Stadtentwicklung:"Bauen ist selten trocken"

Dieter Lejko hat als Leiter des Wolfratshauser Bauamtes vieles erlebt - langweilig war ihm dabei nie

Interview von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Stadtentwicklung: Um das Haus am Untermarkt 10 in Wolfratshausen wird seit langer Zeit gerangelt. Der Zickzackkurs war für den Bauamtschef weniger schön.

Um das Haus am Untermarkt 10 in Wolfratshausen wird seit langer Zeit gerangelt. Der Zickzackkurs war für den Bauamtschef weniger schön.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Drei Jahrzehnte war Dieter Lejko Chef des Wolfratshauser Bauamtes, Ende 2018 ist er in den Ruhestand gegangen - ein Anlass, sich nach persönlichen Erfahrungen, der bisherigen Ortsentwicklung und nach Perspektiven für die Zukunft zu erkundigen.

SZ: Herr Lejko, 30 Jahre in dieser Funktion unter fünf Bürgermeistern - wie sehen Sie diese Zeit im Rückblick?

Dieter Lejko: Ja, fünf Bürgermeister - es waren Erich Brockard, Peter Finsterwalder, Reiner Berchtold, Helmut Forster und Klaus Heilinglechner. Ich habe mit allen gut zusammenarbeiten können, wobei alle ihr ganz eigenes Temperament hatten. Aber jeder war auf seine Weise angenehm. Unter Brockard gab es allerdings die Regelung, dass die Mitglieder der Verwaltung sich bei den Stadtratssitzungen nicht ungefragt zu Wort melden durften. Bei den Sitzungen hat er das Wort geführt.

Wie wird man Chef eines Bauamtes?

Stadtentwicklung: Blickt gerne auf seine Berufsjahre zurück: der ehemalige Wolfratshauser Bauamtsleiter Dieter Lejko. Die Arbeit habe ihm Freude gemacht, denn man sehe viele Dinge wachsen.

Blickt gerne auf seine Berufsjahre zurück: der ehemalige Wolfratshauser Bauamtsleiter Dieter Lejko. Die Arbeit habe ihm Freude gemacht, denn man sehe viele Dinge wachsen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ich bin kein Techniker, deshalb habe mich für die juristische Laufbahn auf der Beamtenfachhochschule entschieden. Zum Baurecht habe ich mich schon sehr früh hingezogen gefühlt, denn mir war schnell klar, dass das kein trockener Job ist, da ist schon einiges geboten. Bauen ist selten trocken, die Bürger, die was Neues planen, kommen ja immer erst zu uns. Dass ich diese Arbeit bis zum Ende meiner Berufslaufbahn machen wollte, war mir schon Mitte der Achtziger Jahre klar. Denn da sieht man viele Dinge wachsen. Die Leitungsfunktion hat sich nach und nach so ergeben. In meiner Funktion im Bauamt hatte ich es zuletzt mit rund 20 Mitarbeitern zu tun.

Was waren die markantesten Vorgänge und Ereignisse in ihrer Amtszeit?

Es klingt vielleicht trocken, aber das Wichtigste und Aufwendigste war die Neuauflage des Flächennutzungsplans. Wir waren nahezu zehn Jahre damit beschäftigt, bis er unter Reiner Berchtold in den Jahren 2004/2005 verabschiedet werden konnte. Bedeutsam war und ist er, weil damit wichtige Grundsätze festgeschrieben sind. Beispielsweise enthält er die Forderung, dass Grünflächen so weit wie möglich geschont werden, man hat sich entschieden, nicht noch mehr Gebiete in der Stadt zu versiegeln. Stattdessen hat man sich dafür ausgesprochen, überall dort baulich zu verdichten, wo dies möglich ist. Das war auch das Ergebnis intensiver Bürgerbeteiligungen.

Die Zustände in der Marktstraße werden immer wieder heftig kritisiert. Was ist da falsch gelaufen?

Es ist tatsächlich schade, dass man nicht früher was aus der Altstadt gemacht und die Verkehrsprobleme gelöst hat. Im alten Flächennutzungsplan war ja noch die Umfahrungsvariante über die Ortsteile Weidach und Waldram enthalten. Die Straße wäre an der letzten Kehre der B 11, etwa dort, wo jetzt die Flößer sind, abgezweigt. Man hätte Farchet und Waldram anbinden und den Verkehr in der Altstadt stark reduzieren können. Damals, in den siebziger Jahren unter Bürgermeister Willi Thieme, wäre das noch durchsetzbar gewesen, und es hätte uns eine Menge Ärger erspart.

Stadtentwicklung: Denkmal-Aktion des Historischen Vereins zur Rettung des Ensembles Alpenstraße/Schießstättstraße in Wolfratshausen.

Denkmal-Aktion des Historischen Vereins zur Rettung des Ensembles Alpenstraße/Schießstättstraße in Wolfratshausen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ist damit die enorme Verkehrsbelastung in der Altstadt für alle Zeiten festgeschrieben?

Realistisch ist eine Umfahrung allenfalls langfristig, man könnte eventuell in Höhe der Firma Burgmann einen Tunnel ansetzen. Ein solches Projekt würde derzeit aber nicht gefördert, der notwendige Index für Kosten und Nutzen wäre nicht erreichbar. Aber es ist schon wahr, der Zustand in der Altstadt ist nicht ideal, die Verkehrsprobleme dort wären allerdings noch leichter lösbar als an anderen Stellen. Der Bürgerbeteiligungsprozess "Attraktive Altstadt" versucht ja immerhin, praktikable Anregungen zu finden, man muss dann halt sehen, ob die eingebrachten Ideen umsetzbar sind. In der Marktstraße wäre Tempo 30 denkbar, das wäre für die Autofahrer vielleicht etwas unbequemer, ich glaube aber nicht, dass außer kosmetischen Maßnahmen sehr viel gemacht werden kann. Es gibt ja auch den starken Ziel- und Quellverkehr. Trotzdem: Die Verkehrsprobleme in der Marktstraße wären noch leichter lösbar als an anderen Stellen der Stadt. Das wesentlich größere Problem ist der Ost-West-Verkehr.

Sie meinen die Schießstättstraße.

.. Ja, die Schießstättstraße, die Sauerlacher Straße und die Königsdorfer Straße, die Verkehrsströme zwischen den beiden Autobahnen.

Mal weg vom Verkehr. Wie sehen sie die Perspektiven zwischen den beiden Nachbarstädten Geretsried und Wolfratshausen? Werden die in einigen Jahrzehnten zu einer einzigen Stadt zusammengewachsen sein?

Vielleicht nicht zusammengewachsen. Ich denke aber, dass man sich einem gemeinsamen Oberzentrum Wolfratshausen-Geretsried annähern, manche Einrichtungen und Aufgaben gemeinsam übernehmen und vor allem die wirtschaftliche Entwicklung vereint fördern muss. Geretsried ist gerade dabei, sich zu einem echten Zentrum zu entwickeln. Für das, was dort geschieht, muss man echt was riskieren. Ich sage immer: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. In der Wolfratshauser Altstadt hat man in den vergangenen Jahren leider nicht sehr viel gewagt. Freilich sind hier auch die historischen und baulichen Voraussetzungen ganz andere.

Stadtentwicklung: Spatenstich mit Dieter Lejko (Zweiter v.li.) und Baubeginn der Kindertageseinrichtung an der Ludwig-Thoma-Straße 6 in Wolfratshausen.

Spatenstich mit Dieter Lejko (Zweiter v.li.) und Baubeginn der Kindertageseinrichtung an der Ludwig-Thoma-Straße 6 in Wolfratshausen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Wie könnte Wolfratshausen denn insgesamt attraktiver werden?

Das Projekt am Bahnhof beispielsweise wäre sinnvoll. Ein Vollsortimenter dort würde der Stadt sicher guttun. Und es gibt keinen Platz, der verkehrstechnisch weniger Probleme aufwerfen würde.

Was bleibt dann noch für den Handel in der Altstadt - im Gewerbegebiet an der Pfaffenrieder Straße wird doch längst alles angeboten, was das Herz begehrt?

Man sollte im Markt weiterhin auf das kleinteilige Angebot setzen. Vieles läuft dort ja gut. Wir haben den Buchhandel Rupprecht, Kleidergeschäfte, Schmuck- und Handyläden, Cafés und zwei Gasthäuser. Das ist doch alles nicht so schlecht.

Urbaner soll Wolfratshausen auch mit der Gestaltung des Loisach-Westufers werden. Warum passiert da nichts - seit 40 Jahren?

Es war immer schwierig, eine große, umfassende Lösung zu finden. Als ich hier angefangen habe, hat man sich schon damit beschäftigt. Eine Mehrheit für eine große Lösung hat man nicht gefunden, man hat sich auch immer auf die Befindlichkeiten der betroffenen Grundstückseigentümer berufen. Dabei wäre eine Tiefgarage direkt am Loisachufer technisch machbar gewesen, Einfahrt am Pumpenhaus, Ausfahrt Richtung Hatzplatz. Entsprechende Untersuchungen haben ergeben, dass die Loisach an dieser Seite dicht ist. Aber damals hat der Mut gefehlt, sowas zu machen. Wie schon gesagt, wer nicht wagt... Jetzt kommt eben das Parkhaus am Hatzplatz, das ist für den Investor wirtschaftlich lukrativ. Spektakulär gut ist die umfangreiche Sanierung der Grund- und Mittelschule angesichts der schwierigen Verhältnisse abgelaufen. Trotz des Asbestproblems und des verzögerten Baufortschritts haben sich die Investitionen sehr im vorgegebenen Rahmen gehalten.

Wie steht es um den Denkmalschutz in Wolfratshausen?

Ein wichtiges Thema, ohne Frage, besonders in der Altstadt. Darüber hinaus muss man jedes einzelne Objekt anschauen, zum Beispiel das Alte Krankenhaus an der Sauerlacher Straße. Die Häuser an der Alpenstraße waren jahrelang nicht geschützt. Man muss sehen, was der Investor beim umstrittenen Anwesen Nummer 14 jetzt vorhat.

Wie groß ist der Einfluss, den ein Bauamtsleiter ausüben kann?

Nicht wirklich sehr groß, die Entscheidungen liegen ja beim Bürgermeister und dem Stadtrat. Man kann mit jedem einzelnen Stadtratsmitglied gut reden, aber dann tritt eine Gruppendynamik in den Fraktionen ein, die man nicht im Griff hat. Die letzten vier Jahre waren mit Blick darauf für mich nicht sehr angenehm, denken sie nur an den Zickzackkurs beim Untermarkt 10, da hat es alle möglichen Beschlüsse gegeben. Das war früher angenehmer. Aber alles in allem hat es mir Spaß gemacht, ich würde mich auch heute wieder genau für diese Laufbahn entscheiden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: