Süddeutsche Zeitung

Straßenbau:Staatsbesuch auf der Rumpelpiste

Die Straße zwischen Dietramszell und Tölz ist außerorts schon lange sehr marode. Eine Sanierung ist aber erst einmal nicht in Sicht. Warum, wird auf einem Ortstermin mit dem bayerischen Verkehrsminister deutlich.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Zwischen Dietramszell und Bad Tölz schlängelt sich die Staatsstraße 2368 mehr als zehn Kilometer lang durch die charakteristische bayerische Voralpen-Moränenlandschaft - kurvenreich auf und ab, durch Wälder und an Gräben und Wiesen mit Aussicht auf die Berge vorbei. Das wirkt idyllisch, aber so ganz trifft das dann doch nicht zu. "Die Welt ist hier keinesfalls Ordnung", sagt der Dietramszeller Bürgermeister Josef Hauser (Freie Wähler) bei einem Ortstermin am Dienstagabend vor dem Kloster. Der Rathaus-Chef meinte damit den schlechten Zustand der nur flickenhaft ausgebesserten und damit arg rumpeligen Staatsstraße außerhalb der Ortschaften. "Nach Tölz rauf ist Jahrzehnte nichts passiert", klagt Hauser und fordert, dass sich daran wenigstens abschnittweise bald etwas verbessert.

Adressat ist an diesem Tag Christian Bernreiter (CSU). Der erst seit wenigen Monaten amtierende bayerische Verkehrsminister ist zum Ortstermin gekommen. Neben ihm einige Dietramszeller Gemeinderäte, Landrat Josef Niedermaier (FW) sowie der CSU-Landtagsabgeordnete im Stimmkreis, Martin Bachhuber. Dieser mahnt an, dass die Staatsstraßen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen im bayernweiten Vergleich relativ hohen Sanierungsbedarf haben. Beispielhaft dafür steht die Staatsstraße 2368. Von einer "Buckel- und Rumpelpiste" auf dieser wichtigen Landkreis-Verbindungsstrecke wird gesprochen.

Schnell ändern wird sich daran aber voraussichtlich kaum etwas. Das liegt vor allem an Finanzierungs- und Geldverteilungsfragen. Zwar spricht der bayerische Verkehrsminister davon, dass heuer 400 Millionen Euro bereit stünden, um in Staatsstraßen investieren zu dürfen. Allein deren Streckennetz im Freistaat ist aber insgesamt mehr als 14 000 Kilometer lang. Laut dem Staatlichen Bauamt Weilheim ist mehr als eine Million Euro nötig, um nur einen Kilometer Staatsstraße grundlegend sanieren zu können.

"Es muss Priorisierungen geben", sagt Bernreiter. Dass die Staatsstraße 2368 in keinem guten Zustand sei, sehe er auch. Allerdings weist der Minister darauf hin, dass zwischen Dietramszell und Bad Tölz täglich nur 1400 Fahrzeuge - und damit vergleichsweise wenig - unterwegs seien. Darauf habe ihn auch Landrat Niedermaier hingewiesen, allerdings mit der Ergänzung, dass dies vor allem auch an deren schlechtem Zustand liege.

Knapp 190 Kilometer Staatsstraßen existieren im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Durchschnittlich hatte das Staatliche Bauamt Weilheim allerdings in den vergangenen Jahren nur ein Budget von 7,5 Millionen Euro, um die Straßen dort sowie in vier weiteren Landkreisen im Zuständigkeitsgebiet zu erhalten. Damit entfallen auf den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Darauf verweist der Straßenbau-Bereichsleiter in der Behörde, Stefan Scheckinger. Um grundlegend zu sanieren, brauche es grob eine Million Euro für einen einzigen Straßenkilometer. Und das sei bei der Staatsstraße 2368 notwendig. Deren Breite und Linienführung enstprächen nicht mehr den modernen Voraussetzungen. Der benötigte Grunderwerb erschwere es so noch zusätzlich, voranzukommen.

Warum die Staatsstraße 2368 bei Sanierungsmaßnahmen bislang nicht an erster Stelle stand, dürfte aber auch damit zusammenhängen, dass nur wenig Unfälle auf dieser Strecke passieren. Dass besonders verkehrsunsichere Straßenabschnitte bei der Verteilung der begrenzten Geldmittel bevorzugt werden, bestätigt der für die Straßen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zuständige Abteilungsleiter im Staatlichen Bauamt Weilheim, Martin Herda. Zum Vergleich sei etwa die Staatsstraße 2072 auf dem rechten Isarufer zwischen Geretsried und Bad Tölz mit annähernd 8000 Fahrzeugen täglich wesentlich mehr belastet als die Staatsstraße 2368. Mit dem derzeitigen Budget werde es weit mehr als hundert Jahre dauern, um alle Staatsstraßen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen einmal fertig zu sanieren. Eine Million Euro pro Kilometer seien dafür wohl noch zu niedrig gegriffen, glaubt Herda. Für die 2,5 Kilometer Staatsstraße zwischen Münsing und Holzhausen sei etwa mit Kosten von drei bis 3,5 Millionen Euro zu rechnen.

Zweite Station an diesem Tag ist für Bernreiter die Staatsstraße 2072 von Lenggries in die Jachenau. Die sei, so Landrat Niedermaier teils auch nicht im besten Zustand. Zudem stockt dort der Ausbau des Radwegs aus Naturschutzgründen und wegen Grundstücksverhandlungen. Für die Radfahrer sind zwar die ersten vier von insgesamt zwölf Kilometern seit 2019 fertiggestellt, was laut Herda zwei Millionen Euro gekostet hat. Der Rest fehlt aber noch. Die Gemeinden Lenggries und Jachenau planen den Radweg gemeinsam, der Freistaat führt den Bau aus. Für den zweiten Bauabschnitt zwischen dem Lenggrieser Ortsteil Leger und dem Abzweig Rehgraben ist es nötig, umzuplanen. Eine artenschutzrechtliche Prüfung ergab, dass der neben der Staatsstraße verlaufende Flutgraben Habitat seltener Lurche und Kriechtiere ist. Daher hat die Kommune Lenggries vorgeschlagen, die gesamte Staatsstraße näher an den Berg zu verlegen.

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