Stadtrat:Im Schneckentempo

Bund will mehr Tempo-30-Zonen ermöglichen

Laut Experten ist Verkehrslärm gesundheitsschädlich. Tempo 30 kann die Belastung verringern.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Streit um Geschwindigkeitsbeschränkung

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

In einem Punkt sind sich die beiden widerstreitenden Seiten einig: Das Thema um die Einführung von Tempo 30 in Penzberg mutiert zu einer unendlichen Geschichte. Erneut hat sich der Stadtrat am Dienstag mit der Einführung befasst, eine Entscheidung gab es jedoch nicht. Der Tagesordnungspunkt wurde vertagt. Der Grund: Ein neues Gutachten, das die Lärmbelästigung durch Verkehr an der Bichler Straße und der Wölflstraße untersucht, wurde den Stadträten erst Montagnachmittag elektronisch zugestellt. Zu spät, um es noch gründlich durchzulesen, so die Befürworter der Vertagung.

Zu Beginn des Tagesordnungspunktes stellte Jack Eberl (FLP) den Antrag, die Debatte zu verkürzen mit dem Hinweis, dass es zwei mehrheitlich gefasste Beschlüsse zu Tempo 30 gebe. Seit zwei Jahren rede der Stadtrat über eine Geschwindigkeitsbegrenzung, sagte Eberl. Zuletzt habe das Gremium im Februar 2018 beschlossen, an den beiden Straßen Tempo 30 testweise für zwölf Monate einzuführen. Damals sei es nicht soweit gekommen, weil die notwendigen Daten für eine Anordnung fehlten. Diese lägen aktualisiert nun vor. "Das Ergebnis bestätigt uns", sagte Eberl.

Das Ingenieurbüro Ingevost aus Planegg hatte eine Verkehrsdatenerhebung an der Bichler Straße (zwischen Bahnhofstraße und Karlstraße) sowie an der Wölflstraße/Wölfl (zwischen Seeshaupter Straße und Nonnenwald) vorgenommen. Deren Daten verwendete das Büro Möhler + Partner zu einer Neuberechnung der Belastung der Anwohner durch den Umgebungslärm an Straßen. Die Experten kommen zum Schluss, dass die Stadt Tempo 30 einführen solle, weil an einigen Gebäuden die vom Umweltamt empfohlenen Schwellenwerte zur Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigungen mit 65 Dezibel am Tag und 55 Dezibel in der Nacht überschritten würden. Mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung ließen sich alle Konfliktfälle lösen, so das Gutachten.

Trotz dieser Expertise empfahl die Verwaltung, eine Geschwindigkeitsbeschränkung abzulehnen. Ordnungsamtschef Peter Holzmann verwies auf die Lärmschutzrichtline an Straßen (RLS 90), die in Bayern gelte. Sie lässt Tempo 30 nur dann zu, wenn die Richtwerte tagsüber 70 Dezibel und nachts 60 Dezibel überschreiten. Da diese Werte weder an der Wölflstraße noch and er Bichler Straße erreicht würden, werde das Landratsamt Weilheim-Schongau eine Anordnung der Stadt Penzberg nicht genehmigen, sagte Holzmann.

Was Eberl in Rage brachte. Man laufe hier ständig gegen eine Wand, ärgerte er sich. Holzmann wertete dies als persönlichen Angriff. Wenn der Stadtrat dies wünsche, werde er eine entsprechende Anordnung schreiben und an das Landratsamt als Genehmigungsbehörde weiterleiten, auch wenn dies alles andere als effizient sei. "Ich möchte endlich mal Ruhe haben und arbeiten können." Holzmann blieb somit bei seinem Standpunkt, selbst als Eberl und Kerstin Engel (Grüne) auf den Paragrafen 16 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hinwiesen. Der, so Eberl, gewähre der Kommune einen Ermessensspielraum bei der Einführung von Tempo 30. Holzmann erinnerte an ein Schreiben der Kreisbehörde vom Dezember 2018, in dem schwarz auf weiß stehe, dass eine Verkehrsbeschränkung nicht möglich sei. Aber es gebe auch eine E-Mail der Regierung von Oberbayern, die besage, dass die Stadt dank ihres Ermessensspielraums Tempo 30 anordnen könne, konterte Eberl. Immerhin sei die Regierung die Vorgesetzte des Landratsamtes.

Eberls Antrag wurde mit elf zu 13 Stimmen abgelehnt. Mit ihm stimmten Markus Bocksberger (parteifrei), Holger Fey, Susanne Meindl, Markus Kleinen, Michael Zöller (alle SPD) sowie Wolfgang Schweiger, Kerstin Engel und Johannes Bauer (alle Grüne). Die Abstimmung über die Einführung wurde letztlich vertagt, damit die Räte sich in Ruhe das Gutachten durchlesen können.

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