Süddeutsche Zeitung

Starnberger See:Schiff und Steg müssen warten

Die Bayerische Seenschifffahrt nimmt nun doch Kredite für den Bau des neuen Dampfers MS 2020 auf und schickt 100 Mitarbeiter in Kurzarbeit

Von Astrid Becker, Starnberg

Normalerweise wäre die Flotte der Bayerischen Seenschifffahrt längst auf Hochglanz poliert. Normalerweise würden die Bootsführer nun schon die Minuten zählen, bis sie wieder hinter dem Steuer eines der Ausflugsdampfer stehen können. Normalerweise wäre der Ostersonntag Beginn der Saison gewesen. Normalerweise. Doch das Corona-Virus und die damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen haben auch die Seenschifffahrt lahmgelegt. Für einen Großteil der Mitarbeiter ist Kurzarbeit angemeldet. Wegen fehlender Einnahmen musste die Seenschifffahrt sogar einen Kredit aufnehmen - um die laufenden Abschlagszahlungen für den Bau des neuen Dampfers für den Starnberger See finanzieren zu können.

"Gesundheit ist das Wichtigste", sagt der Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt, Michael Grießer. Doch er kann auch nicht verhehlen, dass ihm in diesen Tagen ein paar graue Haare mehr wachsen. Da ist das neue Schiff, das seit vergangenem Jahr in der Lux-Werft in Niederkassel gebaut wird. Es soll 34 Meter lang werden und etwa 100 Sitzplätze innen und weitere 100 außen aufweisen. Ausgelegt ist es auf maximal 300 Personen, weil es auch die Mitnahme von Rädern gestatte, wie Grießer erklärt. Etwa fünf Millionen Euro lässt sich die Schifffahrt ihren neuen Dampfer kosten, der die MS Berg und die MS Phantasie ersetzen soll, die bereits einen neuen Hafen vor dem Buchheim-Museum in Bernried gefunden hat.

Doch aus den Plänen, das Geld für das neue Schiff aus laufenden Einnahmen zu finanzieren, wird nun nichts. Bei anderen neuen Schiffen, etwa der "Utting", die 2017 zum ersten Mal über den Ammersee fuhr, habe man kleine Kredite aufgenommen, die immer noch abbezahlt würden, aber: "Das ist praktisch nichts, die fallen nicht ins Gewicht." Durch das Ausnahmejahr 2018, das wegen des anhaltenden Sommers der Schifffahrt Rekordeinnahmen bescherte, und 2019, "das zwar nicht mehr so wie 2018 war, aber dennoch eines unserer stärksten Jahre seit 1997", wäre die Schifffahrt diesmal in der Lage gewesen, ihren neuen Dampfer ohne jedes Darlehen zu finanzieren. So sagt es Grießer.

Doch schon Grießers unüberhörbar häufige Verwendung des Konjunktivs zeigt, dass sich dieser Wunsch nicht erfüllen wird. Denn obwohl die Schifffahrt grundsätzlich von Ostern bis zum 1. Mai nur eingeschränkt auf dem Starnberger See und Ammersee unterwegs ist, werden ihr die Einnahmen, die normalerweise in dieser Zeit allein in den Osterferien generiert werden, fehlen. Hinzukommen die Verluste, die derzeit durch den stillgelegten Betrieb wegen Corona auch am Tegernsee und Königssee entstehen. Diese beiden Seen werden ganzjährig befahren, also auch im Winter, sofern sie nicht von einer dicken Eisschicht überzogen sind. Der Königssee weist daher auch die höchsten Fahrgastzahlen auf: immerhin etwa 750 000. Im Vergleich dazu liegen der Starnberger See mit etwa 250 000 und der Ammersee mit 290 000 Gästen im vergangenen Jahr (2018 waren es dort 300 000) deutlich darunter. Es schwingt daher auch ein wenig Stolz in der Stimme von Grießer mit, wenn er darüber spricht, dass das neue Schiff, "die MS 2020", wie sie genannt wird, erstmals komplett aus den laufenden Einnahmen finanziert werden hätte können. 1997 ist die Bayerische Seenschifffahrt privatisiert worden, seither "müssen wir uns selbst tragen", sagt Grießer. Und weil dem so ist, sind nun auch etwa 100 von insgesamt 170 Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt worden. Die etwa 70, die derzeit noch in den Werften "die Schiffe weiter auf Vordermann bringen", wie Grießer sagt, haben noch alte Verträge mit dem Freistaat. Für sie kommt also die Möglichkeit der Kurzarbeit nicht in Frage. Für alle anderen gibt es momentan nichts zu tun: nicht für die Bootsführer, nicht für Stegwarte, nicht für Kassenmitarbeiter. "Das ist bei uns leider derzeit auch nicht anders als bei anderen Firmen", so Grießer.

Etwas Positives sieht er in der Krise dennoch - zumindest, was die Schifffahrt betrifft: "Wenn wir, wann immer das sein wird, dann den Betrieb wieder aufnehmen, wird auch der Steg in Tutzing fertig sein." Auch hier waren die Arbeiten coronabedingt in Verzug geraten. Denn mit dem Bau des Stegs, der Tutzing zum Drehkreuz für den Dampferverkehr auf dem Starnberger See machen wird, war eine österreichische Firma vom Traunsee beauftragt worden. "Die durfte teilweise gar nicht über die Grenze zu uns nach Deutschland", erzählt der Chef der Schifffahrt. Daher ist man ein paar Wochen in Verzug geraten: "Hätten wir den Betrieb jetzt aufgenommen, wie geplant, hätten wir Tutzing eine Zeitlang gar nicht anfahren können."

Nun hofft er, dass er mit dem neuen Steg und einem neuen Fahrplan für den Starnberger See in die Saison starten kann. So werden dann zwei Schiffe zeitgleich in Tutzing anlegen können, und die Fahrgäste von der nördlichen in die südliche Route umsteigen können. "Eine große Rundfahrt bieten wir aber dennoch auch weiterhin an." Alle Wünsche habe man bei den Fahrplanänderungen aber nicht berücksichtigen können: So werden die Schiffe beispielsweise nicht direkt von Tutzing nach Ambach fahren, was für Fahrradfahrer relevant wäre, weil es dort bessere Radwege als im Süden gibt. Sondern sie werden auf der südlichen Route erst über Bernried, wegen des Buchheim-Museums, nach Seeshaupt steuern und erst im Anschluss Ambach anfahren, weitestgehend getaktet nach dem S-Bahn- und Zugverkehr von Starnberg und Tutzing. "Wir müssen dann schauen, ob sich das bewährt, und sonst nachbessern", so Grießer.

Die Schiffsflotte auf dem Starnberger See

Sie wird genau sechzig Jahre alt sein, wenn sie aus dem regulären Schifffahrtsbetrieb ausgemustert wird: die MS Berg. 1961 ist sie gebaut worden und war zunächst bis 2012 auf dem Ammersee unterwegs, als MS Schondorf. 2013 fuhr sie dann erstmals unter ihrem neuem Namen auf dem Starnberger See - als einziges Schiff der Seenschifffahrt ausschließlich im Linienverkehr. Chartern für Veranstaltungen konnte man sie allein schon deswegen nicht, weil eine Küche fehlte. Sie ist 24,6 Meter lang und 5,6 Meter breit und bietet Platz für maximal 170 Personen, 50 davon im Innenraum in zwei getrennten Salons. 2021 steht ihr eine andere Zukunft bevor: Sie soll "wahrscheinlich", wie Schifffahrtschef Michael Grießer sagt, als Arbeitsschiff beim Bauen von Stegen eingesetzt werden: "Das Schiff, das wir dafür haben, wird langsam zu alt." Anders ist das bei der MS Phantasie, die bereits einen neuen Platz am Buchheim-Museum gefunden hat oder bei der alten MS Utting, die in München in ein Szenelokal auf einer Brücke verwandelt wurde. Ausgemustert worden ist längst auch die "Tutzing", die als Museumsschiff im Kustermannpark dauerhaft vor Anker gegangen ist - ebenso wie die "Andechs", die der Bayerischen Seglervereinigung bei Utting als schwimmendes Vereinsheim dient.

Zur aktiven Flotte auf dem Starnberger See gehören zudem noch der Katamaran MS Starnberg, die MS Seeshaupt, die MS Bernried und die MS Bayern, die in diesem Winter auf Trockendock lag, generalüberholt und vom TÜV geprüft wurde. Auf dem Ammersee sind die beiden Raddampfer "Herrsching" und "Dießen" im Einsatz sowie die MS Augsburg und seit 2017 die neue MS Utting. All diese Schiffe können gechartert werden - für Hochzeiten, Partys oder sonstige Veranstaltungen. Abec

Eines ist aber schon gewiss: Auf dieser Route wird dann auch das neue Schiff verkehren, das auch Platz für Fahrräder bergen wird - allerdings erst von Beginn der Saison 2021 an. Wie es heißen wird, steht noch nicht fest. Es sollen aber gleich vier Gemeinden Ansprüche angemeldet haben: "Schauen Sie, Münsing hat ja noch kein Schiff, Possenhofen auch nicht." Und dass Berg wieder gern eines hätte, das seinen Namen trägt, liegt auf der Hand. Tutzing ebenso - wenn es schon ein Drehkreuz werden soll.

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SZ vom 14.04.2020
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