Süddeutsche Zeitung

Starnberger See:Dauercamper verlieren ihre Plätze in bester Seelage

Lesezeit: 3 min

Die Betreiber der Anlage in Ambach wollen endlich eine Kanalisation schaffen und setzen verstärkt auf touristische Nutzung. Dauermieter konnten dort offenbar jahrzehntelang ungestört schalten und walten - und beklagen nun: "Wir werden an die Seite geschoben."

Von Benjamin Engel, Münsing

Mehr als drei Jahre ist es her, seit die Familie Dürr den Campingplatz in Ambach übernommen hat. Bereits damals hatten die neuen Betreiber angekündigt, die Anlage verjüngen und erneuern zu wollen. Das war wohl auch dringend erforderlich, weil viele Dauermieter bis dahin jahrzehntelang ungestört schalten und walten konnten, wie sie wollten. Manche hatten ihre Campingwagen fast wohnungsgleich ausgebaut, was sich mit dem Brandschutz nicht vertrug. Einige beschwerten sich, als Sandra und Henning Dürr auf Rückbau bestanden, Parzellen aus Sicherheitsgründen auflösten und Hecken zurückschneiden ließen.

Nun fühlen sich erneut jahrzehntelange Dauercamper beiseitegedrängt. Mieter von mehr als 30 Parzellen in direkter Ufernähe des Starnberger Sees - und damit in Bestlage - sollen im Herbst 2023 ganz nach hinten in der Anlage umziehen, weil die Betreiber mit Kanalisationsarbeiten beginnen. Zurückkehren können sie anschließend nicht mehr, weil die Familie Dürr dort stattdessen an Touristen vermieten will. Dieses Vorgehen hat viele der betroffenen Dauercamper geschockt. "Wir fühlen uns machtlos", berichtet einer aus diesem Kreis. "Wir werden praktisch an die Seite geschoben." Manche hätten ihre Parzelle schon jahrzehntelang gemietet, das Urlaubsfeeling mit Blick auf das Wasser und den Sonnenuntergang genossen. Viele mache es einfach nur traurig, bald ganz nach hinten in Nähe der Seeuferstraße ziehen zu sollen. Gerade für die Älteren unter ihnen seien die Wege zum See oder zur Toilette damit länger.

Henning Dürr spricht selbst davon, den Campingplatz umstrukturieren und modernisieren zu wollen. Das würde die Wirtschaftsbranche kaum anders ausdrücken, wenn es um tief greifende Veränderungen geht. Allerdings wehrt sich Dürr vehement dagegen, auf dem Platz eine Art Gentrifizierung voranzutreiben, wie sie vielfach auf dem Wohnungsmarkt herrscht, das heißt angestammte Nutzer zu vertreiben und durch mehr Einnahmen versprechende Kurzurlauber zu ersetzen. "Wir haben vielen jungen Familien erst ermöglicht, Fuß zu fassen", sagt Dürr. Am Verhältnis von Dauercampern und touristischen Gästen von zwei zu eins ändere sich kaum etwas. Dass es für viele der betroffenen Dauercamper ein Schock sei, umsiedeln zu müssen, verstehe er. Doch diese Gruppe habe ein starkes Übergewicht. "Ich finde es nur gerecht, dass auch Touristen die Chance bekommen, in schöner Seelage zu übernachten."

Womöglich trennt beide Seiten die Betrachtungsweise. Für die Dauercamper ist die Ambacher Anlage eine Art zweites Wohndomizil. Dort haben sie ihre Sommerurlaube verbracht, gemeinsam gegrillt, ihre Kinder aufwachsen sehen und sind zum Schwimmen gegangen. Für Henning Dürr ist der Campingplatz in Ambach aber gerade keine Art zweiter Wohnraum. "Wir sind ein Tourismusunternehmen", sagt er. "Wir leben von Leuten, die kommen und wieder fahren, wie in einem Hotel." Er verstehe den Campingplatz als einen Ort, an dem sich Reisende begegneten, ihre Geschichte hinterließen und wieder abreisten. "Der touristische Sektor ist sehr wichtig." Als Betreiber hätten sie das Risiko, Urlauber davon zu überzeugen, auf dem Campingplatz zu übernachten und auch gerne wiederzukommen. Nur wenn das gelinge, verdienten sie damit auch Geld. Das bedeute aber nicht, dass die Dauercamper unwichtig seien. "Das ist unsere wirtschaftliche Sicherheit", betont Dürr.

Eine zentrale Abwasser-Kanalisation für den gesamten Campingplatz in Ambach existiert bislang nicht. Die Betreiber haben schon lange angekündigt, das anzugehen. Laut Henning Dürr soll die Maßnahme in drei oder vier Bauabschnitten erfolgen. Im Winter 2023/2024 soll auf dem Teilareal unterhalb der zentralen Zufahrt, das dem Empfangsgebäude am nächsten liegt, begonnen werden. Das Gelände sei so schwierig, dass sich die Kanalisationsrohre nicht in die bestehenden Wege integrieren ließen. Nur die dortigen Dauercamper müssten ihre Parzellen deshalb zum 31. Oktober kommenden Jahres räumen. Außer ihnen könnten alle anderen Dauercamper auch nach dem Abschluss der Kanalisationsarbeiten an ihren Standorten bleiben. "Wir werden nicht Viertel für Viertel räumen."

In München führt das Ehepaar Dürr den Kiosk Grüneis am Englischen Garten sowie das Heinrich Matters an der Luisenstraße. Zusätzlich haben die beiden den Campingplatz übernommen, seitdem dort Mietwohnwagen für Touristen ausgebaut, Bowls zum Essen eingeführt und Konzerte organisiert sind. "Wir wollen einen schönen Platz herstellen", sagt Dürr. Die bisherige Entwicklung habe alle Erwartungen übertroffen.

Geändert hat sich im Vergleich zum Vorbetreiber auch das Preisgefüge. Diesem hatten alle Dauercamper einen Einheitsbetrag von um die 1800 Euro pro Jahr gezahlt. Jetzt rechnet das Ehepaar Dürr pro Quadratmeter und je nach Nähe zum See. Das hat die Kosten für manche der um die 200 Dauercamper zwar verdoppelt, für andere wurde es aber auch preiswerter. Jetzt soll die Jahrespacht für 2023 noch um zwölf Prozent steigen. Das sei aber nur der Inflationsausgleich, so Dürr. Um Gewinnmaximierung gehe es keinesfalls. Ginge es ihm nur ums Geld, würde er eine solche Millioneninvestition wie die Abwasserkanalisation gar nicht erst angehen, sagt er.

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