SZ-Adventskalender:Drückende Mietschulden

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Nach einem Schlaganfall kann Angela H. nicht mehr arbeiten. Bis heute kämpft sie mit Schmerzen und einer tauben Hand.

Von Benjamin Engel

Es ist der 6. Juni 2011, an dem das Leben von Angela H. (Name geändert) eine schicksalhafte Wendung nimmt. Wie jeden Tag steht sie frühmorgens auf, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Doch an diesem Tag schafft sie es nicht einmal aus dem Bett heraus. "Auf meiner rechten Körperseite habe ich gar nichts mehr gespürt, ich konnte gar nicht aufstehen." Am Anfang habe sie noch Faxen gemacht, erinnert sie sich. Im Krankenhaus dann die niederschmetternde Diagnose: Schlaganfall und Multiple Sklerose.

Derzeit lebt die 47-Jährige von 695 Euro Arbeitslosengeld. Anfang diesen Jahres verlor ihr Mann seinen Stelle als Paketfahrer, als sein Arbeitgeber pleite ging. Seitdem fährt er für ein Subunternehmen Pakete aus. Zusammen bleiben ihnen nur rund 1200 Euro. Doch davon können sie nicht einmal ihre Miete vollständig bezahlen.

Einfach war das Leben von Angela H. wohl nie. Die gelernte Industriearbeiterin ist in der DDR aufgewachsen und verlor nach der Wende ihre Arbeit. Doch sie hat sich immer wieder aufgerappelt und neue Arbeit gefunden. Ihre Alkoholkrankheit bekam sie dagegen lange nicht in Griff. Eine Lebensphase, die ihre Spuren bei der vierfachen Mutter hinterlassen hat. Heute sind ihre Kinder 13, 19, 21 und 27 Jahre alt. Zwei davon hatte sie mit ihrem ersten Ehemann, bei dem nach der Trennung auch die älteste Tochter aufwuchs. Die Jüngere blieb bei ihr. Mit einem Freund bekam sie nochmals zwei Kinder. Doch nach einem Alkoholentzug im Jahr 2004 kamen die älteren beiden in eine Wohngemeinschaft, die jüngste zu Pflegeeltern. "Das tut mir weh", sagt Angela H.

Im Jahr 2007 kam der Rückfall. Sie wurde mit 4,8 Promille Alkohol im Blut ins Krankenhaus eingeliefert und machte erneut einen Entzug. "Das hat mich selbst erschreckt.", Seitdem habe sie nie wieder getrunken und sei trocken, sagt sie. Im Entzug lernte sie ihren jetzigen Mann kennen. 2009 zogen beide in eine Stadt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und heirateten noch im gleichen Jahr. "Ich musste einfach aus meinem alten Umfeld herauskommen", sagt die 47-Jährige. Das habe sie zum Umzug nach Süddeutschland bewogen.

Anfangs entwickelte sich alles so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie fand sofort Arbeit in einer Wäscherei. Zusammen mit dem Gehalt ihres Mannes kamen sie gut aus. Alle zwei bis drei Monate seien sie auf Besuch zu ihren Kindern nach Ostdeutschland gefahren. Doch in diesem Jahr blieb oft nicht genug Geld für die Miete. Bei ihrem großzügigen Vermieter könne sie sich nur bedanken, sagt Angela H.

Sie hat mit Schmerzen zu kämpfen, ihre rechte Hand fühlt sich taub an und auch mit dem rechten Fuß hat sie Probleme. Trotzdem will sie sich nicht aufgeben, hat sogar versucht, wieder den ganzen Tag zu arbeiten. Doch nach zwei Wochen konnte sie einfach nicht mehr, erzählt sie. Täglich acht Stunden zu arbeiten, das schaffe sie einfach nicht mehr. Jetzt möchte Angela H. Erwerbslosigkeitsrente beantragen und wenigstens noch vier Stunden pro Tag bei den Oberlandwerkstätten arbeiten.

Mit den Spenden aus dem SZ-Adventskalender könnte Angela H. ihre Mietschulden bezahlen - oder ihre älteste Tochter besuchen, die gerade ihr zweites Kind bekommen hat. "Das kenne ich nur von Fotos", sagt Angela H. und kann die Tränen kaum zurückhalten.

© SZ vom 12.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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