Spezialitäten:Ein neues Zuhause für den Tölzer Kasladen

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Jahrelang haben internationale Zeitungen und TV-Sender den Streit um die Geruchsbelastung des Unternehmens verfolgt. Nun ist der Betrieb umgezogen - und kann sich wieder ganz der Reifung widmen.

Von Klaus Schieder, Bad Heilbrunn

Wolfgang Hofmann ist wieder ganz bei sich. Im Hofgut Letten öffnet er die schweren Türen zu den schmalen, unterschiedlich gekühlten Lagerräumen und erzählt, wie lange die aus Ziegenmilch oder aus Kuhmilch hergestellten Käsesorten reifen müssen, welche Temperaturen dafür notwendig sind. 14 Grad herrschen beispielsweise in dem Lager, in dem holländischer Gouda in den Regalen liegt, versehen mit dem Etikett "Uralt". Diese Laibe, sagt Hofmann, seien "tatsächlich schon drei Jahre alt". In seinem neuen Domizil am Rande von Bad Heilbrunn fühlt sich der Affineur wieder wohl. "Endlich können wir uns wieder auf das Thema konzentrieren, das uns bewegt: Wir können uns dem Käse widmen und der Entwicklung des Geschäfts", sagt der Geschäftsführer der Tölzer Kasladen GmbH.

Das war vier Jahre lang anders. 2016 zog Hofmann aus Bad Tölz weg, weil die rund 180 Quadratmeter großen Lagerflächen, Sozialräume und Umkleiden in den ehemaligen Much-Garagen an der Königsdorfer Straße nach 14 Jahren zu klein geworden waren. Ein neues Zuhause fand er in dem Haus Ferdinand-Maria-Straße 37 in Bad Heilbrunn. Die Gemeinde, berichtet er, sei damals "voll des Lobes gewesen", dass er sich angesiedelt habe. Der Tölzer Kasladen sei immerhin "ein renommiertes Unternehmen mit einem guten Ruf". Damit übertreibt Hofmann nicht. Zu seinen Kunden gehören Hotels, Catering-Unternehmen und Restaurants, darunter so bekannte wie der "Bayerische Hof" in München, das Grand Hotel in Heiligendamm an der Ostsee, das Grand Hotel Wien, aber auch prominente Schauspieler wie Elmar Wepper. In Bad Heilbrunn gab es für ihn jedoch gleich Ärger mit den Nachbarn.

Das begann schon mit dem Einzug in das Haus nahe der Bundesstraße 472 an der westlichen Ortsausfahrt. "Man hat uns klar zu verstehen gegeben, dass man uns nicht mochte", erzählt der Affineur. Am Anfang hatte er noch geglaubt, dass sein Vermieter der Besitzer des Hauses sei. Aber dann habe sich gezeigt, dass es noch drei weitere Eigentümer gab, die mit ihm seit Jahren im Clinch lagen. "Schon seit der Zeit, als Tengelmann noch der Mieter der Räume war", so Hofmann.

Die Nachbarn beschwerten sich über die Geruchsbelästigung durch den Käse, den er im Lager hatte und in einem kleinen Verkaufsraum präsentierte. "Als die ersten Vorwürfe kamen, haben wir das auch ernst genommen", sagt der Geschäftsführer. Deshalb habe er einen Lüftungstechniker zu Rate gezogen, die Baupläne des Hauses prüfen lassen und einen Architekten beauftragt, um herauszufinden, wo genau sich die Quelle der Geruchsemissionen befindet. "Bei uns riecht es nach Käse, das ist in Ordnung, und ich verstehe auch, dass Fremdgerüche, die in der Wohnung vorherrschen, als störend empfunden werden." Das Ergebnis der Recherche: Die Lagerräume seien fest verschlossen, das Haus massiv gebaut. Hofmann bot den Nachbarn einen sogenannten Blower-Door-Test an, mit dem mögliche Lecks in einer Gebäudehülle untersucht werden. Aber das sei von ihnen abgelehnt worden, sagt er. Stattdessen seien von den drei Eigentümern Geruchsprotokolle geführt und ihm vorgelegt worden. Darin hätten sie jedoch "Dinge beschrieben, die so nicht zutreffen können", glaubt er. Normalerweise verflüchtige sich ein Geruch, je weiter er von seiner Quelle entfernt sei. Den Protokollen zufolge soll das Odeur jedoch in den Wohnungen der Eigentümer in den oberen Etagen schlimmer gewesen sein als in den Reifekammern im Parterre. "Das ist für mich nicht nachvollziehbar."

Der Fall ging schlussendlich vor das Verwaltungsgericht München. Die Verhandlung im vorigen Jahr drehte sich indes weniger um den Geruch als um die Frage, ob ein solcher Betrieb in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sei. Erlaubt sind dort nur Nahversorgung und nicht störendes Gewerbe. Allerdings verkaufte die Tölzer Kasladen GmbH ihre Produkte nicht bloß direkt an Kunden aus Bad Heilbrunn oder benachbarten Orten wie Penzberg und sogar Weilheim, sondern auch übers Internet; außerdem belieferte sie von der Ferdinand-Maria-Straße aus ihre sieben Filialen. Die Nachbarn klagten wegen der fehlenden Nutzungsänderung, Hofmann reichte den Antrag nach, scheiterte damit allerdings im Gemeinderat. Ende Januar 2018 sprach das Landratsamt die Nutzungsuntersagung aus, gegen die wiederum der Kasladen-Chef klagte. Womit er schlussendlich vor Gericht scheiterte.

Schon während des Prozesses hatte Hofmann "einen Plan B" verfolgt und ein neues Zuhause gesucht. Von den Nachbarn sei ja "massiver Druck" aufgebaut worden, sagt er. Ständig habe er sich rechtfertigen müssen - "wegen jeder Mülltonne, die herumstand". Ständig sei fotografiert worden, auch in seine Räume hinein. Die Querelen zogen damals erstaunlich weite Kreise in der Presse und im Fernsehen, waren Thema in der BR-Sendung "Quer", sogar russische TV-Leute meldeten sich bei Hofmann. "Und selbst in der New York Times gab es dafür eine Viertelseite."

Die interkontinentale Berichterstattung half zum einen, den Tölzer Kasladen bekannt zu machen. Das erwies sich andererseits jedoch als hinderlich auf der Suche nach einem neuen Domizil. Einige Anbieter hätten sich zurückgezogen, sagt Hofmann - "wegen der Presse, die wir hatten". Ohnedies sei die Situation auf dem Immobilienmarkt auch für Gewerbebetriebe schwierig. "Wir brauchen eine gewisse Fläche, eine gewisse Ausstattung, da gab es wenig." Das Haus an der Ferdinand-Maria-Straße sei in dieser Hinsicht ein geradezu "idealer Standort" gewesen.

Nun also das Hofgut Letten. Mit den wenigen Familien in der Nachbarschaft hat sich der Geschäftsführer des Tölzer Kasladens zusammengesetzt und alles besprochen. "Da gab es keine Diskussionen", berichtet er. Auch baurechtlich wurde die Nutzung der ehemaligen Stallräume als Reifekammern für die Käsesorten, Büros, Besprechungszimmer und der Halle für die Verpackung und den Vertrieb vom Landratsamt in dem Außenbereich genehmigt. Drei Monate dauerte der Umbau. Böden wurden erneuert, Wände saniert, Brandschutzmaßnahmen umgesetzt. Davon habe die Vermieterfamilie viel übernommen, so der Geschäftsführer.

Nicht weniger als 200 Käsesorten aus zehn Regionen in Europa reifen in den Kammern der Kasladen GmbH. Die großen und kleinen Laibe stammen teils aus rein handwerklich-bäuerlicher Produktion, teils aus artisanaler Herstellung, also handwerklich, aber auch mit ein wenig Hilfe durch moderne Technik. Zu den Lieferanten gehört zum Beispiel Sepp Orterer aus der Jachenau, der den Jachenauer Bierkäse und Bauernkäse produziert. Auf der Kunden-Seite hatte es Hofmann in den vergangenen Monaten wegen der Corona-Krise hingegen schwer. Hotels und Restaurants litten unter den Pandemie, namhafte ebenso wie kleine Häuser. "Noch sind nicht alle bis jetzt zurückgekehrt", sagt der Geschäftsführer. Seit 2016 habe er Rücklagen gebildet, aber "die sind jetzt weg". Gut liefen nach wie vor die sieben Tölzer Kasläden, die Franchise-Nehmer am Münchner Viktualienmarkt, in München-Neuhausen, in Landshut, Landberg, Augsburg und Rottach-Egern betreiben. Und natürlich das Geschäft in der Fußgängerzone in Bad Tölz, wo das Herz des Unternehmens schlägt. Außerdem habe sich der Online-Handel fast verdoppelt, sagt Hofmann. Die zehn Mitarbeiter auf dem Hofgut müssten "eigentlich nicht" um Job bangen. Alle können sich in neuer Umgebung auf ihre Arbeit konzentrieren. Ganz so wie ihr Chef.

© SZ vom 13.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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