Bis ein Diamant auf natürliche Weise entsteht, braucht es Zeit. Viel Zeit sogar. Je nach Größe sind es zwischen einer und 3,3 Milliarden Jahre. Es geht aber auch schneller. Die begehrten Edelsteine können bekanntlich auch industriell hergestellt werden. Der Herstellungsprozess bei synthetischen Diamanten dauert gerade mal drei bis vier Wochen. Benötigt wird dafür unter anderem gasförmiger Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 99,999 Prozent. Nur Spezialfirmen können solchen Wasserstoff anbieten, wie etwa die Tyczka Group in Geretsried. Zu ihren Kunden gehörte auch die iplas Innovative Plasma Systems GmbH. Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Troisdorf und Tyczka sind inzwischen allerdings angespannt. Denn iplas hat den Geschäftsbereich Air Gases von Tyczka in einem Zivilverfahren vor dem Landgericht München II jetzt zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 270 000 Euro verklagt.
Tyczka Air Gases hatte iplas für die Produktion synthetischer Diamanten im März und April 2023 Wasserstoff geliefert, der nicht den notwendigen Reinheitsgrad und zu viel Stickstoff hatte. Das dies tatsächlich so war, ist zwischen den Parteien übrigens unstreitig. Der zu geringe Reinheitsgehalt des sogenannten Wasserstoffs 5.0 hatte indes gravierende Folgen für die Herstellung der künstlichen Diamanten. Gleich mehrere Chargen in den Produktionsanlagen von iplas wurden dadurch zerstört. Die Geschäftsführerin, Eigentümerin und Gründerin des Troisdorfer Unternehmens, Hildegard Sung-Spitzl, sprach am Donnerstag in der Verhandlung vor der 2. Kammer für Handelssachen am Landgericht München II von einem Totalverlust.
Nicht selbst hergestellt
Die Vertreter von Tyczka Air Gases stehen auf dem Standpunkt, iplas hätte die Lieferung nach Erhalt prüfen müssen. Überdies soll iplas nicht hinreichend klargemacht haben, welcher Reinheitsgrad eigentlich benötigt werde. Neben iplas und Tyczka Air Gases ist auch die Messer-Industriegase GmbH aus dem hessischen Bad Soden im Taunus dem Rechtsstreit beigetreten. Der Grund: Tyczka hatte nämlich den Wasserstoff mit dem zu geringen Reinheitsgehalt, den es an iplas verkaufte, gar nicht selbst hergestellt, sondern von der Messer-Industriegase GmbH bezogen. Ein Test des Wasserstoffs vor der Auslieferung finde nicht mehr statt, erklärte der Vertreter von Tyczka. Dies geschehe nur, wenn dies zuvor besonders vertraglich vereinbart worden sei.
Dass der Wasserstoff, der zur Vernichtung mehrerer Chargen Industriediamanten führte, von Tyczka nicht selbst hergestellt wird, zeigte sich der Vertreter von iplas, Rechtsanwalt Jens Petry, verwundert. Er höre heute zum ersten Mal, dass der an seine Mandantin gelieferte Wasserstoff nicht in Geretsried, sondern bei der Messer-Industriegase GmbH in Hessen abgefüllt wurde, und zwar in Flaschen mit dem Firmenlogo von Tyczka. Dass Tyczka seinen Kunden in dem Glauben lasse, es habe den Wasserstoff selbst hergestellt, stellte einen „Pflichtverstoß“ dar, sagte Rechtsanwalt Petry in der Verhandlung. Außerdem hätte das Geretsrieder Unternehmen darauf hinweisen müssen, dass es nur Zwischenhändler sei und nicht überprüft, was es von anderen Firmen geliefert bekomme.
Die Versuche der Richterin Ulrike Fürst, alle drei Parteien zu einem Vergleich zu bewegen und eine „gütliche Einigung“ zu erzielen, schlugen fehl. Unter anderem hatte die Vorsitzende angeregt, dass jeder der drei Verfahrensbeteiligen 90 000 Euro von der Gesamtschadenssumme über 270 000 Euro übernimmt. Die Vertreter von Tyczka und der Messer-Industriegase GmbH stimmten nicht zu. Das Gericht wird nun mit der Beweisaufnahme in der Sache beginnen und Sachverständige hören. Nächster Termin ist im kommenden Frühjahr.