Rosé und babyblau:Die neue Stadthalle ist ein bonbonfarbenes Schmuckstück

Das Denkmal in Penzberg erstrahlt nach der Sanierung ganz im Stile des Art déco. Es wird am Samstag eröffnet.

Von Klaus Schieder

Wer einen Blick in den großen Saal der renovierten Stadthalle in Penzberg wirft, reist um 90 Jahre zurück in die Vergangenheit. Die Säulen sind frisch in hellem Rosa gestrichen, die Decke mit ihren Quadratkassetten in Ocker und einem verwaschenen Lila. So sah der Saal auch bei der Eröffnung im Jahr 1928 aus, ganz im Stile des Art déco. Die neuen Tische und Stühle nehmen im Bauhaus-Stil ebenfalls das Design der Zwanzigerjahre auf. Wegen der auf den Ursprung zurückgehenden Farbgestaltung hat sich Bürgermeisterin Elke Zehetner allerdings schon einiges anhören dürfen. Von Bonbonfarben war die Rede, sie wurde gefragt, ob vielleicht noch die Frauen-Toilette babyhaft in Hellrosa und das Männer-WC in Hellblau gehalten sei. Aber das Zurück zum Anfang ist die Philosophie der gut 9,9 Millionen Euro teuren Renovierung, die drei Jahre lang dauerte. "Wir haben nun ein großes Museum, in dem man noch essen und trinken kann", sagt Zehetner. Eröffnet wird die sanierte Stadthalle an diesem Samstag, 6. Mai.

Hinter einer Glasscheibe sind im Eingangsfoyer nicht weniger als neun Farbschichten in kleinen und großen Vier- und Rechtecken zu erkennen - so oft wurde die Wand im Laufe der Jahrzehnte übertüncht. Es sei ein Zufall gewesen, dass man ganz an den Anfang zurückgefunden habe, sagt Peter Haberecht vom Büro b3-Architekten. Zusammen mit Roland Irregen und Thomas Krause-Roth von der Designagentur Krause-Roth Design ist er für dem kompletten Umbau bis hin zur Innengestaltung verantwortlich. Beim Abwaschen der Wände stieß man auf die alten Farben und ließ sie von Restauratoren untersuchen.

Rosé und babyblau: Im ursprünglichen Stil des Art déco wurde die Penzberger Stadthalle renoviert - auch der große Saal.

Im ursprünglichen Stil des Art déco wurde die Penzberger Stadthalle renoviert - auch der große Saal.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Auch sonst galt bei der Generalsanierung das Prinzip, das Jahr 1928 in die Gegenwart zurückzuholen. Hinter einer Holzvertäfelung wurde ein altes Geländer entdeckt. Zwei Doppelhälftenfenster, die von einer später eingebauten Treppe verdeckt wurden, sind freigelegt und bekamen ihr ursprüngliches Glas aus Waldsassen wieder. An den Seiten der Guckkastenbühne gibt es noch immer funktionstüchtige Handkonterzüge für den Szenenwechsel in einem Theaterstück. "Sie wurden sehr gepflegt und jetzt vom TÜV abgenommen, aber teilweise mit Elektrik gesichert", sagt Haberecht. Nur die vier alten Kugelleuchten im Saal mussten ersetzt werden, weil sie nicht mehr genügend Licht warfen. Die sechs Neuentwürfe nähmen jedoch die kristallinen Strukturen ihrer Vorgänger auf, so Haberecht. Und was die neuen Tische und Stühle anbelangt, meint der Architekt: "Die Leichtigkeit des Raums soll durch die Möbel unterstützt werden, sie ordnen sich ihm unter und stellen ihn nicht voll."

All dies ist nicht bloß professionelle Liebhaberei. Von den fast zehn Millionen Euro Gesamtkosten kann Penzberg immerhin ein Viertel über Städtebaufördermittel abdecken. "Ich bin sehr dankbar, dass man gesehen hat, was wir in Penzberg noch haben", sagt Bürgermeisterin Zehetner. Die Halle sei das größte Denkmal der Stadt. "Wir haben die Verpflichtung, sie zu schützen und zu bewahren - und viel Geld hineinzustecken." Das gilt nicht bloß für den Umbau an sich, sondern auch für die Ausstattung. Vorhänge, Tische, Stühle wurden zum Beispiel auch unter dem Aspekt ausgesucht, dass sie die bestmögliche Akustik ermöglichen. "Das ist alles wohlüberlegt", sagt Zehetner.

Rosé und babyblau: Eine Zeitreise in die Zwanziger Jahre des vergangen Jahrhunderts kann man in der frisch renovierten Penzberger Stadthalle machen.

Eine Zeitreise in die Zwanziger Jahre des vergangen Jahrhunderts kann man in der frisch renovierten Penzberger Stadthalle machen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Im rechten Flügel der Stadthalle befindet sich das neue Restaurant. Im Parterre liegt die Schenke mit eigenem Eingang und einer historischen Decke, die restauriert und grün gestrichen wurde, im ersten Stock darüber eine fast zwillingshaft gleiche Gaststube. Diese ehemalige Wirte-Wohnung kann für Taufen, Geburtstage und andere geschlossene Gesellschaften genutzt werden, als Vereinsraum oder auch einfach als zusätzliches Restaurant bei Hochbetrieb. Die große Küche samt Vorbereitungsküche ist auf einen Massenandrang ausgerichtet, von dort können Säle, Schenke und Gaststube versorgt werden.

Völlig neu ist der Anbau an den rechten Flügel. Er beherbergt einen kleinen Saal, der mit Leinwand und Beamer für Vereinsversammlungen, Seminare oder Fortbildungen zur Verfügung steht, ansonsten aber nochmals die Gastronomie erweitern soll, wofür draußen auch eine Biergarten-Terrasse gebaut wurde. Sie hoffe, dass es dem neuen Wirt Rudolf Schall gelinge, den Saal als Gastraum für die Bevölkerung mit zu nutzen, so Zehetner. Mit dem neuen Trakt hat die Stadt ein Problem der alten Stadthalle gelöst: Dort lagen der große und der kleine Saal nebeneinander, was zu akustischen Störungen führte, wenn dort gleichzeitig Veranstaltungen stattfanden.

Rosé und babyblau: Renoviert im Stil des Art déco: Die Gaststube in der Penzberger Stadthalle ist die ehemalige Wirte-Wohnung und kann heute für geschlossene Gesellschaften gebucht werden.

Renoviert im Stil des Art déco: Die Gaststube in der Penzberger Stadthalle ist die ehemalige Wirte-Wohnung und kann heute für geschlossene Gesellschaften gebucht werden.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Im linken Flügel der Stadthalle, die nun komplett barrierefrei ist, sind eine großzügige Garderobe in den ehemaligen Räumen des Jugendtreffs "Chillout", der Aufzug und die Toiletten untergebracht. Chillout, SPD und Schachclub hätten inzwischen neue Domizile, so die Bürgermeisterin. Im ersten Stock des großen Saals gibt es außer der umlaufenden Galerie auch noch eine Art Bar als Pausenfoyer mit weitem Blick auf den Straßenzug zum Restaurant "Rimini". Darin könne man auch Stehempfänge abhalten, meint Zehetner.

Ein ziemlich professionelles Ambiente erwartet die Künstler, die künftig in der sanierten Stadthalle auftreten. Sie hatten vormals nur kalte Holzverschläge als Umkleiden, nun finden sie vier eigene Garderoben vor. Eine Kamera auf der Bühne überträgt das Geschehen für sie dorthin auf einen eigenen Bildschirm. Zudem gibt es einen Raum für Orchestermusiker zum Stimmen der Instrumente oder für einen Chor zum Einsingen. Das sei jetzt schon eine Profibühne, meint Architekt Haberecht. "Da kann sich jeder Künstler wohlfühlen."

Zwei Tage vor der Eröffnung wird in der Stadthalle noch fleißig gewerkelt. Der Bühnenvorhang liegt eingepackt da, überall schrauben, bohren und sägen Handwerker, geputzt werden muss auch noch. "Wir sind fertig, aber es gibt bis Samstag viele kleine Details zu erledigen", zeigt sich Zehetner zuversichtlich. Für Architekt Haberecht ist die Generalsanierung der Penzberger Stadthalle ein beruflicher Ausnahmefall: "Wir hatten das Glück, bis zur Möblierung hin tätig zu sein - das ist Spitze."

Die sanierte Stadthalle wird am Samstag, 6. Mai, eingeweiht. Der Festakt für geladene Gäste beginnt um 10 Uhr. Für die Bevölkerung gibt es Führungen um 15, 16 und 17 Uhr. Dabei erhalten sie kostenlos die neue Chronik "Stadthalle Penzberg - Geschichte und Geschichten".

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