SZ-Adventskalender:Schwerstarbeit hinter glücklicher Fassade

Leonore W. kämpft mit Migräne und einer seltenen Stoffwechselerkrankung - und zieht alleine eine autistische Tochter groß.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Jedes Mal, wenn sie versuche, Freunden oder der Familie ihr Herz auszuschütten, sei die Reaktion die gleiche: "Du und Probleme?", fragten diese ungläubig zurück, sagt Leonore W. (Name geändert). Tatsächlich wirkt sie auf den ersten Blick wie eine junge Frau, die mitten im Leben steht und auch alles locker wuppt. Freundlich und offen tritt sie einem gegenüber, scheint jung und modern. Doch mit welchen Mühen dieses Bild aufrecht zu erhalten ist, merkt Leonore an ihrer körperlichen Verfassung. Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem Bild einer normalen jungen Familie und dem, was eigentlich im konkreten Fall dahinter steckt. Und die bringt sie oft an ihre Grenzen.

Leonore W. leidet unter Migräne und einer seltenen Stoffwechselerkrankung, die sie schneller ermüden lässt als andere. Doch das sei keineswegs das Problem, betont sie. Von ihrer Vergangenheit erzählt sie allerdings nur ungern. Von einer Jugend, in der sie die Familie "emotional verhungern" hatte lassen. Sogar von körperlichem Missbrauch ist die Rede, doch das habe sie inzwischen "erfolgreich verdrängt", weshalb sie nicht näher darauf eingehen will. "Ich stecke noch in der Aufarbeitung", erklärt sie dazu. Und dann eben die gesundheitlichen Probleme: Ihre seltene Stoffwechselstörung wurde zunächst als Leukämie fehldiagnostiziert, mit all dem Schrecken, die eine solche Nachricht mit sich bringt. Zu dem Zeitpunkt stand sie kurz vor dem Leber- und Nierenversagen, die Entzündungswerte waren extrem hoch, die Blutwerte katastrophal, wie sie sagt.

Nur durch einen glücklichen Zufall konnte doch noch die richtige Diagnose gestellt und passende Medikamente verschrieben werden. Heute habe sie die Werte und die Krankheit unter Kontrolle, doch die Medikamente machten sie eben oft müde und verstärkten zudem die Migräne, unter der sie mehrmals in der Woche leidet. "Vielleicht bin ich auch dadurch etwas dünnhäutiger geworden", sagt sie. Oder aber durch die weiteren Schicksalsschläge, die sie durchleben musste.

Der Mann, den sie ungemein liebte, entpuppte sich als Heiratsschwindler, gesucht mit internationalem Haftbefehl. Sie verlor die Wohnung und lebte einige Monate auf der Straße. Und jener Mann, dem sie sich nach der herben Enttäuschung wieder anvertraut hat, ließ sie sitzen, als sie schwanger wurde. Deshalb erzieht sie heute ihre Tochter alleine, "einen Vater hat sie nicht", sagt Leonore und kämpft mit den Tränen. Eigentlich seien sie eine enge Familie, nur zu zweit, aber dafür eng verbunden, sagt sie.

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Doch eine Krankheit belastet auch die eigentlich innige Mutter-Tochter-Beziehung: Die Teenagerin leidet unter einer Form des Autismus. Es sollte jedoch Jahre dauern, bis die Diagnose endlich gestellt werden konnte. Bis dahin war vieles im Leben der beiden ein Kampf: das tägliche Aufstehen, das Frühstücken, der Weg zur Schule, wo sie sich nicht integrieren konnte, die Hausaufgaben, das Zu-Bett-Gehen. "Sie ist absolut hochbegabt, aber eben sehr in ihrer eigenen Welt. Und man muss verstehen, dass sie es nicht böse meint, wenn sie nicht in der Lage ist, einmal selbst beim Bäcker Brötchen zu holen", erzählt Leonore. Was sie mit zwei Wörtern zusammenfasst - "erhöhter Betreuungsbedarf" - ist tatsächlich Schwerstarbeit.

Die Belastungen mit ihrer eigenen Gesundheit und die der geliebten Tochter aber machen es ihr nicht möglich, in Vollzeit zu arbeiten. "Ich würde wirklich gerne mehr tun, aber es geht einfach nicht, weil mich meine Tochter braucht", sagt Leonore. Durch ihre Teilzeit-Arbeit kann sie den Lebensunterhalt für sich und ihr Kind aber nicht komplett bestreiten. Sie muss über das Arbeitsamt aufstocken, das Geld reicht gerade so fürs Nötigste. Größere Anschaffungen sind einfach nicht drin, nicht für Urlaub, nicht für die Ausstattung der Wohnung. So hat vor einigen Wochen ihr Kühlschrank den Geist aufgegeben, und weil es ein Einbaukühlschrank ist, ist die Auswahl begrenzt, sodass sie nicht auf dem Gebrauchtmarkt suchen kann.

Und die Tochter ist in der Pubertät und wächst, inzwischen ist sie dem alten, durchgelegenen Kinderbett komplett entwachsen. "Ein Bett, und vielleicht auch noch Bettwäsche für sie, das wäre wie Weihnachten und Ostern zusammen", sagt Leonore. Und man merkt, dass sie mit den Tränen kämpft. Das Bild, sie will es eben wahren.

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