Spott am Sonntag:Der Nabel der narrischen Welt

In Bichl säumen rund 2000 Zuschauer den Faschingsumzug durch das Dorf. Auf 15 Themenwagen verspotten die Maschkera vor allem die Lokalpolitik - vom Gewerbegebiet im Lainbachwald bis zum "bösen" Wolf.

Von Petra Schneider

Grau ist am Faschingssonntag nur das Wetter. In Bichl säumt ein buntes Volk die Straßen, Männer in High Heels mit ultrakurzen Röckchen und Federboa, fellige Zebras, Elvis und Indianer. Die "Isarwinkler Musikkaboin" spielt auf, Musikanten mit haarigen Wadln und sauber eingeflochtenen Zöpfen. Ein ganz kleiner Traktor zieht eine riesige Schampusflasche, auf der die Prinzengarde des Bichler Maschkeravereins tanzt. Gardemädchen werfen Konfetti, Kinder halten ihre Cowboyhüte auf und versuchen, ein Guatl zu fangen.

Fasching in Bichl

Ein Busserl gab's vom Rotkäppchen für den Wolf im Landkreis.

(Foto: Manfred Neubauer)

Um die 2000 Zuschauer dürften es beim Faschingszug wieder sein. Fast alle sind verkleidet. Auch Gabi Fiedler ist mit ihrem selbst genähten Weltkugel-Kostüm dabei: Um das Gesicht ein Kompass, die Kompassnadel zeigt auf einen ganz besonderen Ort: Bichl, "der Nabel der Welt", sagt Fiedler und lacht. Sie kommt jedes Jahr zum Faschingszug, den es seit dem Jahr 1952 gibt.

Improvisation und Kreativität sind Trumpf bei den hiesigen Umzügen, das gilt für Bichl wie für Benediktbeuern, wo am Faschingsdienstag gefeiert wird. Nur drei, vier Tage basteln die meisten Gruppen an ihren Fahrzeugen, nageln Holzaufbauten auf Traktoren, gestalten Plakate und Deko. 15 Themenwagen sind heuer dabei, plus Garde-, Musikwagen und fünf Fußgruppen. Die große Politik überlassen sie weitgehend den Rheinländern.

Fasching in Bichl

Die Bichler gedachten den ersten, für das neue Gewerbegebiet gefällten Lainbachbäumen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Der Abgasskandal oder die Airberlin-Pleite sind auch in Bichl Themen. Vor allem aber geht es um Lokalpolitik, wie etwa das umstrittene Gewerbegebiet im Lainbachwald: Baumstämme tragen Trauerkranz und Grablicht, "Im Gedenken an die ersten gefällten Lainbachbäume". Auf einem Schild ein Wortspiel: "Wead da Ton im Gewerbegebiet rauer, wead sogar die Kiefer-sauer". Zur undichten Turnhalle in Benediktbeuern heißt es: "Bei allen Schüler ist bekannt, in der Turnhalle brauchts a Regengwand".

Fasching in Bichl

Konfetti und Kreativität waren Trumpf beim Bichler Faschingsumzug am Sonntag, bei dem 15 Themenwagen vorwiegend die Lokalpolitik aufspießten.

(Foto: Manfred Neubauer)

Nach Beschwerden von Tölzern über den Lärm der Räumfahrzeuge schlagen die Narren einen "Alternativen Winterdienst" vor. Denn Schnee, der sauber und leise aufgerollt wird. Den Waldkindergarten in Benediktbeuern und Bad Heilbrunn kommentieren die Bichler Maschkera so: "Hams für an gscheiden Kindergarten koa Goid, schicken´s ihre Kinder in den Woid."

Hinter einem mächtigen Eichenmann mit Rindengesicht verschanzt sich der Wolf. Das Tier bedroht drei Schafe, die in einem kleinen Gehege unter dem Motto: "Bayern spinnt, weil da Woif wieda kimmt" mitfahren dürfen. Ein Jäger mit dickem Bart und Holzgewehr löst sich aus einer Gruppe, schießen will er aber nicht den Wolf, sondern ein Wildschein. Schließlich gebe es 20 Euro Prämie je Wildschwein, sagt der Jäger, der eine Jägerin ist und zu einem der beiden "Weiberwagen" gehört, die heuer mit dabei sind. Ein Schuss aus dem Holzgewehr und schon sinken die Wildschweine zu Boden, da ist der Geldbeutel natürlich prall gefüllt.

Der Bichler Faschingzug soll ein "fahrendes Theater" sein, erklärt Benedikt Deiser, Vorsitzender des Maschkeravereins. Seit zehn Jahren können die Zuschauer die Wagen prämieren. Zu den Kriterien zählen die Umsetzung der Themen, die Gestaltung der Wagen und die Interaktion mit dem Publikum. "Bei uns muss mit dem Publikum gearbeitet werden", sagt Deiser. Früher habe es für den Sieger ein Spanferkel gegeben, inzwischen wird beim Ball im "Bayerischen Löwen" ein Wanderpokal verliehen. Vicky Beylich, deren Tochter heuer Kinderprinzessin Aviva I. ist, findet den Bichler Faschingszug jedenfalls "absolut super". 20 Wägen auf 2000 Einwohner - das sei ein Verhältnis, da könne Köln gar nicht mithalten. Beylich muss es wissen, sie hat 16 Jahre dort gewohnt.

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