Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Hilfe:"Weil wir nicht wegschauen können"

Der Eurasburger Stephan Unser steht dem jahrhundertealten St. Lazarus-Orden in Bayern vor, der sich um Bedürftige kümmert. Am Wochenende unternimmt er zum wiederholten Male ehrenamtliche Hilfstransporte in die Ukraine.

Von Claudia Koestler

Wochenende heißt für viele Menschen hierzulande immer noch: ausspannen, erholen. Für Stephan Unser und Alexander Savchenko hingegen endet mit dem Freitagabend zwar auch ihre hauptberufliche, wochentägliche Arbeit. Doch dann beginnt ihre ehrenamtliche und humanitäre: Der Eurasburger Unser leitet die bayerische Kommende des St. Lazarus-Ordens, Savchenko ist Mitglied in dem Bund, und beide werden auch an diesem Wochenende zum wiederholten Male einen Hilfstransport in die Ukraine unternehmen. "Jedes bisschen hilft, so sehen wir das", sagt Unser.

Die Gemeinschaft St. Lazarus, dem Unser in Bayern vorsteht, ist weniger oft im Rampenlicht als andere Ritterorden. Doch er hat eine lange Tradition: Von den Kreuzzügen bis ins heute reicht die Geschichte der Ritter mit dem grünen Kreuz. Seit etwa 1000 Jahren engagieren sich Frauen und Männer weltweit in dem ökumenischen Bund, der sich auf seiner Webseite gleichermaßen als "militärischer Orden der Barmherzigkeit" beschreibt, dessen Strukturen "durch Traditionen gekennzeichnet sind, als auch eine hospitalische und damit karitative Gemeinschaft, gewidmet der Sorge und dem Beistand für die Kranken und Armen."

Der in Eurasburg lebende Stephan Unser hat lange Zeit in Italien gelebt und dort auch gearbeitet. Dort wurde er vor etwa 20 Jahren von Bekannten angesprochen, ob er sich vorstellen könne, sich in dem Orden zu engagieren. "Man muss sich das vorstellen wie bei Rotary oder beim Lions-Club", erklärt er. "Man wird eingeladen und sollte im Idealfall etwas mitbringen. Das muss jetzt nicht finanzieller Natur sein, es kann auch ein gewisser Tatendrang sein. Und man muss sich eben mit den Zielen des Ordens identifizieren." Die Mitglieder legten dabei weltweit grundsätzlich einen Fokus auf die Lepra-Hilfe, in Europa und speziell in Deutschland kooperierten sie zudem mit dem Hilfswerk Deutscher Zahnärzte. Da der Orden im Vergleich zu anderen eher klein sei - er zählt weltweit etwa 6000 Mitglieder, in Deutschland sind es knapp 100 und in Bayern derzeit 15 - unterstützt er vorwiegend bestehende wohltätige Netzwerke und Organisationen, "also dort, wo bereits tatkräftige Hände dahinter stehen", erklärt Unser. Zudem engagierten sich die Ordensmitglieder aber eben auch ganz persönlich, bei Katastrophenvorkommnissen genauso wie jetzt im Kriegsfall. "Zum einen, weil wir Mitglieder haben, die der Ukraine verbunden sind, aber auch generell, weil wir nicht wegschauen können", beschreibt Unser.

Savchenko, der seit etwa drei Jahren Mitglied des Ordens ist, etwa genauso lange, wie Unser nach seinem Umzug nach Deutschland nun die Kommende Bayern leitet, ist zwar bereits seit 2015 im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, dem Land aber durch seine Wurzeln dort noch eng verbunden. "Meine Eltern wohnen dort, meine Schwester und viele Verwandte. Ich musste mich also irgendwie erfinden, um zu helfen. Deshalb habe ich gedacht, wenn ich nichts anderes tun kann, um den Krieg zu stoppen, dann leiste ich wenigstens humanitäre Hilfe", sagt Savchenko. Auf Nachfrage bei Unser und dem Orden war schnell klar, dass sie etwas gemeinsam unternehmen wollten.

Die Lazarus-Stiftung stellt finanzielle Hilfen in Aussicht, darüber hinaus sammelt der Orden Spendengelder, von denen die beiden dann dringend benötigte Güter besorgen, die sie dann persönlich in die Ukraine transportieren. "Wir haben vor Ort Personen, die uns genau darauf hinweisen, was benötigt wird", sagt Savchenko. Zum Teil mit ganz enger Bindung: "Meine Schwester etwa ist in Lwiw und baut dort eine Herberge, um jene zu unterstützen, die von der Ostukraine in die Westukraine fliehen." Sie teile ihm regelmäßig mit, was gebraucht werde. "Was zum Beispiel immer wieder vergessen wird, wenn in Deutschland gesammelt wird, können wir so ganz gezielt liefern und flexibel auf die Bedürfnisse reagieren." Altkleider etwa würden eher weniger benötigt. "Was mich sehr überrascht hat, weil ich da zunächst nicht daran gedacht habe, war, dass es Matratzen braucht." Es gebe schließlich viele Ukrainer, die zwar vor den Kriegshandlungen fliehen, aber nicht unmittelbar ihr Heimatland verlassen wollten. "Dass viele von ihnen in Lwiw stranden, ist ja bekannt", sagt Savchenko. Aber dass sie nicht nur unterkommen müssten - dafür würden gerade viele verlassene Häuser in Herbergen umgewandelt - sondern neben essen auch schlafen müssten, werde bisher oft vergessen. Unser und Savchenko lieferten bislang neben Matratzen, Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Klopapier auch Brotbackautomaten, Multikochgeräte, Stromgeneratoren und kleine Gasherde, um die Grundbedürfnisse zu decken.

Etwa zwölf Stunden dauert die Fahrt von Eurasburg an die ukrainische Grenze. Und die stellt noch einmal eine eigene Herausforderung dar. "Es ist wichtig, dass man Kontaktpersonen drüben hat, dass Genehmigungen und Papiere schon freigeschaltet sind, denn dann geht es wesentlich einfacher", beschreibt Savchenko. Was aber immer noch bedeutet, dass sie an die fünf bis sieben Stunden dort festhängen, "je nachdem, wie die Grenzbeamten drauf sind, denn sogar UN-Fahrzeuge werden dort manchmal lange warten gelassen." Bei der jüngsten Fahrt organisierten die beiden es deshalb so, dass das Team aus der Ukraine nach Polen kam und die Ware dort übergeben wurde. Aktuell dürfen allerdings nur ukrainische Frauen über die Grenze, die wiederum mit schweren Fahrzeugen ausrücken müssen, um die Waren mitzunehmen. "Das muss man also jedes Mal aufs Neue überlegen und organisieren, denn die Lage ist sehr komplex und sehr veränderlich", sagt Savchenko. Immerhin: Die Infrastruktur funktioniere in der Westukraine noch, inklusive Mobilfunk- und Internetverbindungen.

Was die Helfer aber zur Hilfe brauchen, ist weitere Unterstützung. Sie hoffen, dass sich noch mehr Menschen aufgerufen fühlen, im Kleinen einen Beitrag zur caritas und diaconia zu leisten - am einfachsten per Geldspende an den Orden. "Weil wir ja den direkten Input erhalten, was benötigt wird, so dass wir es gezielt besorgen und liefern können. Die genaue Absprache ist wichtig, denn nicht alles ist geeignet. Nicht jedes Brotbackgerät zum Beispiel lässt sich mit einem Generator betreiben, auf so etwas muss man achten." Allerdings lasse sich auch nicht von der Hand weisen, dass es auch größere Anschaffungen brauche, etwa von Firmen mit Sachspenden. Auch wenn es da viel zu bedenken und organisieren gebe, etwa geeignete Zwischenlagerräume und größere Transporter: "Wenn uns jemand 100 Matratzen spenden kann", sagt Savchenko und pausiert kurz, ehe er entschlossen sagt - "dann schaffen wir das."

Spenden an: Lazarus Kommende Bayern, IBAN: DE02 3706 0193 6005 0510 60; BIC: GENODED1PAX; PAX Bank e.G Köln

oder

Deutsche Lazarus Stiftung, IBAN: DE22 3006 0601 0007 3040 56; BIC: DAAEDEDDXXX, Deutsch Apotheker- u. Ärztebank; Verwendungszweck: Ukraine-Hilfe; Eine Spendenbescheinigung kann ausgestellt werden.

Mehr unter https://www.st-lazarus-orden.de

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