Streit über Straßennamen:Tölz bleibt beim Reichspräsidenten

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Bürgermeister Josef Janker möchte die Hindenburgstraße nicht umbenennen, sondern lediglich über den fragwürdigen Ehrenbürger aufklären. Unterstützung erhält er vom Historischen Verein.

Von Klaus Schieder

Bürgermeister Josef Janker kann sich vorstellen, eine Infotafel über Paul von Hindenburg unter dem Straßenschild zu platzieren. Umbenennen möchte er die Straße nicht. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Hindenburgstraße zählt nicht gerade zu den Sehenswürdigkeiten von Bad Tölz. Zwei Cafés, ein Zeitungskiosk, Häuser mit Arztpraxen, das lang gestreckte Gebäude der Post - mehr ist da nicht. Seit 1926 trägt der viel befahrene Appendix der Fußgängerzone den Namen von Paul von Hindenburg, der als Reichspräsident der Weimarer Republik Adolf Hitler an die Macht verholfen hat. Bürgermeister Josef Janker (CSU) will die Straße dennoch nicht umbenennen. "Ohne die Anlieger zu fragen und ohne aus der Bevölkerung Unterstützung zu bekommen, werde ich das nicht zur Entscheidung bringen", sagt er. Dem Stadtrat möchte er nur vorschlagen, Hindenburg die Ehrenbürgerwürde von Bad Tölz abzuerkennen, die dieser ebenfalls seit 1926 hat. An seiner Haltung änderte auch ein Vortragsabend des Historischen Vereins im Gasthaus Starnbräu am Montag nichts.

Bundesweit führen viele Straßen und Plätze noch den Namen Hindenburgs im Schild. Garmisch-Partenkirchen und das westfälische Münster beschlossen 2012 eine Umbenennung, stießen damit aber auf Widerstand von Einwohnern. In Münster bildete sich sogar eine Bürgerinitiative und setzte einen Bürgerentscheid durch, um die Bezeichnung "Hindenburgplatz" beizubehalten - allerdings ohne Erfolg. Janker will solche Auseinandersetzungen in Bad Tölz vermeiden. "Wir springen nicht über jedes Stöckchen, das man uns hinhält", sagt er. Stattdessen plädiert er dafür, dem Straßenschild eine erklärende Tafel hinzuzufügen, die über die Rolle des damaligen Reichspräsidenten informiert. "Indem man streicht, ausradiert, abbricht, macht man Geschehenes nicht ungeschehen", meint Janker. "Ich bin nicht dafür, dass man das tilgt."

Mit dieser Position steht der Bürgermeister keineswegs alleine da. Unterstützung erhielt er beim Vortragsabend auch von Referent Christof Botzenhart. "Was wir noch weniger brauchen als eine Hindenburgstraße, ist eine Debatte über die Hindenburgstraße", sagte der promovierte Historiker, Gymnasiallehrer und zweite Vorsitzende des Historischen Vereins. Bad Tölz könne stolz darauf sein, dass sich die bisherige Diskussion "zivilisiert abspielt". Ganz auf der Linie des Bürgermeisters bewegt sich der CSU-Fraktionschef im Stadtrat, Anton Heufelder. Er findet, die Stadt sollte mit Umbenennungen von Straßen "sehr vorsichtig" umgehen und unbedingt die Anwohner einbinden. Eine Hinweistafel, wie Janker sie anregt, könne man als "Mahnmal" verstehen, glaubt er.

Zurückhaltend geben sich Vertreter von SPD und Freien Wählern. Willi Streicher hat sich zur Frage eines anderen Straßennamens noch keine Meinung gebildet. Sein Wissen über Hindenburg sei "das eines durchschnittlich gebildeten Mitteleuropäers" und "nicht groß genug", um eine Entscheidung zu fällen, sagt der SPD-Fraktionssprecher. Wolfgang Buchner (FW) bezeichnet sich selbst als "hin- und hergerissen", ist aber grundsätzlich "nicht so begeistert von einer Umbenennung".

Ein klares Urteil fällt hingegen Franz Mayer-Schwendner (Grüne). Er kennzeichnet Hindenburg als einen Wegbereiter für Hitler. "Wir haben keine Hitlerstraße, keinen Hitlerberg mehr - warum sollte man vor Hindenburg Halt machen?", fragt er. Ginge es nach ihm, könnte die Straße am oberen Ende der Marktstraße nach dem Sozialdemokraten Michael Deschermeier benannt werden, der im KZ saß und nach dem Zweiten Weltkrieg kurz Zweiter Bürgermeister von Tölz war. Zu den Befürwortern einer Umbenennung zählt auch Helmut Groß von der Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen. Namensgeber für eine Straße sollten nach seiner Ansicht "Vorbildcharakter" haben - einen solchen habe Hindenburg nicht. Beim Vortrag erntete er damit Widerspruch. "Er war eine Figur der Geschichte", rief ein Zuhörer. Groß' Replik: "Dann hätten wir auch die Hitlerstraßen lassen können."

Um Paul von Hindenburg (1847-1934) ranken sich manche Irrtümer. Einer davon besagt, der Reichspräsident sei 1933 nicht mehr bei klarem Verstand und nur noch eine Marionette seiner Berater gewesen, als er Adolf Hitler die Macht übergab. "Er überblickte die Lage genau", sagte Referent Christof Botzenhart beim Vortragsabend des Historischen Vereins Bad Tölz. Selbst aus politisch rechten Kreisen, denen Hindenburg nahestand, gab es eindringliche Warnungen vor Hitler - doch der Reichspräsident hörte nicht darauf. "Die Entscheidungen, die er getroffen hat, waren seine Entscheidungen, für die er die Verantwortung trug."

Als noch weniger entschuldbar stuft Botzenhart das Verhalten Hindenburgs nach der Machtübernahme durch die Nazis ein. Der Reichspräsident unterzeichnete widerspruchslos Notverordnungen, die es der NSDAP ermöglichten, die Demokratie binnen weniger Wochen zu zerstören. Er befürwortete die Zerschlagung des Parteiensystems, das er nach seinem Amtseid hätte schützen müssen. Er erhob keinen Einspruch gegen den Boykott jüdischer Geschäfte. Er sah den Morden der Nationalsozialisten tatenlos zu. Unter Hindenburg "wurde bereits die lückenlose Diktatur errichtet", sagte Botzenhart.

© SZ vom 13.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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