Spätwerk von Gioachino Rossini:Leichtigkeit voller Leidenschaft

Spätwerk von Gioachino Rossini: In einer ungewöhnlichen Besetzung mit Harmonium und Klavier statt Orchester interpretierte der KlangKunst Chor unter dem Dirigat von Andrea Fessmann im Gemeindezentrum Iffeldorf die "Petite Messe solennelle", die Gioachino Rossini im Jahr 1863 komponiert hat.

In einer ungewöhnlichen Besetzung mit Harmonium und Klavier statt Orchester interpretierte der KlangKunst Chor unter dem Dirigat von Andrea Fessmann im Gemeindezentrum Iffeldorf die "Petite Messe solennelle", die Gioachino Rossini im Jahr 1863 komponiert hat.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die "Petite Messe solennelle" des Komponisten erinnert bei aller diskreten Melancholie an seine Opern. Der KlangKunst Chor unter Andrea Fessmann führt das Werk in Iffeldorf mitreißend auf

Von Paul Schäufele, Iffeldorf

"Das ist keine Kirchenmusik für euch Deutsche; meine heiligste Musik ist doch nur immer semi-seria." Da ist schon etwas dran an dem Urteil, das der Opernkomponist Gioachino Rossini über seine "Petite Messe solennelle" gegenüber Kritikerpapst Eduard Hanslick äußerte. Womit auch bewiesen wäre, dass nicht alle Musiker im Alter die stilistische Totalwende vollziehen: Bei aller diskreten Melancholie ist Rossinis Messe dem Publikum zugewandt komponiert wie seine Opern. Der KlangKunst Chor unter Leitung von Andrea Fessmann hat dieses merkwürdigste Werk des Schwans von Pesaro im Gemeindezentrum Iffeldorf aufgeführt, mit Leichtigkeit und Leidenschaft.

Für die notwendige Leichtigkeit sorgt auch die ungewöhnliche Besetzung. Statt eines Orchesters treten Klavier (Felizitas Rodach) und Harmonium (Klaus Fessmann) zum Chor. Von Begleitung lässt sich kaum sprechen, häufig erfüllen die Instrumente eher konterkarierende, kommentierende Funktion. So zu Beginn des Kyrie. Die zögerlich zusammentretenden Chorstimmen singen gegen eine asymmetrische Begleitfigur im Klavier und das düster brummende Harmonium. Aber dank der spielerischen Harmonik und den vom Chor bei weitgehender Intonationssicherheit plastisch ausgesungenen Melodien entwickelt sich weniger der Eindruck gedankenschwerer Kontemplationen über die Anrufung Gottes - man glaubt eher, angenehmen Unterhaltungen von Freunden beim Aperitiv zu lauschen, zumindest bis zum strengen Christe eleison. Dynamisch genau strukturiert wirkt es wie der Hinweis, man habe es auch wirklich mit sakraler Musik zu tun.

Dem folgt das glänzende Gloria, in dem schließlich auch die Solisten als brillant harmonierendes Quartett hörbar werden. Höhepunkte der Messe sind jedoch die Soli, etwa das "Domine deus", in dem Tenor Martin Petzold sich der Nummer mit robustem Temperament annimmt. Nicht anders müsste man bei einer Arie aus dem "Barbier" verfahren. Nach einer staunen machenden Überleitung - in seinem (beinahe) letzten Werk erscheint Rossini harmonisch geradezu waghalsig - kommen Sopran (Christina Roterberg) und Alt (Barbara Schmidt-Gaden) zu einem bewegenden Duett zusammen.

In schwebender Chromatik bitten die Sängerinnen im "Qui tollis" als Stellvertreterinnen der Gemeinde um Erbarmen. Schade nur, dass Roterbergs Sopran den warmen, in diesem Stück eher auf ruhige Besinnung angelegten Alt Schmidt-Gadens stellenweise überdeckt. Gleichsam als Begründung entfaltet sich der Part von Klaus Mertens, dessen Bass gleichzeitig charakteristisch und verbindlich das Fundament der Anrufung bildet: "Denn du allein bist heilig." Ein freudiges, rhythmisch markantes "Cum sancto spiritu" samt komponiertem Lachen auf "Amen" beschließt den ersten Teil mit einer mitreißenden Schlusssteigerung.

Nicht weniger ausgelassen setzt das Glaubensbekenntnis ein. "Credo!" - doch ebenso wäre es denkbar, an dieser Stelle "Gioia!" oder "Freude!" zu rufen, zumal die Sängerinnen und Sänger unter Andrea Fessmann den Spaß am Gesang in jedem Takt vermitteln, gerade in dem Dialog zwischen Chor und Solisten. Dass die Chorstimmen in der Höhe gelegentlich etwas wackeln, nimmt man gerne in Kauf. Dramaturgisch wirksam musiziert das Ensemble allemal, und darauf kommt es hier an, wie auch im folgenden "Cruzifixus", dessen linkische Begleitfigur und kühne Akkorde den einen oder anderen schon an eine Blues-Nummer haben denken lassen. Dabei kann Christina Roterberg ihre Stimmgewalt zeigen, besonders in dem durchdringenden Aufschrei ob der Leiden des Gekreuzigten. Musikalisch gibt es da kaum einen Unterschied, ob über den Tod des Heilands gesungen wird oder über den Tod des oder der Geliebten auf der Bühne. Und wenn Roterberg im später erklingenden "O salutaris hostia" das Opfer nicht mit solcher Zärtlichkeit begrüßt, möchte man beinahe von einem Liebesduett an einen schweigenden Partner sprechen. Die "Petite Messe" ist auch ein zutiefst persönliches Glaubensbekenntnis.

Eingeleitet werden die Gesänge der Abendmahls-Liturgie allerdings mit einer Besonderheit: mit dem rein pianistischen "Prélude religieux" zum Offertorium. Hier zeigt sich Rossinis genaues Bach-Studium. Die komplexe Mehrstimmigkeit vollzieht Felizitas Rodach zugleich intellektuell und ausdrucksstark nach. Das instrumentale Zwischenspiel leitet ideal zu den mehr kontemplativen Passagen des letzten Messteils über, das ins ergreifende "Dona nobis pacem" mündet, bevor das Zusammenwirken von Alt und Chor noch zu einem letzten Aufbäumen führt, zu einem Schluss in optimistischem Dur.

Und noch ein Rossini-Wort: "Alle Gattungen sind gut, nur die langweiligen nicht." Es kommt eben darauf an, was man daraus macht. Gelangweilt hat sich das Publikum mit Rossini und dem KlangKunst Chor jedenfalls nicht. Jubelnder Beifall beweist es.

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