Süddeutsche Zeitung

Starnberger See:Letzte Tour

Die Schifffahrt verabschiedet sich ins Winterquartier. Dort wartet viel Arbeit auf die Angestellten. Zwei Schiffe müssen zur Überholung auf das Trockendock

Von Astrid Becker

Fast wirkt es so, als ob sich der Starnberger See an diesem Samstag noch einmal ein Sommerkleid übergestülpt hätte. Die Temperaturen sind einigermaßen lau, die Sonne zaubert ein Glitzern auf die Wasseroberfläche. Lediglich die Bäume mit ihrem buntem Laub am Ufer zeugen davon, dass der Herbst Einzug gehalten hat - und damit auch die Zeit, in der Ausflügler, die auf eine Schifferlfahrt auf dem See gehofft haben, enttäuscht sein werden. Denn mit diesem Samstag gehen die Ausflugsdampfer auf dem See endgültig in die Winterpause. Viel Arbeit steht dabei den Mitarbeitern der Bayerischen Seenschifffahrt bevor.

Es ist die ultimativ letzte Fahrt der Saison, zu der die MS Bernried an diesem Samstag um 14 Uhr aufbricht. Vielen der Fahrgäste, die sich an Bord begeben, ist dies aber gar nicht bewusst. Erwin und Ingrid Beier zum Beispiel. Das Paar kommt aus einem kleinen Ort in Hessen, aus Hüttenberg und ist gerade bei seiner Tochter in Taufkirchen zu Besuch. "Wir sind zum ersten Mal hier", erzählen sie. Genau wie Rieyad Kanjo aus Syrien und seine beiden kleinen Kinder Zalouh und Marianna. Oder Nadja Hollstein und Lorenz Feineis, die mit einer Gruppe von Behinderten den Ausflug auf dem See unternehmen. Ihnen allen ist eines gemein: Sie hatten zwar die Idee, endlich einmal den See mit einem Ausflugsdampfer zu erkunden. Aber dass sie die letzte Gelegenheit in diesem Jahr dafür ergreifen würden, war ihnen nicht klar. Auch nicht, dass die Schifffahrt nach dem Saisonende noch jede Menge Aufgaben zu erledigen hat.

Auf dem Starnberger See zum Beispiel müssen heuer gleich zwei Schiffe aus dem Wasser gehoben und aufs Trockendock verbracht werden. So wurden an der MS Berg, dem mit einer Länge von 24,60 Meter und 170 Plätzen zweitkleinsten Schiff in der Flotte auf dem Starnberger See, kleinere Wassereinbrüche festgestellt. "Das müssen wir natürlich reparieren und werden bei dieser Gelegenheit gleich den TÜV mitmachen", sagt der Betriebsleiter der Schifffahrt auf dem Starnberger See, Ralph Schlemmert. Jedes Jahr wird ein anderes Schiff während der Winterzeit aus dem Wasser gehoben, um generalüberholt und vom TÜV geprüft zu werden, letzteres ist alle fünf Jahre Pflicht. Während die MS Berg diese Prüfung nun außer der Reihe über sich ergehen lassen muss, muss sie bei der MS Bayern jetzt turnusgemäß erledigt werden. Wenn also die Arbeiten an der Berg abgeschlossen sind, die laut Schlemmert ein paar Wochen dauern werden, "aber genau weiß das niemand", wird auch die Bayern auf das Trockendock beziehungsweise die Helling verfrachtet und dort auf Herz und Nieren nach Schäden und Mängeln untersucht. Einen neuen Anstrich an den Teilen des Schiffes, die normalerweise unterhalb der Wasseroberfläche liegen, soll sie zudem erhalten. Alle anderen Schiffe werden winterfest gemacht, ausgeräumt, die Holzbänke abgeschraubt, die Wasserleitungen und Fäkalientanks geleert. Am Ammersee haben diese Arbeiten bereits begonnen. Dort verkehrten die Schiffe bereits am Kirchweihsonntag zum letzten Mal in diesem Jahr. Die MS Dießen, die heuer eine neue TÜV-Plakette benötigt, ist bereits aus dem Wasser geholt. Dort rechnet Florian Schmid, der stellvertretende Betriebsleiter in Stegen, mit leicht rückläufigen Fahrgastzahlen im Vergleich zum Vorjahr: "Wegen des schlechteren Wetters", sagt er. Trotzdem ist er zufrieden mit dem Verlauf der Saison, vor allem die neue MS Utting sei in der Gunst der Passagiere ganz oben gestanden: "Viele Leute haben angerufen und wollten wissen, wann genau sie eingesetzt werde, damit sie mitfahren könnten", erzählt Schmid.

Auch mit dem Verlauf der Saison am Starnberger See ist die Schifffahrt zufrieden: "Wir haben noch keine Fahrgastzahlen, aber mein Gefühl ist gut", sagt Schlemmert. Auch dort steht jetzt noch viel Arbeit an - nicht nur in der Werft, sondern auch auf dem See. Der Steg in Berg soll teilweise erneuert, andere müssen repariert werden. Und dann steht noch eine besondere Prüfung ins Haus. Denn die Schifffahrt überlegt, den Routenverlauf auf dem Starnberger See zu ändern. Doch dafür müssten neue Anlegestellen gebaut werden, und ob das funktioniert, ist noch völlig unklar. "Wir haben also noch viel vor", sagt Schlemmert, "dabei ist der Winter heuer recht kurz." Die neue Saison beginnt bereits am 1. April. Es könnte gut sein, dass dann auch einige Fahrgäste von diesem Samstag wieder dabei sein werden. Vielleicht sogar bei der allerersten Fahrt. Und mit Sicherheit ist ihnen das dann auch bewusst.

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Quelle:
SZ vom 24.10.2017
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