SZ-Adventskalender:Ins Leben zurück gekämpft

Seit einem Wirbelbruch beim Baden hat Helmut Müller nur wenig Geld

Von Ingrid Hügenell, Bad Tölz-Wolfratshausen

Helmut Müller (Name geändert) hat noch viel Mut und Lebenskraft. Er will es noch einmal schaffen. "Ich lebe noch und kämpfe", sagt der 78-Jährige. "Es ist grausam", sagt seine Frau Rosemarie. Jahrelang hat Müller als Selbständiger viel Geld verdient, er wohnte mit seiner Frau und den beiden kleinen Hunden in einem schönen, großen Haus in einer noblen Gegend. Dann brach er sich bei einem Badeunfall den zweiten und dritten Halswirbel. "Das Rückenmark ist gerissen", sagt er. Dennoch sei es den Ärzten in der Murnauer Unfallklinik gelungen, ihn zu stabilisieren.

Ziemlich genau 22 Jahre ist das her. Müller kann wieder laufen, darüber ist er glücklich. Doch Geld verdient er nicht mehr, "das Alter kommt ja dazu", sagt er. Immer wieder versucht er, doch noch eine Arbeit zu finden, aber bisher hat das nichts gebracht. "Ich war mal sehr erfolgreich im Beruf. Jetzt bin ich nicht mehr der Richtige." Durch den Unfall und die langwierige Reha hat er den Anschluss ans digitale Zeitalter verpasst, besitzt keinen PC. Wenn ihm ein potenzieller Arbeitgeber sagt, er solle eine E-Mail schreiben, dann ist es schon vorbei.

Und so sitzen Helmut und Rosemarie Müller in der Wohnung, in die sie vor zwei Jahren nach der Zwangsräumung ziehen mussten, zwischen dem, was von der alten Herrlichkeit übrig ist. Sie wissen nicht, woher sie das Geld nehmen sollen, damit sie genug Essen für den ganzen Monat kaufen können. "In der Mitte der dritten Woche ist das Geld alle", sagt Rosemarie Müller. Die Rente ihres Mannes reiche für Miete und Nebenkosten, dazu kommt Grundsicherung. "Wenn ich das alles nie kennen gelernt hätte, wäre es leichter", sagt die 75-Jährige über das frühere Leben.

Seelisch und nervlich geht es ihr schlecht, ihre Lage empfindet sie als demütigend. Sie ist dankbar dafür, dass sie Essen von der Tafel erhält, dass es in der Gemeinde Menschen gibt, die ihr helfen. Als sie davon erzählt, schießen ihr die Tränen in die Augen.

Noch schlimmer als der ständige Geldmangel aber ist für die Müllers, dass viele Freunde sich abgewandt haben, weil die Müllers nicht mehr mit ihnen ins Restaurant gehen oder sie einladen können. "Die Einsamkeit, die tut so weh", sagt Rosemarie Müller. "Wir sind regelrecht abgestürzt wie es schlimmer nicht geht."

Neue Kleidung oder Dinge für den Haushalt brauchen sie nicht, Winterstiefel schon. Rosemarie Müller benötigt dringend eine neue Brille, für die das Geld aber nicht reicht. Beim Spazierengehen werde ihr oft schwindlig, weil sie nicht richtig sehe, sagt sie. Ihr Mann würde auf alles verzichten, wenn nur sein "Spatzl", so nennt er seine Frau, die Brille bekäme. Er selber hätte gerne ein neues Handy, das alte ist kaputt. Das Festnetz können sich Müllers nicht mehr leisten.

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