In der Wiener Welt von gestern war es das Kaffeehaus, in Italien ist es heute noch die Piazza, und hierzulande bemühen sich nun die Bibliotheken darum, ein sogenannter Dritter Ort zu werden. Mit diesem soziologischen Begriff werden jene öffentlichen Treffpunkte beschrieben, an denen Menschen sich nach dem Ersten Ort, dem Zuhause, und dem Zweiten, der Arbeitsstätte, gern und in Gemeinschaft aufhalten. Björn Rodenwaldt, Leiter der Stadtbücherei Geretsried, ist darum bemüht, in den großzügigen Räumen an der Adalbert-Stifter-Straße 13 eine dafür geeignete Atmosphäre zu schaffen. Der aktuelle Umbau soll dazu beitragen. Der Kinder- und Jugendbuch-Bereich der insgesamt zwei Etagen mit 1600 Quadratmetern umfassenden Bücherei wird in diesem November aufwendig renoviert und umgestaltet.
Neue Möbel, neue Ordnung, neuer Bestand: Daran arbeiten Rodenwaldt und sein dreiköpfiges Team plus Auszubildende gerade. Sie haben 90 000 Euro dafür zur Verfügung, die Hälfte von der Stadt, die andere von der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen. Alle 10 000 Kinder- und Jugendbücher werden derzeit durchgesehen, manches aussortiert, Neues angeschafft. "Was immer geht, sind die 'Warrior Cats', 'Gregs Tagebuch' und 'Das magische Baumhaus'", sagt der Leiter. Hingegen seien Winnetou und Old Shatterhand bereits ins Magazin verbannt worden.
Gerade bei Kindern und Jugendlichen aber wird der Trend im Bibliothekswesen spürbar, der "ganz klar in Richtung elektronische Medien" geht, wie Rodenwaldt sagt. Also werden derzeit nicht nur 5000 CDs aus zerbrechlichen alten Kunststoffboxen in moderne weiche Hüllen umgepackt, sondern auch neue Konsolenspiele angeschafft - für Playstation, Nintendo Switch und Xbox. Außerdem wird der Kinderbuch-Bereich mit einer Trockenbauwand vom Rest abgetrennt: "Da kann es ruhig mal etwas lauter werden." Auch das macht schließlich Treffpunkt-Atmosphäre aus.
Zukunftsmusik
Längst werden in Bibliotheken nicht mehr nur Bücher ausgeliehen. So hat die Geretsrieder seit mehr als einem Jahr einen gut frequentierten Gaming Raum im Keller, bietet regelmäßig Abende für Karten-, Brett- und Rollenspiele an und will sich weiter zu einem vielgestaltigen Treffpunkt öffnen. Musik ist das nächste Angebot, an das der Leiter denkt: In speziellen Möbeln könnten sich Besucher ungestört und ohne andere zu stören, einer "Sound Shower", also einer Dusche aus Klang, hingeben. Noch ist das Zukunftsmusik, aber sicher ist, dass die Abteilung Belletristik der Stadtbücherei im Jahr 2020 renoviert werden soll.
Zuvor würde Rodenwaldt noch gern die Medienrückgabe modernisieren, und zwar über das System der RFID (Radio Frequency Identification). Seine Mitarbeiterinnen drohten sonst Tennisarme zu bekommen, erklärt er. Dass das keine Übertreibung ist, zeigt die Zahl der jährlichen Ausleihen: 170 000. Das bedeutet, dass derzeit täglich mehrere tausend Bücher, CDs und DVDs von Hand entgegengenommen werden müssen. Elektronik ist also die Zukunft auch in diesem Sektor. Und die Bücherei scheint auf bestem Weg, unter den Dritten Orten eine erste Adresse zu werden.