Sprachförderung:Ringelnatz im Kindergarten

Die Kinder im Geltinger Dorfkindergartens Sankt Benedikt bekommen speziellen Sprachunterricht - weil sie zwar das Bayerische beherrschen, nicht aber Hochdeutsch.

Bernhard Lohr

Das Caritas-Haus Sankt Benedikt in Gelting ist ein typischer Dorfkindergarten. Kinder mit dem oft zitierten Migrationshintergrund gibt es praktisch nicht. Zu Hause wird Deutsch gesprochen. Allenfalls kann es sein, dass die Aussprache von Mama und Papa bayerisch eingefärbt ist. Und doch kam die Leiterin der Kindertagesstätte, Anna Maria Weltl, zu der Überzeugung, dass es so nicht mehr weitergeht. Es gebe eklatante Sprachdefizite, sagt die langjährige Erzieherin. Wenn die Kleinen ein Wort aussprächen, fehlten immer häufiger Buchstaben. Viele bräuchten einfach sehr lange, um überhaupt einen Satz zustande zu bringen.

Dem Trend zur Sprachlosigkeit wirken die Erzieherinnen in Sankt Benedikt jetzt verstärkt entgegen. Sie haben gepaukt, Sprechübungen gemacht und sich viel darüber unterhalten, wie wichtig Sprache überhaupt ist. Am Ende überarbeiteten sie das Konzept des Kindergartens. Sprache hat dort jetzt einen hohen Stellenwert und richtiges Sprechen wird gefördert.

Anna Maria Weltl

sieht richtig glücklich aus. Sie hat ihre Erzieherinnen um sich geschart, Vertreter des Elternbeirats sind da, der Kreisgeschäftsführer der Caritas Toni Thalmaier und Petra Deger von der Fachberatung für Kindertagesstätten im Landratsamt. Es gibt etwas zu feiern und viele freundliche Worte. Weltl und ihre Mitarbeiterinnen haben etwas geschafft, was nicht selbstverständlich ist. In einem halben Jahr steckten sie 170 Stunden in die Fortbildung mit Sprachberaterin Christine Walz. Die Eltern steckten auch ein Stück zurück und genehmigten der Einrichtung fünf zusätzliche Schließtage, damit auch Blockunterricht möglich wurde. Das alles sei rekordverdächtig, sagt Sprachberaterin Walz. Und Deger sagt mit hörbarem Bedauern im Unterton, dass gerade einmal fünf Einrichtungen im Landkreis das vom Freistaat geförderte Projekt "Sprachberatung in Kindertageseinrichtungen" wahrgenommen hätten, für das es immerhin 3000 Euro gebe. Auch Caritas-Geschäftsführer Thalmaier gibt offen zu, er hätte sich da mehr gewünscht. Die Einrichtung am Steiner Ring in Geretsried zum Beispiel hätte sicher noch mehr Bedarf, sagt er. Aber: "Man kann das nicht verordnen." Sicher wäre es nicht verkehrt, wenn Weltl noch Kolleginnen in anderen Häusern anstecken würde, sagt er. Allerdings drängt die Zeit. Das seit d 2008 bestehende Programm läuft heuer aus. Im großen Turnraum in der Kindertagesstätte hängt ein aus Buntpapier fabrizierter Sprachbaum an der Wand: Artikulation, Wortschatz, Grammatik steht dort zu lesen, wo die Verästelung beginnt. Die Erzieherinnen haben sich viel mit Sprachtheorie befasst, haben mit Kindern und Eltern eine Anlauttabelle gemacht, auf der neben den typischen Sprachlauten der deutschen Sprache Anlaut-Bilder zeigen, um zu illustrieren, was wie ausgesprochen wird. Die Erzieherinnen besuchten die Stadtbücherei und machten selbst Sprechübungen mit Ringelnatz-Texten. Schulkinder kamen zum Vorlesen in den Kindergarten, und Eltern und Großeltern wurden als Lesepaten eingespannt. Die Erzieherinnen hätten ihr Bewusstsein geschärft, wie wichtig Sprache ist, sagt Weltl, und sie hätten alle gelernt, wie Sprachförderung spielerisch im Alltag einzubauen ist. Jetzt greifen die Erzieherinnen öfter mal zu Rhythmusinstrumenten und die Kinder klatschen ihren Namen oder zählen, wie viele Buchstaben der hat.

Weltl hat den Eindruck, dass die Sprachdefizite zunehmen. Fachberaterin Deger sagt aber auch, dass schon vor 20, 25 Jahren viele Kinder Schwierigkeiten beim Sprechen gehabt hätten und hält nun wieder für ein Problem, dass die Erwachsenen für die Kinder gar keine vernünftigen Vorbilder mehr abgäben. Wenn das Sprachberater-Programm jetzt dann ausläuft, möchte Deger für die Erzieher im Landkreis das Training weiter anbieten. Sie kündigt an, wohl mit Sprachberaterin Walz Module aus dem Gesamtpaket in das regionale Fortbildungsprogramm zu übernehmen.

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