Spektakel auf dem Fluss:Flößerbrauch im Fackelschein

So viele Besucher wie noch nie aus ganz Deutschland verfolgten am Samstagabend die weltweit einzigartige Johanniprozession, die nur alle drei Jahre auf der festlich beleuchteten Loisach stattfindet.

Von Konstantin Kaip

Irgendwann um kurz nach 20 Uhr am Samstagabend wird die Statue enthüllt. Zuvor, während des Gottesdienstes in St. Andreas, stand das 1909 von der Stadt München gestiftete goldverzierte Standbild des Heiligen Johannes Nepomuk in Plastikfolie gehüllt auf dem Floß, das Josef Seitner und seine Flößer auf der Loisach am Poing festgemacht hatten. Schließlich waren am Himmel auch dunkle Wolken zu sehen, niemand wollte riskieren, dass der Heilige, der sonst in seinem Schrein an der Johannisbrücke steht, Regen abbekommt.

Aber es bleibt trocken an seinem besonderen Tag: der Johannifloßprozession, die alle drei Jahre zu Ehren des Schutzheiligen der Flößer in Wolfratshausen stattfindet. Das freut nicht nur die zahlreichen Zuschauer, sondern auch die Ehrengäste. Und davon gibt es diesmal mehr als sonst. Wegen des Deutschen Flößertags, den die Stadt ausrichtet, sind am Ufer gleich drei Flöße: eins für die Statue und die Stadtkappelle, eins für Bürgermeister und Stadtrat, und eins für Vertreter der Flößervereine, die an der Tagung teilnehmen. Floßfahrten haben schon alle von ihnen gemacht, an einer Prozession auf dem Fluss hat noch keiner teilgenommen. "Das ist schon was Außergewöhnliches", sagte Friedrich Fricke vom Floßverein 1864 Unterrodach im Frankenwald und lächelt unter seiner blauen Seemannskappe. "Wir sind die Evangelischen, wir haben keine Schutzheiligen."

Die Besatzung des anderen Floßes auf der von Fackeln stimmungsvoll beleuchteten Loisach trägt fast ausschließlich Tracht: Bürgermeister Klaus Heilinglechner mit Ehefrau Christine, Landrat Josef Niedermaier, die Stadträte und natürlich die Flößer. Mauro Iacumin, der Bürgermeister der befreundeten italienischen Stadt Manzano, der mit seiner kleinen Tochter gekommen ist, trägt indes einen hellen Sommeranzug.

Das erste Floß mit Josef Seitner und der Statue legt zur Musik der Stadtkapelle ab, dann gibt auch im zweiten Franz Seitner das Kommando zum Start, mit einem Schlag löst ein Flößer den Haken mit Stahlseil. Die Förg, wie das lange Ruder heißt, steuert Johannes Eckert. Der 17-Jährige hat erst vergangene Saison als Flößer angefangen, es ist seine erste Johanniprozession. Kurz gerät er nah an die Böschung, dann aber gleitet das Floß auf der Mitte des Flusses gemütlich dahin.

Bei dem gemächlichen Tempo hat die Gesellschaft Zeit für Gespräche, die Flößer lachen viel. Franz Seitner ist so gelassen, wie man wohl nur nach 50 Jahren auf dem Fluss sein kann. Er habe ja vor vier Jahren mit dem Handwerk des Flößens aufgehört, sagt der 73-Jährige. Aber die Prozession lasse er sich nicht nehmen. Der Schutzpatron Johannes Nepomuk, den die Flößer gerne nur beim zweiten Vornamen nennen, der Gottesdienst und der Glaube, "das gehört dazu", sagt er. Das Floß kommt langsam auf die Fahrradbrücke nach Gelting zu, und für die Volksvertreter wird es etwas sportlicher: Das Publikum winkt, und die Politiker winken ausdauernd zurück.

Das geht auch an der Johannisbrücke so weiter, wo sich die Bürger noch dichter drängen. Kurz dahinter steht dann ein Feuerwehrmann in der Loisach. Er bemüht sich, die mit Kerzen beleuchteten Miniaturflöße der Kinder sanft in den Fluss gleiten zu lassen. Denn die Strömung der eigens aus Blech errichteten Kinderfloßrutsche am Japanischen Garten ist so stark, dass die Teelichter ausgehen.

An der Alten Floßlände machen die Flöße dann fest, es wird feierlich. Auf der Bühne mit Altar erinnert Dekan Gerhard Beham daran, dass "alles auf Gottes Strom der Ewigkeit zufließt". Sein evangelischer Pfarrerkollege Florian Gruber zitiert das Lukas-Evangelium, und nach einem gemeinsamen Vaterunser segnet Beham die Flöße. Die Gebirgsschützen schießen drei Salutsalven in die Luft, und Beham und seine Ministranten steigen auf das erste Floß, um der Statue für das letzte Stück Geleit zu geben. Als die Flöße bei Blasmusik den Sebastianisteg passieren, vergessen Zuschauer und Politiker das Winken und drehen ihre Köpfe, um dem Feuerwerk zuzusehen, das den Himmel in prächtigen Farben erhellt. An der Andreasbrücke heben sich auf dem Floß dann nur noch wenige Arme, die anderen sind wohl vom Winken ermattet. Beim Passieren der niedrigen Stahlkonstrukt müssen sich die Fahrgäste dann setzen, nur die Flößer unterhalb des Podests auf den Stämmen können stehen. Dann machen die drei Flöße vor dem unpassierbaren Kastenmühlwehr endgültig Halt. Die Fahrgäste steigen an Land, und niemand ist nass geworden.

Die Besucher aus ganz Deutschland sind begeistert von der Prozession. "Bewegend" sagt Hans-Walter Keweloh, der am Samstagvormittag nach 25 Jahren als Vorsitzender der Deutschen Flößereivereinigung von seinem Nachfolger abgelöst wurde. Bewegend sei es auch, dass der 30. Deutsche Flößertag von der Teilnehmerzahl der bislang größte war. Woran das liegt? Der Bremerhavener lächelt. Der Dachverband sei zwar auch gewachsen, sagt er. "Aber Bayern zieht immer."

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