Start-up mit 18 und 21 Jahren:Zwei "Gschafftler"

Coworking-Area Gschafft

Henrik Heubl (l.) und Maxi Mayr sprühen vor Ideen – hier mit ihrer App „AbiCalc“.

(Foto: Manfred_Neubauer)

Henrik Heubl und Maxi Mayr führen einen "Coworking-Space" mit 13 Angestellten

Von David Holzapfel

Der Arbeitsplatz von Henrik Heubl und Maxi Mayr liegt leicht verborgen in einem Ausläufer der Tölzer Marktstraße. In einem von kleinen Cafés und Läden umsäumten Gebäude haben die jungen Männer einen "Coworking-Space" ins Leben gerufen. Coworking-Space? Der Laden, den die beiden Tölzer "Gschafft" genannt haben, soll Unternehmern aus der Region als Ideenschmiede, Treffpunkt und Arbeitsplatz dienen, in den sie sich gegen eine Gebühr einmieten können. Und das Angebot findet durchaus Anklang. Im Laden sitzen Menschen auf zusammengeklaubten Stühlen vor ihren Laptops, telefonieren und unterhalten sich. Inmitten der Szenerie wuseln Henrik und Maxi herum.

Henrik ist noch nicht lange 18 Jahre alt und hat unlängst sein Abitur gemacht, Maxi ist 21. Während Gleichaltrige gerade das fünfte Berufsfindungspraktikum absolvieren oder ein Jahr in Australien verbringen, haben die jungen Tölzer in nicht einmal zwölf Monaten ein Unternehmen mit 13 Angestellten aus dem Boden gestampft und eine App entwickelt, die bereits mehr als 20 000-mal heruntergeladen worden ist.

Es begann auf der Wiesn

Die Geschichte der Unternehmer hat auf dem Münchner Oktoberfest begonnen. Das war vor mehr als einem Jahr. Zu diesem Zeitpunkt kannten die beiden einander nur vom Sehen. Leicht angeheitert kamen sie zum ersten Mal ins Gespräch und letztlich auch zu der Frage, was denn der andere so "treibe". Schnell entdeckten sie Schnittmengen in ihrer Freizeitgestaltung. "Maxi hat mir erzählt, dass er Websites für Kunden in ganz Deutschland entwickelt", sagt Henrik. Er selbst betreut die Instagram-Profile zahlreicher regionaler Unternehmen, kümmert sich also um deren Außenwirkung und Vermarktung im Internet. Und das durchaus mit Erfolg: "Ich hab mal ausgerechnet, dass ich durch das Instagram-Zeug einen größeren Nettoverdienst hatte als meine Lehrer zu dem Zeitpunkt", berichtet er. Im vergangenen Oktober entschlossen sich die beiden, ihre Projekte in einen Topf zu werfen und die Gschafft GbR zu gründen.

Dabei wollte Maxi früher eigentlich einmal Pilot werden. Mit 15 Jahren jedoch fing er an, eine Website für den Tölzer Alpenverein zu kreieren - und machte anschließend einfach weiter. Neben seiner Selbstständigkeit studiert er Wirtschaftsinformatik in Stuttgart. "Bei allem, was mit IT zu tun hat, blüht mein Herz auf", sagt er und lacht. Henriks Berufskarriere begann im Alter von 17 Jahren. Um eine Norwegen-Radreise mit seinen Kumpels finanzieren zu können, war der Tölzer vor zwei Jahren auf der Suche nach einem geeigneten Sponsor. Und fand diesen auch wenig später: einen Hängemattenhersteller aus Hessen. Als Gegenleistung betreute Henrik nach seiner Rückkehr den Social-Media-Auftritt des Unternehmens. Das bereitete ihm eine solche Freude, dass er noch im selben Jahr sein erstes Gewerbe anmeldete - damals noch als Minderjähriger.

Entspannt sitzen die beiden Jungs auf einem ausrangierten Sofa in einem Nebenzimmer ihres Ladens und schwärmen von ihrem aktuellsten Projekt, der Handy-App "AbiCalc". Diese soll Schülern die Berechnung ihrer Abiturnote erleichtern. Das Programm berücksichtigt dabei alle bundeslandspezifischen Unterschiede bei der Zusammensetzung der Endnote. Die Zielgruppe von Henrik und Maxi: Mehr als 400 000 Abiturienten in ganz Deutschland, jedes Jahr. "Da sitzen wir auf einer fetten Idee, die grad richtig ins Rollen kommt", sind sie beide überzeugt.

90 Stunden gearbeitet

Bis vor sechs Wochen jedoch endlich der Startschuss für das Programm fallen konnte, galt es, einige Hürden zu überwinden. Nicht selten hingen Henrik und Maxi bis tief in die Nacht vor ihren Rechnern und feilten an Programmier-Codes oder beantworteten Werbeanfragen potenzieller Kunden. "In meiner krassesten Woche habe ich 90 Stunden gearbeitet", erinnert sich Maxi und schüttelt den Kopf. "Das war schon extrem, ich sehe das aber nicht als Arbeit, ich habe eher 90 Stunden lang mein Hobby gemacht." Henrik berichtet von einem arbeitsfreien Sonntag vor einigen Wochen. Anstatt in seiner Wohnung auf der faulen Haut zu liegen, fing der 18-Jährige kurzerhand an, sich selbst das Programmieren beizubringen. "Wir sind schon alle Nerds irgendwie", sagt Maxi und lacht.

Soziale Inkompetenz wollen sich die beiden dennoch nicht bescheinigen lassen. Wenn es die Zeit zulässt, verbringen die "Gschafftler" - wie sie sich selbst nennen - Zeit mit ihren Freunden oder treiben Sport. Henrik radelte in der Vergangenheit schon durch Norwegen, fuhr Kajak in Spanien und flog in Italien Gleitschirm. Und eigentlich sollte er zurzeit auf einem Segelboot über den Atlantik schippern. Zusammen mit vier Freunden aus dem Oberland wollte Henrik die Welt umsegeln, drei Jahre hatten sie sich für ihre Reise Zeit genommen. Als die Gschafft GbR jedoch immer weiter Fahrt aufnahm und expandierte, stand er vor einer Entscheidung - und diese fiel letztlich gegen das Abenteuer und für seine Arbeit.

Seit einiger Zeit werden die Tölzer von einem 13-köpfigen Team bei ihren Projekten unterstützt. Die meisten von ihnen arbeiten auf freiberuflicher Basis für Henrik und Maxi. Und so motiviert und überzeugt die Jungunternehmer auch sind, völlig frei von Zweifeln sind sie keineswegs. Gerade anfangs, als die Renovierung ihres Ladens anstand. "Es gab Nächte, da stehst du nach dem Renovieren vor der Tür und denkst dir: Hast du eigentlich einen kompletten Vollschuss?", sagt Maxi und merkt an: "Wir haben uns in solchen Situationen dann immer gegenseitig ausgeglichen".

Nach ihren Zukunftsplänen gefragt, entgegnen beide ohne zu zögern: "Wir haben 46 Ideen, die Liste ist lang." Natürlich können sich nicht alle davon verwirklichen, die Oberländer wollen sich auf das Segment Schule spezialisieren. Hier sehen sie besonders großes Wachstumspotenzial. Und die beiden haben noch ein Ziel: Eine eigene Hochschule für Unternehmer in Bad Tölz. So wollen sie junge Menschen an ihre geliebte Heimatstadt binden. "Wir sind Tölz-Patrioten", sagen beide mit einem Augenzwinkern.

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