hofladen kauft man nicht ein, man wird versorgt. Mit biologisch wertvollen Lebensmitteln und mit Ingrid Köglspergers Wärme und Zuneigung. Im Laden gibt es Fleisch, Getreideprodukte und Milch aus eigener Erzeugung sowie Zukauf-Sortiment in Bioland Qualität. Nach dem Einkauf gehen die Kunden spazieren, machen ein Picknick oder gehen mit den Kindern in den Stall, Kälbchen streicheln. Der Stollhof mit seinem Hofladen ist nach wie vor ein wunderschöner idyllischer Ort. Und zudem, sagt Ingrid Köglsperger, "läuft der Laden besser als je zuvor".

Hofladen von Ingrid und Sebastian Köglsperger, Telefon 08170/374, mehr zum Stollhof unter www.stollhof-deining.de

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Quelle:
SZ vom 05.09.2018/cjk
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