SZ-Adventskalender:"Ich habe ein fürchterliches Leben hinter mir"

Nach vielen Jobs, Umzügen, Krankheit und einem Zusammenbruch lebt Margarete M. in einer Einzimmer-Wohnung und pflegt Tiere auf dem Gnadenhof

Von Marie Heßlinger

Margarete M. wird demnächst 66 Jahre alt. Sie sagt: "Ich habe ein fürchterliches Leben hinter mir." Immer wieder auf Jobsuche, viele Umzüge, ein Betrüger, der sie um ihr Erspartes gebracht haben soll, daraufhin ein psychischer Zusammenbruch, Probleme mit dem Rücken, Skoliose, einige Unfälle und Operationen. So schildert M. ihr Leben. Inzwischen aber wirkt sie versöhnlich. "Es ist ruhiger geworden", sagt sie am Telefon. "Ich habe was gefunden, wo ich mein Ziel habe, wo ich gebraucht werde." Zwei Wünsche hat sie trotzdem: Sie hätte gerne eine neuen Kühlschrank mit Gefrierfach und einen Schrank für ihr kleines Zimmer.

Ein Amt habe ihr einen unterdurchschnittlichen IQ bescheinigt, damals, als sie das Gymnasium abbrach, sagt Margarete M. "Dann hat mein Vater gesagt: Jetzt studierst du erst recht." Sie absolvierte die Fachhochschulreife, studierte Landwirtschaft an der Fachhochschule, erzählt M. im Rückblick auf ihr Leben. Doch bei ihrem ersten Job sei sie gemobbt worden. "Es war die Hölle auf Erden." Später machte sie eine Umschulung zur Hauswirtschaftlerin. Als Küchengehilfin habe sie nie eine Festanstellung bekommen, stattdessen sei sie nur Krankheitsvertretung oder Saisonarbeiterin gewesen. Oft sei sie deshalb umgezogen. Und schließlich sei sie an einen Betrüger geraten, an einen Arbeitsvermittler, der ihre Unterschriften gefälscht und ihre Lebensversicherungen aufgebraucht habe. So schildert M. das Ereignis, das ihr Leben veränderte. Das Gericht urteilte anders. Es sprach den Angeklagten frei. Sie müsse noch immer Schulden für die Prozesskosten abbezahlen, sagt M.

Nach dem Urteil habe sie einen psychischen Zusammenbruch gehabt. "Ich war zu nichts mehr fähig", sagt die 66-Jährige. "Ich weiß nicht, wie Sie reagieren würden, wenn Sie von heute auf morgen Ihre ganze Existenz verlieren würden." M. schlug sich trotzdem weiter durchs Leben. Vor ein paar Jahren stellte ein Arzt Skoliose, eine Krümmung der Wirbelsäule, bei ihr fest. M. hat heute einen Behindertenausweis. Und doch hat sie irgendwie, so wirkt es, ihren Platz gefunden.

Die 66-Jährige wohnt nun in einem Einzimmer-Domizil, einer Sozialwohnung ihrer Stadt. Ihr Essen holt sie aus den Mülltonnen der Supermärkte, ein bisschen Rente kriegt sie, doch das reicht nicht zum Leben. Für ihre Wohnung hat M. zwei Wünsche: Sie hätte gerne einen Schrank, der in das enge Zimmer passt, in dem sie all ihre Sachen verstauen kann. Gerne hätte sie außerdem einen Kühlschrank, ihr jetziger setzt immer wieder aus. Ein anderer Wunsch, ein ganz alter, scheint indes im vergangenen Jahr in Erfüllung gegangen zu sein. "Ich wollte immer was mit Tieren machen", erinnert Margarete M. sich an ihre Schulzeit. Heute arbeitet sie auf einem Gnadenhof. Für 450 Euro. Sie säubert die Ställe, holt Heu, füttert die Pferde. Sie mag die Ruhe, die frische Luft das Wesen der Tiere. "Das ist ein super Job."

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