SZ-Serie Aus dem Nichts:Gemeinschaft auf Asche und Rasen

SZ-Serie Aus dem Nichts: Seit 1970 dürfen die Fußballfreunde Geretsried an Wettbewerben teilnehmen. Klaus Köhler (stehend, Zweiter von rechts) war von Anfang an dabei.

Seit 1970 dürfen die Fußballfreunde Geretsried an Wettbewerben teilnehmen. Klaus Köhler (stehend, Zweiter von rechts) war von Anfang an dabei.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Fußballfreunde Geretsried gibt es seit einem halben Jahrhundert. Mitbegründer Klaus Köhler hat den Verein maßgeblich geprägt. Für den 77-Jährigen gehört er noch heute zur wöchentlichen Routine.

Von Felix Haselsteiner

Bevor Klaus Köhler einen mit auf eine Zeitreise nimmt, möchte er noch etwas loswerden: "Wissen Sie", sagt er: "Ich komme in diesen Geschichten sehr oft selbst vor. Es ist aber wirklich nicht so, dass ich mich in den Vordergrund drängen möchte. Aber ich war eben einfach immer dabei." Köhler, 77, muss dann kurz lächeln, aber diese gewisse Bescheidenheit ist ihm wichtig, wenn es um die Fußballfreunde Geretsried geht, denn: Sie waren ja eigentlich nur ein paar Freunde, die Fußball spielen wollten - bis daraus einer der drei großen Vereine der Stadt wurde, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert.

Ein echter "Stammtischverein" sei man damals gewesen, sagt Köhler, dessen Lebensgeschichte allein schon erzählenswert wäre. Wenige Tage vor dem Mauerbau reiste er aus der DDR aus, um im Westen zu seiner Mutter zu ziehen. Über Umwege gelangte er schließlich nach Geretsried, wo er eine Handwerkslehre begann und schließlich auch seinen Stammtisch fand - mit dem er regelmäßig am Samstagnachmittag Fußballspielen ging. "Das wollten wir irgendwann auch in Wettbewerben tun", sagt Köhler. Und weil man als Gruppe zusammenbleiben wollte, wurden auf kurzem Wege die Fußballfreunde gegründet. Köhler wurde ihr erster Vorsitzender und von da an neben seiner Tätigkeit als Außenstürmer vor allem eins: Vorsprecher beim Bürgermeister. Es ging in erster Linie um einen Platz, denn der war in Geretsried nicht einfach aufzutreiben. Zwei Vereine hatte die Stadt bereits, wohin also mit noch mehr Fußballspielern? Köhler kämpfte und bekam 1970 vom damaligen Bürgermeister das Recht, am Schulsportgelände der Karl-Lederer-Schule trainieren zu dürfen. Behelfsmäßig wurde mit Baustrahlern eine Flutlichtanlage installiert, und von September 1970 an durften die Fußballfreunde auf dem Ascheplatz des TuS Geretsried am Ligabetrieb teilnehmen.

Die Problematik mit dem Platz kommt auch Patrick Verbaast bekannt vor. Der Niederländer ist erst seit Kurzem Vorstandsvorsitzender der FF Geretsried. Wenn Köhler aus den 70er-Jahren vom Ascheplatz erzählt, sagt Verbaast nur nickend: "Das hat sich bis heute nicht geändert." Die Jugendmannschaften müssten sich regelmäßig einen Platz teilen, der teilweise auch noch überflutet wird, weil die Drainage nicht funktioniert. Immerhin der Spielbetrieb sei halbwegs abgesichert - und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit der Stadt Geretsried und den anderen Vereinen gebe es zum Glück heute keine mehr.

SZ-Serie Aus dem Nichts: Auch mit 77 Jahren steht Klaus Köhler noch stolz hinter dem Wappen seines Vereins.

Auch mit 77 Jahren steht Klaus Köhler noch stolz hinter dem Wappen seines Vereins.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Auch die Festivitäten zum Jubiläum mussten im Pandemie-Jahr abgesagt werden, dabei hatte sich Köhler extra vorbereitet: Die alten Fotos hatte er vorsorglich schon einmal herausgesucht und den ersten Anorak der FF, im klassischen Blau-Gelb gehalten, trägt er beim Gespräch mit einigem Stolz. Die Geschichten, die er erzählt, beschreiben, dass bei den Fußballfreunden damals doch einiges anders war als bei anderen Vereinen.

Auf dem heutigen Platz des FC Geretsried begann Köhler 1972 auch eine Jugendmannschaft zu trainieren, allein: Die Umstände waren bedauerlich. "Es war ein reiner Acker, außenrum gab es gar nichts - nicht einmal Möglichkeiten zum Umziehen", sagt er. Eine Bauhütte besorgte Köhler, später installierte er in kompletter Eigenregie eine Flutlichtanlage: "Da wäre ich fast von der Leiter gefallen, weil wir das einfach mal so machen wollten - heute ist das alles unvorstellbar."

Die Fußballfreunde spielten auf rotem Sand, dann auf einem Rasen, den man eigentlich gar nicht so bezeichnen konnte, weil überall kleine Steine herumlagen, an denen man sich die Knie aufschlug, und schließlich seit einigen Jahren auf einem Kunstrasen, den die Stadt zur Verfügung gestellt hat. "Da gab es jedoch auch ein Problem", sagt Verbaast: Der Kunstrasen nämlich ist zu klein und erfüllt damit nicht die Kriterien für Punktspiele. "Das ist unglaublich", sagt auch Köhler, kopfschüttelnd. Man müsse eben alles selber machen. Das war schon immer sein Credo. Und weil Köhler in der Geschichte der Fußballfreunde die prägende Figur war, wurde es auch das Vereinsmotto. Die Stammtischfußballer-Atmosphäre jedenfalls ist geblieben bei den Fußballfreunden, es geht um mehr als um sportlichen Erfolg.

SZ-Serie Aus dem Nichts: Vereinsgeschichte mit Feuer: Die Mitglieder der FFG durften auch beim Fackellauf für die Olympischen Spiele 1972 in München teilnehmen.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Einmal habe man den Fehler gemacht und einen "Star" verpflichten wollen: "Helmut Wagner hieß der Spieler", erzählt Köhler, Ende der Siebzigerjahre dürfte das gewesen sein. "Der hatte sich als Torschützenkönig einer unteren Liga bei uns gemeldet, also haben wir per Eilpost kurz vor Meldeschluss noch einen Spielerpass für ihn organisiert", sagt Köhler. "Der hat aber gleich im ersten Spiel ein Eigentor geschossen." Wie bei so vielen Geschichten von früher, es gäbe noch unzählige weitere, entfährt ihm dabei ein heiteres Lachen.

"Die Fußballfreunde haben mein Leben geprägt", sagt Köhler. Am Anfang sei er ein junger Bauarbeiter gewesen. Als er dann 1981 sein Amt im Vorstand abgab, um sich dem eigenen Hausbau und der Familie zu widmen, "war ich als Persönlichkeit gewachsen". Bis heute ist Köhler jedes Mal stolz, wenn er bei seinem Lebenswerk vorbeischaut und sieht, dass die Jugendmannschaften unter besseren Verhältnissen spielen als damals. Die FF Geretsried bleiben fester Bestandteil der wöchentlichen Routine: "Wenn die Fußballfreunde gewinnen, freue ich mich, wenn sie verlieren, ärgere ich mich." Und auch wenn er sich nicht in den Vordergrund drängen möchte: Ohne Klaus Köhler wären die Fußballfreunde nie zu dem Verein geworden, der sie auch heute, nach 50 Jahren, noch sind.

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