Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:Jede Reparatur ist eine zu viel

Romina P. hat im Leben viel Pech gehabt. Sie arbeitet, aber das Geld reicht eigentlich nicht für sie und die beiden Kinder

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das Buch des Lebens sei noch nicht fertig geschrieben: Immer wieder gebraucht Romina P. (Name geändert) diese Metapher. Diese steht für die Geschichte ihres Lebens, für die unglückliche Ehe, die Trennung, den kräfteraubenden Neuanfang als Alleinerziehende und die Stolpersteine, die ihr immer wieder in den Weg gelegt werden. Manchmal, erzählt sie, gebe es Tage, da sei sie am Ende ihrer Kräfte. Aber da sind ihre beiden Kinder, für die sie stark sein müsse, auch wenn es ihr oftmals schwerfalle.

Wenn Romina P. Druck verspürt und der Stress zu groß wird, reagiert ihr Körper. Er lässt sie in Stich, sie wird krank. Im Grunde ist es ihre Seele, die der Genesung bedarf. Aber das braucht Zeit. Diese hat die 41-Jährige nicht. Die beiden Kinder fordern die Mutter. Romina P. erklärt das mit den schwierigen Geburten. Das Ältere der beiden sei ein Kaiserschnitt gewesen, Mutter und Baby seien beinahe gestorben; das Jüngere kam in der 29. Schwangerschaftswoche zu früh auf die Welt. Drei Monate lag der Kleine im Krankenhaus, zeitweise im Koma. Ein winziges Etwas mit vielen Schläuchen, "wie tot", erinnert sie sich. Sie ist sich sicher, dass diese frühen Erlebnisse die beiden geprägt haben. Das ältere Kind sei ruhiger, werde aber von Trennungsängsten gequält; das jüngere trage viel Wut in sich, die sich manchmal unkontrolliert entlade. "Die habe ich ihm mitgegeben", sagt Romina P. Im Mutterleib habe er bestimmt die Spannungen zwischen ihr und dem Vater, von dem sie inzwischen geschieden ist, gespürt. Sie selbst fühle sich zudem vorbelastet, weil ihre Eltern auch oft gestritten hätten. "Wir drei müssen das alles verarbeiten."

Die 41-Jährige und ihr früherer Ehemann teilen sich das Sorgerecht. Durchaus habe sie daran gedacht, dem Vater die Kinder zu überlassen, um erst einmal selbst wieder auf die Beine zu kommen, erzählt sie. Aber das könne und wolle sie nicht. "Wir drei gehören zusammen."

Dabei begännen die Knoten langsam, sich zu lösen. Sie hat nach dem Umzug eine neue Wohnung gefunden, die Kinder neue Freunde. Und Romina P. hat einen Beruf, der sie erfüllt. Wenn nun noch endlich Ruhe und Routine einkehren würden. Aber das scheint der 41-Jährigen nicht vergönnt zu sein. Trotz eines regelmäßigen Einkommens reicht das Geld nur sehr knapp. Katastrophen dürfen nicht passieren. Aber das Unglück kommt so gerne, wenn man es gar nicht brauchen kann.

Romina P.s Auto ist im Oktober kaputt gegangen. Sie ist dringend auf einen Wagen angewiesen, da sie zur Arbeit in den Nachbarlandkreis fahren muss. Selbst ein gebrauchtes Fahrzeug stellt für sie eine unüberwindliche finanzielle Hürde dar. Von der Bank bekam sie keinen Kredit, weil ihr Arbeitsverhältnis befristet ist. Äußerst ungern musste sie das Angebot von Freunden annehmen, die ihr Geld liehen, um ein Auto zu kaufen. Diese Schulden liegen ihr auf der Seele, was sie wieder Kraft kostet und ihr Stabilität raubt.

Der Vater ihrer Kinder ist ihr finanziell keine Stütze. So zahlt sie nun in kleinen Raten die private Leihgabe ab - immer in Panik, dass wieder etwas passieren und sie ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könnte.

"Ich möchte gerne alles positiv sehen und positiv denken. In der Arbeit lache ich gerne. Zu Hause stoße ich an meine Grenzen. Wie gesagt, das Buch des Lebens hat noch leere Seiten", meint Romina P.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2016
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