Süddeutsche Zeitung

Stadtentwicklung Geretsried:Wachsender Lebensraum

Die Baugenossenschaft Geretsried verwaltet rund 3000 eigene und fremde Wohnungen und errichtet nun ihr bislang größtes Projekt an der Egerlandstraße. Zudem fließen jährlich mehrere Millionen in Sanierung und Instandhaltung

Von Felicitas Amler

Seit Jahren tauchen Sätze wie dieser in jedem Geschäftsbericht der Baugenossenschaft Geretsried (BG) auf: "Die Verhältnisse am Mietwohnungsmarkt sind für Wohnungssuchende schwierig", so hieß es vor vier Jahren. Heute liest es sich so: "Die Baugenossenschaft könnte unverändert deutlich mehr Wohnungen vermieten, als ihr zur Verfügung stehen." Und dabei sind dies gar nicht wenige. Die BG hat zum Ende des vergangenen Jahres 2221 eigene Wohnungen plus 741 fremde verwaltet sowie jeweils zwölf in Königsdorf und Münsing betreut. Die Vorhaben der BG erschöpfen sich daher nicht mit dem größten Bauprojekt, das sie bisher je in Angriff genommen hat - dem Wohn- und Geschäftshaus an der Egerlandstraße. Vielmehr schreibt der Vorstand - Wolfgang Hergeth, Hans Schmid, Wolfgang Selig und Günter Stowasser - in der Prognose: Für Neu- und Umbauten seien in den kommenden fünf Jahren jährliche Investitionen von mehreren Millionen Euro geplant.

Das Zentrum als Chance

Die BG hat sich von jeher zur Geretsrieder Stadtentwicklung rund um den Karl-Lederer-Platz bekannt, wie der Stadtrat sie seit dem Amtsantritt von Bürgermeister Michael Müller (CSU) vor sechs Jahren verfolgt. Im Geschäftsbericht bekräftigt der Vorstand dies: Die Baugenossenschaft Geretsried wolle nicht nur zur Entspannung des Wohnungsmarkts, sondern auch zur Belebung des Stadtzentrums beitragen. An der Egerlandstraße 58 bis 74 tut sie dies mit einem mehrgeschossigen Komplex von 93 Wohnungen plus Einzelhandelsflächen und einer großen Tiefgarage, die an jene der Krämmelgruppe unter dem Karl-Lederer-Platz anschließt. Die Häuserzeile soll bis Herbst 2022 fertig sein. Auch im Kapitel "Risiken und Chancen" des Berichts verweist die BG auf die sogenannte Neue Mitte: "Als kommunalpolitische Chance ist aufzuführen, dass die Stadt Geretsried die Entwicklung des Zentrums weiter umsetzt, was uns sehr entgegenkommt."

In ein mögliches Geothermieprojekt in Geretsried setzen die BG-Sprecher ebenfalls Hoffnungen. Die Enex Power Germany GmbH will dies nach gescheiterten Versuchen noch einmal mit neuer Technologie probieren. "Wir erwarten dadurch langfristig den Aufbau einer CO₂-neutralen Fernwärmeversorgung in Geretsried, die auch für einige unserer Standorte im Stadtteil Gartenberg interessant werden könnte", so der BG-Vorstand. Ebenso wird die Planung der S-Bahn-Linie 7 bis Geretsried erwähnt, deren Realisierung "als sicher erscheint". Im Jahr 2019 hat die BG 49 Sozialwohnungen an der Siebenbürgerstraße 29 bis 31 eingeweiht. Außerdem wurde am Rosenweg ein dreigeschossiges Parkdeck mit 103 Stellplätzen fertiggestellt. Für Instandhaltungsmaßnahmen hat die Baugenossenschaft Geretsried deutlich mehr ausgegeben als im Vorjahr: 3,9 Millionen Euro im Vergleich zu 3,4 Millionen. Dieser Posten werde auch in den kommenden Jahren zwischen drei und vier Millionen liegen, heißt es im Geschäftsbericht. Dies diene der "Erhaltung der Wohnqualität und Steigerung der Werthaltigkeit der Bestandsimmobilien".

"Moderate Erhöhungen"

Auf "moderate Mieterhöhungen" konnte die BG laut Vorstand nicht verzichten. Wer nachfragt, erfährt vom Geschäftsführer, dass dies zum Beispiel bei frei finanzierten Wohnungen nach Modernisierungen - neue Bäder, Böden, Fenster - der Fall gewesen sei. "Hier steigt die Miete beispielsweise bei einer typischen Gartenberger Wohnung aus den Sechzigerjahren von vorher oft 5,90 Euro auf 7,50 Euro je Quadratmeter." Dies deutet bereits auf das Spektrum der Mieten bei der Baugenossenschaft hin. Während auf dem freien Markt - ein Blick in eines der Immobilienportale zeigt es - Quadratmeterpreise zwischen 12 und 13 Euro üblich sind und in Einzelfällen mit "hochwertiger Ausstattung" sogar 15 und 18 Euro verlangt werden, bewegen sich die BG-Mieten deutlich unter zehn Euro. Bei einer der Sozialwohnungen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren im südlichen Stadtteil Stein sind es laut Selig 4,65 Euro oder 5,17 Euro je Quadratmeter; beim Neubau an der Siebenbürgerstraße 5,50 bis 7,50 Euro.

Der Jahresüberschuss ist im Geschäftsjahr 2019 deutlich gesunken: von rund 480 000 auf rund 26 000 Euro. Die Prognose hatte sogar bei einem Fehlbetrag gelegen. Für das laufende Jahr werde mit einem Jahresüberschuss von 1,3 Millionen Euro gerechnet.

Erwähnt werden auch die Risiken durch die Corona-Pandemie; Arbeiten könnten sich verzögern, Mieten ausfallen. Der Vorstand beobachte die Entwicklung und reagiere "bedarfsweise".

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Quelle:
SZ vom 07.11.2020
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