Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:"Ein bequemer Stuhl, das wäre ein Traum"

Veronika B. hat seit einer Krebsbehandlung mit Schmerzen und materieller Not zu kämpfen.

Von Claudia Koestler

Unter der Dusche bemerkte Veronika B. (Name geändert), dass etwas anders war als sonst. Es fühlte sich an, als ob in ihrer Brust ein Knoten zu ertasten wäre. Ihr Frauenarzt schickte die 57-Jährige sofort zu einer Sonografie und Mammografie, und letztlich brachten Gewebeproben die schreckliche Gewissheit: Brustkrebs. Vor fast genau einem Jahr war das, seither kämpft Veronika B.: um ihr Leben, um das finanzielle Überleben und auch um ein bisschen Würde und Hoffnung. "Denn was einem in einer solchen Notsituation widerfahren kann und wie manche Menschen reagieren, das wünscht man niemandem", sagt sie.

Weil ihr inzwischen eine Brust abgenommen wurde, starrten ihr immer wieder Menschen hinterher oder lästerten unverhohlen, obwohl sie es so gut wie möglich kaschiert. Als noch schlimmer aber empfindet sie es, dass sie durch die Krankheit immer mehr in finanzielle Not geriet, sich teilweise keine Lebensmittel mehr leisten konnte.

Weil die Tumoren weit auseinander lagen, entschieden sich die Ärzte dafür, ihr die Brust abzunehmen. Stattdessen wollten sie eine Silikonhülle einpflanzen, in der Kochsalzlösung die Brust ersetzen sollte. Doch Veronika B.s Körper stieß das Silikonteil ab, mit Infekten und heftigen Fieberschüben. Die Wunde begann zu eitern, Veronika B. musste erst noch vier weitere Operationen über sich ergehen lassen, bis die Amputation geglückt war und die Wunden verheilten. Erst nach diesem Leidensweg konnte sie den nächsten Schritt der Therapie antreten, die Bestrahlung, die ihr nun aber die Kräfte raubt, um den Alltag zu bewältigen.

Aufgrund der Krankheit kann Veronika B. ihren Beruf in der Altenpflege nicht weiter ausüben und musste deshalb Frührente beantragen. Noch immer ist über den Antrag nicht entschieden, und bis dahin muss sie von Hartz IV leben. Gerade einmal 300 Euro bleiben ihr im Monat, und das reicht nicht, um die vielen Extrakosten, die ihre Krankheit nach sich zieht, aufzubringen. Das sind zum einen Medikamente und Hilfsmittel, die nicht immer von der Krankenkasse übernommen werden, aber auch Dinge des Alltags. "Meine Ärztin sagt zum Beispiel immer, ich soll mich gesund ernähren, aber Bio, das geht von dem Geld einfach nicht", sagt sie. Weil die Bestrahlung so belastend ist, schafft sie es manchmal kaum, ihren Haushalt zu erledigen, zumal sie obendrein unter großen Rückenschmerzen leidet. "Die Ärzte sagen, ich darf mich nicht bücken und nicht putzen wegen der Wunden, aber ich will mich ja auch wohlfühlen und kann doch nicht im Dreck verkommen", sagt sie. Eine Haushaltshilfe aber kann sie sich nicht leisten, auch die Krankenkasse stellt keine. Um sich danach wenigstens anständig ausruhen zu können, brauchte sie ein gutes Bett. Doch ihre Matratze ist zu alt und schlecht für den Rücken. Um wenigstens ein bisschen zur Ruhe kommen zu können, hat Veronika B. einen großen Weihnachtswunsch: "Ein bequemer Stuhl, das wäre ein Traum." Und in und wieder rausgehen, frische Luft schnappen, das täte ihr absolut gut. Doch dazu fehlt ihr die richtige Kleidung, die nicht nur die fehlende Brust kaschiert, sondern auch einfach nur passt. Denn durch die Krankheit und die Therapie hat sich ihr ganzer Körper verändert.

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Quelle:
SZ vom 05.12.2017
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