Süddeutsche Zeitung

Stehende Stadträte:"Optisch nicht der Hit"

Bad Tölzer Stadtrat lehnt Grünen-Antrag ab, künftig im Sitzen reden zu dürfen

Von Klaus Schieder

Richard Hoch stand auf, beugte sich nach vorne und hinab zum Mikrofon. Diese gebuckelte Haltung, sagt der Stadtrat der Grünen, sei "optisch nicht gerade der Hit". In der konstituierenden Sitzung des neuen Stadtrats im Kurhaus stellte er den Antrag, die Geschäftsordnung dergestalt zu ändern, dass die Mandatsträger bei ihren Redebeiträgen in den Sitzungen künftig nicht mehr stehen müssen. Während die Stadträte in Wolfratshausen, Geretsried oder Penzberg dabei längst sitzen bleiben dürfen, galt diese Vorschrift in Bad Tölz noch immer. Das bleibt auch so: Der neue Stadtrat lehnte es gegen die Stimmen der Grünen ab, das Wort "stehend" aus der Geschäftsordnung zu streichen.

Hoch fand es "unangemessen", dass die Stadträte immer aufstehen müssen, wenn sie etwas zu sagen haben, der Bürgermeister und die Mitarbeiter der Stadtverwaltung hingegen sitzen bleiben. Er wünsche sich da "mehr Augenhöhe". Außerdem verwies er darauf, dass jemand, der etwa Kreislaufbeschwerden oder Rückenschmerzen habe, nicht solcherart gemaßregelt werden sollte. Auch Franz Mayer-Schwendner (Grüne) fand die Vorschrift "überflüssig". Die Stadtverwaltung weise oft darauf hin, dass man nicht jedes Detail regeln müsse, aber hier werde "Pipifax" vorgegeben. "Wir sind da hierin kein Kindergarten", so Mayer-Schwendner.

Die im Paragrafenwerk festgelegte Sitte des Aufstehens verteidigten die anderen Fraktionen. "Die Wertigkeit des Sprechers", meinte Ulrike Bomhard (FWG), sei dadurch vielleicht doch größer. Dem pflichtet Michael Lindmair (auch FWG) bei. Allerdings kritisierte er die zu kurzen Mikrofone im Sitzungssaal des Rathauses. "Es gibt auch für unsere Anlage neue Mikro-Hälse." Willi Streicher (SPD) hob hervor, dass es für andere Stadträte und für Zuhörer schon wichtig sei zu sehen, wer gerade spreche. Christof Botzenhart (CSU) bezeichnete es als "gute parlamentarische Tradition", das jemand aufstehe, wenn er etwas zu sagen habe. Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) sicherte zu, dass Mandatsträger, die sich nicht wohlfühlten, jederzeit sitzen bleiben dürften. Ansonsten hoffe er, "dass die Diskussionen im Stadtrat künftig noch konstruktiver werden, als sie momentan gerade sind".

Einstimmig billigte der Stadtrat, dass der Stiftungsbeirat der Josefispital-Stiftung um zwei auf acht Mitglieder erweitert wird. Dies ermöglicht der SPD, die sonst keinen Sitz bekommen hätte, in diesem Gremium weiterhin vertreten zu sein. Das Kultur- und Partnerschaftskomitee, das oftmals jahrelang nicht mehr zusammentrat, wird hingegen aufgelöst. Die Städtepartnerschaften mit Vichy und San Giuliano Terme sollen künftig in die Zuständigkeit des Kur- und Tourismusausschusses fallen. Botzenhart als Kulturbeauftragter des Stadtrats soll sich um diese Angelegenheiten kümmern, überdies sollen die Strukturen des Städtepartnerschaftsvereins gestärkt werden.

Und es gibt noch eine Änderung: Die Sitzungen des Stadtrats und der einzelnen Ausschüsse beginnen künftig eine Stunde später und damit erst um 17 Uhr. Damit wolle man Berufstätigen - Stadträten wie Zuhörern - die Teilnahme an den Sitzungen erleichtern, erklärte Bürgermeister Mehner.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2020
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