Was Solomon Solgit beruflich macht, ist schon an seinem lockeren Schritt zu erkennen, als er das Café Zuckerschnecke in Bad Tölz betritt: Er ist ausgebildeter Zirkusartist, der mit dem Cirque du Soleil auftrat, Tänzer und Choreograf. Geschmeidigkeit liegt in seinen Bewegungen. Für ein Foto hat er sich einmal kopfüber in den überdimensionalen Bilderrahmen an der Isar gestellt, gegenüber der Altstadt mit Blick auf den Kapellengasteig. Der Zirkus gehört zu Solgits Leben wie die Projekte, die er im Landkreis betreut oder an denen er mitwirkt. Dazu zählt Juca Sound, wo benachteiligte Jugendliche selbst Songs schreiben und aufführen. Und um junge Leute geht es auch bei seinem neuen Herzensprojekt, wie er es selbst nennt: dem Bau eines Schulgebäudes in der äthiopischen Großstadt Adama.

„Man kann sich das hier in Deutschland nur schwer vorstellen“, sagt Solgit, der gerade von einem sechswöchigen Aufenthalt aus seinem Geburtsland nach Bad Tölz zurückgekehrt ist. „In Adama gibt es sehr viele Straßenkinder. Sobald man das Flughafengebäude verlässt, wird man von Kindern umringt, die ,Mister, Mister!' rufen und um Geld betteln.“ Ein Euro sei schon sehr viel, „die Armut ist überwältigend“, sagt der Artist.
Und dann berichtet er, dass in Adama - einer Stadt, die etwas größer als Augsburg ist - nur zwei nennenswerte Jugendclubs existieren. „Hier in Tölz, einer viel kleineren Stadt, gibt es drei. Von Seiten der Stadtverwaltung gibt es in Adama einfach keine ausreichende Betreuung.“ Das ist auch der Hauptgrund, warum sich der Vorstand des Tölzer Fördervereins „Suneko“ rund um Solomon Solgit nun einem ehrgeizigen Projekt widmet: dem Bau eines Schul- und Kulturhauses. „Es soll Straßenkindern neue Perspektiven in ihrer Heimat aufzeigen.“
Suneko engagiert sich bereits seit längerem in Äthiopien, doch fehlte bisher ein fester Stützpunkt. Die in der Vergangenheit genutzten Räumlichkeiten stünden seit Beginn des äthiopischen Bürgerkriegs vor fünf Jahren nicht mehr zur Verfügung, berichtet Solgit. Deshalb traf er sich mit Vertretern der Stadt, die ihre Bereitschaft signalisierten, ein kleines, 200 Quadratmeter großes Grundstück für das geplante Zentrum zur Verfügung zu stellen. „Es dauert ein paar Jahre, bis man alles unter Dach und Fach hat. Doch ich habe schon mit der Bürgermeisterin geredet und das Projekt hat eine erste Hürde genommen.“

Solgit rechnet mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 25 000 Euro - inklusive Elektroinstallation und einem Dach, das sich, ähnlich einem Schiebedach, im Sommer öffnen lässt. Es geht ihm um einen ganzheitlichen Ansatz. „Bereits im Rahmen des Baus wollen wir Jugendlichen die Möglichkeit bieten, ein Handwerk zu lernen, damit sie etwas haben, um zu überleben.“ An Ideen, was den Kindern anschließend angeboten wird, mangelt es nicht: „Wir wollen Kindern und Jugendlichen den Besuch einer regulären Schule ermöglichen und sie mit Nachhilfe und Lernmaterial unterstützen. Sie erhalten Mahlzeiten und hygienische Versorgung.“
Die Betreuung soll jedoch über das Schulische hinausgehen. Solomon Solgit ist auch viel daran gelegen, von seinem artistischen Know-how etwas abzugeben. Ein Zirkusprojekt, das schon seit mehreren Jahren in Kooperation mit dem Zirkus Delfi in Adama stattfindet, soll in den geplanten Räumlichkeiten einen festen Rahmen bekommen. „Die Zirkusfamilie gibt den Kindern Sicherheit und innere Stärke“, sagt der Artist. Innere Stärke er strahlt auch selbst aus; man spürt in jedem Wort, wie ernst es ihm mit dem neuen Suneko-Projekt ist.
„Wir wollen, dass das Geld direkt bei den Menschen ankommt.“
Jeder Cent sei wertvoll, sagt Solgit - „und wir wollen, dass das Geld direkt bei den Menschen ankommt und haben im Verein auch etwas gespart.“ Die Idee sei es, eine Entwicklung anzustoßen und am Ende „auch etwas Größeres zu schaffen, von dem auch Europa profitiert“. Anstatt Äthiopien wegen mangelnder Perspektiven zu verlassen, will der Förderverein Suneko den Menschen dabei helfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Solgit schätzt, dass etwa 90 Kinder unmittelbar von dem Projekt profitieren würden. „Es werden noch viel mehr, wenn die Arbeit erst losgeht. Wir sehen uns da auch als Vermittler, als einen Schlüssel zur Gesellschaft für heimatlose Kinder.“ Hilfe zur Selbsthilfe, schließt Solgit, sei das Ziel. „Die Kinder und Jugendlichen sollen verstehen, dass es sich lohnt, wenn man sich anstrengt.“