Süddeutsche Zeitung

Sportlicher Umweltschutz:Der Müll-Fischer von der Loisach

Plastikfetzen an Büschen und Sträuchern lassen das Ufer inzwischen aussehen wie einen Geisterwald. André Wacke aber säubert vom Stand-Up-Brett aus den 113 Kilometer langen Fluss. Für seine nächste Aktion sucht er noch Helfer.

Von Alexandra Vecchiato

Wasser ist seine Welt. Am, auf, im - egal, Hauptsache er sieht, fühlt, ja in gewisser Weise auch atmet es. André Wacke einfach "Surflehrer" zu nennen, wäre zu kurz gegriffen. Er will den Menschen mehr vermitteln. Wacke will sie sensibilisieren für das Ökosystem Wasser. Deshalb hat er sich eine besondere Aktion einfallen lassen. Zum zweiten Mal in diesem Jahr ist er mit dem Stand-Up-Board auf der Loisach unterwegs, um Müll einzusammeln. Bei der Premiere Ende Juli 2018 haben er und seine Mitstreiter etwa 20 Säcke Müll aus dem Wasser geholt und am Flussufer aufgelesen.

Es ist ein schwül-heißer Tag an der Loi-sach bei Schönmühl. Den Treffpunkt hat André Wacke vorgeschlagen, weil er am Wasser besser denken könne. Ehe es zur Arbeit an den Walchensee geht, taucht er noch kurz in der Loisach unter. "So, jetzt bin ich da", sagt er zu sich. Mit dabei hat er sein Brett, um zu demonstrieren, wie er auf der Loisach unterwegs ist. Das ist im Übrigen recht flott. Mit ausladenden Bewegungen taucht der sonnengebräunte Penzberger das Paddel ein. "Müll aufsammeln vom Brett aus ist kein Problem. Man sieht stehend von hier aus viel besser, was am Ufer rumliegt." Und es liegt sehr viel rum. Von Garmisch bis zum Kochelsee sei die Loisach stark belastet, erzählt der 47-Jährige. An manchen Abschnitten sehe das Ufer aus wie ein Geisterwald. An Büschen und Gestrüpp würden Plastikfetzen hängen und ein surreales Bild bieten. Warum dies so sei, könne er nicht hundertprozentig sagen. Vielleicht liege es am Föhn, auf Bairisch Sunnawind. So hat Wacke auch seine Surf- und Stand-Up-Paddel-Schule genannt. Die starken Winde nachts wehten den Müll zur Loisach. Was in seinen Augen allerdings die Verursacher des Unrats nicht aus der Pflicht nehme. Warum, so fragt sich Wacke, könnten etwa auf Baustellen Müllcontainer nicht mit Netzen gesichert werden. Viele Fetzen stammten von den Planen, die Landwirte für ihre Siloballen verwendeten. Von dem Plastikverpackungswahnsinn in der Lebensmittelindustrie will Wacke erst gar nicht anfangen.

Die Idee für das Ramadama vom Stand-Up-Brett aus kam dem 47-Jährigen nach einer Aktion seines Freundes Pascal Rösler, der 2016 über Isar und Donau von München nach Wien paddelte. Ein Jahr später setzte er seine Tour von Wien bis zum Schwarzen Meer fort. Rösler wollte auf die Müllproblematik in Gewässern aufmerksam machen und Geld für seinen Verein "Pure Water for Generations" sammeln. Der Verein setzt sich für den Gewässerschutz und die Renaturierung von Flüssen ein. Wacke hatte Rösler damals ein Stück seiner Reise auf dem Stehpaddel begleitet. Dieser Trip sei seine Inspiration gewesen.

André Wacke möchte das Müllsammeln auf der Loisach jährlich am letzten Samstag im Juli organisieren. Die diesjährige Aktion findet am Samstag, 27. Juli, von 7 Uhr morgens bis etwa 14 Uhr statt. Mit bis zu 30 Mithelfern plant Wacke, den Abschnitt zwischen Murnau und Großweil zu säubern. "So können wir mehrere Teams bilden." Wer teilnehmen möchte, muss fit mit dem Stand-Up-Brett, Kajak oder Kanu sein. Der Ausbilder für Stand-Up-Paddeln (SUP) geht auf Nummer sicher. Nicht nur holt er sich die Erlaubnis und Genehmigungen für die Aktion bei Behörden, Fischereivereinen und Grundstückseigentümern ein, er hat bei der Tour Rettungsschwimmer dabei. Ebenso die Wasserwacht. "Aufs Wasser lasse ich nur Leute, von denen ich weiß, dass sie es können", betont er. Zwei bis drei Personen kann er bei sich auf seinem Mega-Board mitnehmen.

Den Kochelsee und die Loisach nennt Wacke, geboren in Benediktbeuern und aufgewachsen in Penzberg, seine "Heimat". Als Kind sei er nach Kochel ins "Trimini" gefahren. Damals hätten ihn die Windsurfer fasziniert. Der Sport wurde seine Passion. Fünf Jahre lang hatte er einen Surfladen in Greiling. Doch als dreifacher Vater und Ernährer habe er sich dem Ernst des Lebens stellen müssen, sagt Wacke. Er habe das getan, was er gut könne: verkaufen. Der 47-Jährige ist in der Autobranche Großkundenbetreuer. Dieser Job lässt ihm den Freiraum für seine Leidenschaft. 2009 gründete er seine Windsurf-Schule. Walchensee, Kochelsee und Loisach sind sein Revier. Den Sommer verbringt er am und im Wasser.

"Es ist einfach schön hier", sagt er und schnappt sich sein Brett. So soll es bleiben an der Loisach.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2019
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