Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:Ein Berg von Lügen und Schulden

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Wegen der Schizophrenie seiner Ehefrau musste Alexander S. Privatinsolvenz anmelden. Nun kämpft er sich mit seinen vier Kindern allein durch.

Isabel Meixner

Alexander S. (alle Namen geändert) wollte eine glückliche Familie, seinen vier Kinder ein guter Vater und seiner Frau Stephanie ein guter Ehemann sein. Er hielt zu ihr, als sie, wie er sagt, "immer wieder Scheiße gebaut hat". Er dachte, sie würde damit aufhören. Dieser Wunsch erfüllte sich allerdings nicht. Heute ist Alexander S. mit 60 000 Euro verschuldet, musste Privatinsolvenz anmelden und zieht seine vier Kinder alleine auf. Die Scheidung läuft.

Seine Noch-Frau ist schizophren, das weiß Alexander S. heute. Bei ihrer Hochzeit 1995 sah die Welt noch anders aus: "Ich war total verliebt in sie." Doch Stephanie S. baute sich ein Gewirr aus Lügen und Ausreden auf. So erzählt es zumindest ihr Noch-Ehemann. Sie setzte die Mietzahlungen aus und sagte dem Vermieter, eines der vier Kinder sei tot und ein anderes sitze im Rollstuhl. Sie erzählte ihrer Familie, ihre Oma sei gestorben. Als diese Lüge aufflog, behauptete sie, Krebs zu haben - wieder eine Lüge.

Einmal kaufte sie ein Auto mit einem gefälschten Scheck. "Sie hat mir immer wieder eine neue Hammer-Geschichte präsentiert, um mich von anderen Lügen abzulenken", sagt Alexander S. Warum sie das tat, weiß er nicht. "Sie ist krank, sie will anderen Schmerzen zufügen." Er habe versucht, ihr zu helfen: "Für mich hat das Eheversprechen etwas bedeutet. Das war meine Familie."

Was genau lief, erfuhr Alexander S. - wenn überhaupt - erst später. Briefe an ihn, die ihre Lügen hätten auffliegen lassen, unterschlug seine Frau. 2009 dann die Trennung. Sie verließ ihn wegen eines anderen Mannes. Seitdem kämpft der Lagerist sich und seine vier Kindern durch. Die Mietrückstände, die unbezahlten Rechnungen blieben an ihm hängen. "Ich ziehe meine Kraft von den Kindern, aber ab und zu könnte ich zahnen." Nach der Trennung musste er eine neue Wohnung suchen. Fast unmöglich, wenn man derart verschuldet ist, meint er.

Doch er kämpfte: Als er die jetzige Bleibe entdeckte, ließ er sich vom Makler die Nummer des Vermieters geben und ging direkt zu ihm. Er erzählte ihm seine Geschichte, legte ihm eine Liste mit Leuten vor, die das Gesagte bestätigen konnten. Ein paar Tage hörte er nichts. Dann der erlösende Anruf. "'Wir haben uns für Sie entschieden'", gibt Alexander S. das Telefonat wieder. Es ist der einzige Moment, in dem sich die Augen des Vaters mit Tränen füllen. "Ich wollte meinen Kindern etwas Schönes besorgen."

Viel Platz hat die Familie in dem Haus jedoch nicht: Alexander S. schläft auf der Couch im Wohnzimmer, die Tochter im zum Schlafraum umgewandelten Esszimmer und die zwei Jüngsten teilen sich einen Raum. Sein Gehalt gehe komplett für die Miete drauf, zum Leben bleiben der Familie insgesamt etwa 1000 Euro an Kindergeld und Wohnzuschuss. "Täglich braucht ein Kind Geld. Für mich bleibt kaum etwas, ich lebe wie ein Bettler", sagt Alexander S. Sein Sohn müsste unbedingt zum Zahnarzt, seine Tochter braucht eine feste Zahnspange. "Doch den Eigenanteil kann ich nicht zahlen."

Zu den finanziellen Problemen, der Arbeit und der Kindererziehung kommt nun die Vorbereitung der Scheidung dazu. "Ich bin froh, wenn ich das alles hinter mir habe", sagt Alexander S. Die Kinder haben die Trennung gut überwunden, ihre Mutter sehen sie selten. Und auch für Alexander S. geht es bergauf: Er hat mittlerweile wieder eine Freundin - "eine normale Frau", betont er.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2011
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