SZ-Adventskalender:"Ein Stück Freiheit"

Lesezeit: 2 min

Petra B. ist nach einem Sturz in Frührente. Sie ist aufs Auto angewiesen, kann aber teure Reparaturen nicht bezahlen

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das Helfen liegt Petra B. im Blut: Viele Jahre kümmerte sich die alleinerziehende Mutter von drei Kindern nicht nur um den Nachwuchs und die eigene Mutter. In der Hausgemeinschaft hatte sie zudem immer ein Auge auf die Nachbarin, die mit über 90 Jahren auf sich alleine gestellt war. "Wir sind hier eine sehr nette Gemeinschaft, hier schaut jeder auf den anderen", sagt sie. Dass sie der alten Dame regelmäßig kochte, beim Aufräumen und Putzen half und Alltäglichkeiten mit erledigte, erzählt sie so, als wäre es selbstverständlich. So wie ihr ehrenamtliches Engagement für eine Art Flohmarkt einer sozialen Einrichtung, bei dem gebrauchte Kleider, Möbel und Dinge des täglichen Bedarfs wie etwa Rollatoren kostenlos zu haben sind, wenn das Geld für die Anschaffung nicht reicht.

Nach der Scheidung von ihrem Mann hatte Petra B. sich ihr Leben mit Arbeit, Kindern, Ehrenamt und der Hausgemeinschaft als erweiterter Ersatzfamilie eingerichtet. Dann erforderte eine schwere Erkrankung eine anstrengende Chemotherapie und ein Unfall wirbelte alles durcheinander. Für ihre Nachbarin wollte sie ein Paket annehmen und hatte einen entsprechenden Zettel für den Postboten an die Briefkästen gehängt. Als der klingelte, eilte Petra B. aus der Wohnung, kam ins Stolpern und fiel kopfüber die Treppe hinunter. Sie schlug mit dem Rücken auf die Fliesenkanten auf, ihre Füße verfingen sich zwischen den Gittern des Treppengeländers. Sie erlitt eine schwere Rückenverletzung und mehrere Brüche an den Beinen. Es dauerte Monate, bis sie sich soweit erholt hatte, dass sie in ihre Wohnung zurückkehren konnte. Doch ihre Arbeit konnte sie nicht mehr ausüben - Petra B. musste Frührente beantragen. Seither muss sie mit 700 Euro monatlich auskommen. Ein bisschen Erleichterung wird ein Nebenjob bringen, den sie demnächst antreten wird. Die Arbeitsstelle ist aber nur mit dem Auto zu erreichen, ebenso wie die ehrenamtliche Arbeit, die sie fortführen will.

"Es bedeutet auch ein Stück Freiheit für mich, weil ich seit dem Unfall nicht mehr richtig laufen kann, und schon gar nicht weit", sagt sie. Einkaufen, zum Arzt fahren, das geht in ihrer ländlichen Kommune nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die eigene Auto ist "auch ein Therapiegerät", wie sie sagt - mit dem sie sich eine kleine Auszeit nehmen kann, wenn wieder einmal alles zuviel wird. Als ihre Mutter kürzlich starb etwa, "da bin ich an den Walchensee gefahren und habe mich ans Ufer gesetzt, um einfach mal den Kopf frei zu kriegen von all den Sorgen." Nun stehen vor dem fälligen TÜV Reparaturen an, die sie nicht alleine bezahlen kann. "Das Auto aber zu behalten, das ist mir eine Herzensangelegenheit", sagt sie.

© SZ vom 06.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: