Sozialverband:Boom beim Kummerkasten

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Der Kreisverband des VdK ist auf 11 000 Mitglieder angewachsen. Den Zulauf erklärt sich der Sozialverband unter anderem mit zunehmenden Existenzängsten

Von Benjamin Engel, Bad Tölz

Ein Imagewandel und die wachsende Verunsicherung treiben dem Sozialverband VdK in der Region die Mitglieder zu. 3000 Menschen sind der Organisation in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach zwischen Januar 2016 und Mai dieses Jahres neu beigetreten. Damit hat der VdK nun 11 019 Mitglieder in 28 Ortsverbänden. Das sind etwa 1300 Personen mehr als noch vor dreieinhalb Jahren, zieht man die Austritte und Sterbefälle ab.

Als der scheidende Kreisgeschäftsführer Maik Kinski am Dienstag seinen Nachfolger Kristian Müller präsentiert, zeigt er sich stolz über die Entwicklung. Denn der VdK finanziere sich praktisch nur über die Mitgliedsbeiträge, sagt er. "Immer mehr Mitglieder nehmen uns als sozialpolitischen Interessenvertreter wahr." Daran habe auch die neue Präsidentin des VdK Deutschland, Verena Bentele, ihren Anteil. Kaum eine Woche vergehe, ohne dass die frühere Paralympics-Siegerin nicht öffentlich präsent sei. "Wir sprechen manchmal vom Bentele-Effekt", sagt Kinski. Er ist inzwischen als stellvertretender Bezirksgeschäftsführer des VdK Oberbayern tätig.

Der neue VdK-Kreisgeschäftsführer Kristian Müller stammt aus Ainring im Berchtesgadener Land. (Foto: Manfred Neubauer)

Müller ist offiziell schon seit 1. Mai neuer Kreisgeschäftsführer. Warum der Sozialverband VdK momentan so attraktiv ist, erklärt der 33-Jährige, ohne lange nachzudenken. Die Menschen hätten das Gefühl, mit der zunehmenden Bürokratie in der Sozialpolitik, wie etwa der Rentenversicherung, nicht mehr alleine zurechtzukommen. Viele hätten Angst und Sorge, nicht mehr alle Ansprüche zu kennen. Zudem gebe es Existenzängste, was passiere, sollte jemand im Krankheitsfall nicht mehr erwerbstätig sein können.

Die Zahl der Beratungen ist von 3041 im Jahr 2015 auf 5240 im Jahr 2018 gestiegen. Mittlerweile sind in der Kreisgeschäftsstelle drei statt zwei Sozialrechtsberater tätig. Der VdK hat 2018 insgesamt 1004 Anträge weitergereicht und bei Behörden 311 Widersprüche gegen Bescheide eingelegt. 98 Mal klagte die VdK-Kreisorganisation vor Gericht und ging dreimal in Berufung. Insgesamt wurden auf Anträge in den vergangenen vier Jahren Nachzahlungen in Höhe von zwei Millionen Euro für Mitglieder erstritten.

In seiner Tätigkeit will Müller Schwerpunkte im Bereich der Schwerbehinderung und der Rente setzen. Die Probleme der heutigen Zeit ließen sich nicht lösen, indem an Stellschräubchen von vor 100 Jahren gedreht werde, sagt Müller. "Wir brauchen Gedanken, wie wir die Altersversorgung von Grund auf verbessern können."

Für den VdK arbeitet Müller schon seit 2013. Der gebürtige Ainringer (Berchtesgadener Land) hat Sozialrecht und Sozialwirtschaft studiert. Für den Kreisverband Traunstein war er bis vergangenen April als Sozialrechtsberater tätig.

Auf Kreisebene sieht Vorgänger Kinski die Inklusion, einschließlich der Barrierefreiheit und Mobilität, als aktuellstes Thema. Aus Sicht der ehrenamtlichen VdK-Kreisvorsitzenden Marianne Estner ist der Sozialverband wie eine Familie - vom Kummerkasten bis zum Veranstalter. "Es ist kein Rentnerverband", sagt sie. "Das ist ein Klischee."

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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