SZ für Gute Werke:Struktur und Halt in der Gemeinschaft

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Zu Besuch im Sternstundenhaus der Inselhaus Kinder- und Jugendhilfe in Geretsried. (Foto: Hartmut Pöstges)

Im Sternstundenhaus der Inselhaus Kinder- und Jugendhilfe leben neun Jugendliche zusammen. Aktivitäten in der Gruppe sind wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Doch das Geld für einen neuen Bus, um mit den Betreuern unterwegs zu sein, ist knapp.

Von Benjamin Engel, Geretsried

Wenn neun Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren unter einem Dach zusammenleben, sind gewisse Reibereien unausweichlich. Dann muss sich die Gemeinschaft wieder zusammenraufen, was bislang im Geretsrieder Sternstundenhaus aber gut zu funktionieren scheint. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt der 16-jährige Marcel Birner. Er ist Jugendsprecher der Wohngruppe, in der jeder die Eigenheiten und Charakterzüge des anderen ziemlich genau kennt. Aber auch wenn die einen etwas stiller als die anderen sind, unternehmen sie viel gemeinsam. Sie kümmern sich je nach Vorliebe in der Gruppe um die Gemüse-Hochbeete im Garten, essen zusammen oder machen Aktivitäten in den Sommerferien. Gelegentlich geht es auf Ausflüge in der ganzen Gruppenstärke. Und geputzt werden muss ebenso. Dafür gibt es einen genauen Plan, wer für welche Räume zuständig ist.

So bietet das Geretsrieder Sternstundenhaus den Jugendlichen Struktur und Halt. Das ist die wichtige Basis, weil die Bewohner aus Familien stammen, die ihnen das nicht vollumfänglich bieten können. Sei es, weil beide Eltern oder ein Elternteil gestorben sind, der zurückgebliebene Partner mit der neuen Situation überfordert ist oder Familien durch vielfältige Schwierigkeiten zu stark belastet sind.

Im Gebäude der Inselhaus Kinder- und Jugendhilfe hat jeder der maximal neun Bewohner ein eigenes Zimmer. Zudem gibt es einen Notfallplatz, wenn ein Jugendlicher akut ein neues Zuhause braucht. Der Träger zählt zu den etablierten Hilfseinrichtungen in der Region. In der Wolfratshauser Littig-Villa sind die Geschäftsführung des Inselhauses sowie eine heilpädagogische Tagesstätte untergebracht. Es gibt das Kinderheim für zwei Wohngruppen mit jeweils neun Kindern in Jugendlichen zwischen Eurasburg und Beuerberg. Im Kaleidoskop-Projekt leben junge Erwachsene bis zum Alter von 21 Jahren eigenverantwortlich in Ein-Zimmer-Apartments in München sowie dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und werden flexibel betreut. Zudem unterstützt das Inselhaus-Team Kinder und Jugendliche direkt in der Familie, stellt Schulbegleiter oder organisiert Integrationshilfen.

Marcel Birner ist Sprecher der Hausgemeinschaft. Der alte Bus, den die Wohngruppe bislang genutzt hat, ist inzwischen kaputt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Marcel Birner lebt schon seit sechs Jahren im Sternstundenhaus. Er kam bereits mit zehn Jahren in die Einrichtung, nachdem sein Vater gestorben und seine Mutter als Alleinerziehende überfordert war. Davon erzählt er ganz offen, weswegen er womöglich auch gerade Jugendsprecher für die Hausgemeinschaft geworden ist. In dieser Funktion, sagt er, setze er sich aktuell etwa für besseres Internet im Haus ein.

Als Jugendsprecher übernimmt er die Rolle des Bindeglieds zwischen den Jugendlichen und dem Betreuerteam um Hausleiter Lennard Pietsch ein. Das besteht insgesamt aus sechs Personen. Immer einer ist für eine Tag- beziehungsweise eine Nachtschicht anwesend. Zudem gibt es eine Hauswirtschafterin, die für die Bewohner unter der Woche kocht. Am Wochenende versorgen sie sich selbst.

Im Garten baut die Wohngruppe Kräuter und Gemüse an

Im Garten baut die Wohngruppe Kräuter oder Gemüse, von Auberginen bis Kürbissen und Kartoffeln, an. Laut Birner sei keiner von ihnen verpflichtet, sich darum zu kümmern. Ihm selbst mache das aber Spaß. „Ich bin gerne draußen“, sagt er. In seiner Freizeit ist er viel in der Region unterwegs oder fährt auch nach München. Gegen 22 Uhr sei aber Bettruhe. Bis dahin sollten die Jugendlichen unter 18 Jahren im Zimmer im Sternstundenhaus sein. Genauso sei es aber auch möglich, sich mit dem Betreuer-Team abzusprechen und später zu kommen, wenn jemand etwa auf ein Musikkonzert gehen wolle.

Die Ausbildung als Lokführer im S-Bahn-Netz ist für Jugendsprecher Birner der Weg zum Traumberuf

Birner selbst hat im September eine Ausbildung zum Lokführer bei der Münchner S-Bahn begonnen – und damit zu seinem Traumberuf gefunden. „Ich habe schon als Kind immer gesagt, dass ich einmal Busfahrer oder Lokführer werde“, sagt er. Unter Aufsicht habe er schon einen Zug unter Aufsicht durch das Münchner S-Bahn-Netz steuern dürfen. Das sei zwar auch anstrengend, weil er als Fahrer stundenlang konzentriert bleiben müsse. Aber der technische Hintergrund interessiere ihn. Außerdem habe er mit Fahrgästen zu tun. Einen reinen Schreibtischjob habe er nie haben wollen, sagt Birner.

Für den Zusammenhalt in der Gruppe sind gemeinsame Aktivitäten wichtig. Dafür müssen die Kinder und Jugendlichen mobil sein. Daher steht ein Kleinbus für die Gruppe bereit. Das Fahrzeug muss allerdings groß genug sein, damit auch alle neun Kinder und Jugendlichen hineinpassen. Alle zwei Jahre geht es etwa zu Ferienfreizeiten. Zudem macht die Gruppe regelmäßig Ausflüge, beispielsweise zur Sommerrodelbahn oder zum Hochseilgarten am Blomberg. Doch das seit 2016 genutzte Fahrzeug ist inzwischen ausgemustert. Die Gruppe braucht einen neuen Bus. Doch schon ein gebrauchtes Exemplar kostet schnell 15000 bis 17 000 Euro. Dafür könnte das Inselhaus Spenden aus der Hilfsaktion „SZ für gute Werke“ gut gebrauchen.

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