SZ-Schulratgeber:Stress beim "Grundschul-Abitur"

Abiturprüfung Gabriel von Seidl Gymnasium

Drei Tage dauert der Probeunterricht für Schüler der vierten Klasse, deren Noten für einen direkten Übertritt nicht ausreichen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Immer weniger Viertklässler nehmen am Probeunterricht teil, um doch noch auf Gymnasium oder Realschule wechseln zu können. Die Kinder werden dabei schriftlich geprüft, nicht einmal die Hälfte besteht.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

An den Gymnasien im Landkreis wagen sich nur wenige Schüler an den Probeunterricht. Die Zahlen sind gegenüber früheren Jahren gesunken. Damit liegen die Gymnasien im bayernweiten Trend, der auch die Realschulen umfasst. Über den Probeunterricht können Viertklässler an Gymnasium und Realschule wechseln, die den erforderlichen Notenschnitt von 2,33 beziehungsweise 2,66 nicht erreicht haben. Gezählt werden die Fächer Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachkunde. Zwingend am Probeunterricht müssen auch Schüler von staatlich genehmigten Schulen wie Montessori- oder Waldorf-Schulen teilnehmen.

Für die Grundschüler sei es schon eine sehr spezielle Situation, im dreitägigen Probeunterricht mit vielen schriftlichen Prüfungen in Deutsch und Mathematik konfrontiert zu werden, sagt Christine Kolbeck, Konrektorin am Geretsrieder Gymnasium. Nur etwa die Hälfte bestehe den Probeunterricht, für den sich die Kinder intensiv vorbereiten müssten. Er wird deshalb auch als "Grundschul-Abitur" bezeichnet.

Die Buben und Mädchen werden drei Tage lang schriftlich und mündlich bewertet. Sie schreiben beispielsweise einen Aufsatz, müssen Grammatikkenntnisse und Textverständnis nachweisen. Die Aufgaben werden zentral gestellt. Das Verfahren findet für Gymnasien und Realschulen zeitgleich im Mai statt. Mit mindestens einer 3 und einer 4 gilt der Unterricht als bestanden. Bei zwei Vierern gilt der Elternwille. Sie müssen dann entscheiden, ob ihr Kind an die weiterführende Schule gehen soll. Die Anforderungen seien hoch, sagt Kolbeck. Mit ehemaligen Montessori-Schülern habe sie gute Erfahrungen gemacht. Doch Kinder, die zuvor am Notenschnitt gescheitert seien, gerieten häufig in der sechsten Klasse in Schwierigkeiten. "Wenn die zweite Fremdsprache kommt, haben viele große Probleme." Manche wechseln dann auf die Realschule. Aus Sicht von Kolbeck ist deswegen der Probeunterricht in erster Linie für die Kinder sinnvoll, die in der vierten Klasse wegen besonderer Vorkommnisse ihre normale Leistung nicht haben abrufen können, etwa weil sie lange krank waren oder weil es in der Familie Probleme gab.

Sechs Kinder meldeten sich im vergangenen Jahr am Geretsrieder Gymnasium zum Probeunterricht an. Mehr als zehn sind es an keinem Landkreis-Gymnasium. Laut Konrektorin Kolbeck sind die Zahlen über die Jahre gesunken, weswegen das Geretsrieder Gymnasium den Probeunterricht gemeinsam mit dem Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium abhält. Dieser Trend deckt sich mit den Zahlen, die das bayerische Kultusministerium für ganz Bayern erfasst. Zum Schuljahr 2010/2011 nahmen noch 2568 Schüler am Probeunterricht an Gymnasien teil, 2014/2015 waren es nur noch 1893. An Realschulen sank die Zahl von 7708 auf 6059 Schüler.

SZ-Schulratgeber: Hans Härtl, Direktor des Ickinger Gymnasiums, hält die Realschule für attraktiver als früher.

Hans Härtl, Direktor des Ickinger Gymnasiums, hält die Realschule für attraktiver als früher.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Dass weniger Schüler als früher am Probeunterricht teilnähmen, hängt laut Kolbeck auch mit dem G8 zusammen. Der Nachmittagsunterricht strenge die Kinder an. Zudem habe die Realschule ein besseres Image als früher. Deshalb meldeten viele Eltern ihre Kinder gleich an der Realschule an. Das bestätigt Hans Härtl so, Schulleiter des Ickinger Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums. Der Probeunterricht spiele nicht mehr die große Rolle, sagt er. 13 Schüler hätten am vergangenen Jahr für beide Gymnasien in Icking und Geretsried daran teilgenommen. Härtl erklärt sich das eben mit der sehr attraktiven Realschule, über die man es mit dem Besuch der Fachoberschule auch zur allgemeinen Hochschulreife schaffen könne.

Nur rund ein Fünftel aller Schüler bestünden den Probeunterricht an der Realschule in Bad Tölz, sagt Konrektorin Sigrid Konz. Voriges Jahr hätten um die 15 Viertklässler so den Übertritt versucht, darunter auch einige mit Notenschnitten von 3,0 oder schlechter. Laut Konz sind die Zahlen rapide gesunken. Vor zehn Jahren hätten sich teils 40 bis 50 Schüler für den Probeunterricht angemeldet. Das läge einerseits daran, dass der für den Übertritt an Realschulen erforderliche Notenschnitt von 2,33 auf 2,66 abgesenkt worden. Das sieht Konz nicht nur positiv. Denn schließlich brauchten Schüler Erfolgserlebnisse im Unterricht. Andererseits seien die Zahlen gesunken, weil Fünftklässler aus der Mittelschule nun ohne Probeunterricht an die fünfte Klasse der Realschule wechseln können, wenn sie gute Noten haben.

Rund 20 Schüler nehmen jedes Jahr am Probeunterricht in der Geretsrieder Realschule teil. Wie in Bad Tölz bestehen ihn nur etwa 20 Prozent, sagt der Geretsrieder Realschulleiter Armin Eder. Die Buben und Mädchen werden in Gruppen eingeteilt, die höchstens zehn Kinder umfassten. Die bayernweiten Vorgaben für den Probeunterricht seien streng. Sogar Korrekturhinweise gebe es. Die Ergebnisse würden nachkontrolliert, sagt Eder. "Wir haben wenig Spielraum."

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