Sozialdemokratie in Bad Tölz:Zwischen Frust und Hoffnung

Sozialdemokratie in Bad Tölz: Abstimmung im Kolberbräu: Die Mitglieder der Tölzer SPD wählten am Mittwoch einen neuen Vorsitz.

Abstimmung im Kolberbräu: Die Mitglieder der Tölzer SPD wählten am Mittwoch einen neuen Vorsitz.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Tölzer Genossen stellen sich personell neu auf und hoffen so, auf lokaler Ebene einen Neuanfang zu schaffen. Der Vorsitzende pocht auf klare Positionen.

Von David Holzapfel

Knallig rote LED-Lampen an der Decke, rote Tischdekoration und Banner - die Anwesenden der SPD-Jahresversammlung in Bad Tölz am Mittwoch bekannten deutlich Farbe. Im Gegensatz dazu war die Stimmung im Saal jedoch eher trüb: Einstellige Wahlergebnisse in Bayern bei der Landtagswahl, unter 20 Prozent in Hessen und historische Stimmverluste auf Bundesebene: Hinter den Sozialdemokraten liegt eine lange Durststrecke. Doch das politische Tagesgeschäft wartet nicht, weder auf Kommunal- noch auf Bundesebene. Dazu gehören auch innerparteiliche Personalwechsel und Neuwahlen, wie sie nun in Tölz auf der Agenda standen. Neu zu besetzen war nahezu der komplette Vorstand.

Neben der erst 2016 neu gewählten Vorsitzenden Katarina Koper und Schriftführer Nikolaus Leiher stand auch Gerhard Schmolke, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des Ortsverbandes, nicht erneut zur Verfügung. Koper und Leiher konnten ihre Ämter aufgrund eines Wohnungswechsels nicht länger ausführen. Schmolke nannte für seinen Rückzug andere Gründe: "Zum einen bin ich beruflich stark eingespannt, kann meine Aufgaben als stellvertretender Vorsitzender also nicht mehr vollumfänglich wahrnehmen." Zum anderen habe es größere Differenzen innerhalb der Partei gegeben. "Zwischen mir und der Bad Tölzer SPD-Stadtratsfraktion herrscht eine Kluft", sagte Schmolke. Diese mache eine Zusammenarbeit unmöglich, so der ehemalige Vorstand.

Mit Michael Ernst und Willi Streicher stellten sich jedoch zwei motivierte Kandidaten zur Verfügung, die frei gewordenen Posten im Vorsitz zu übernehmen. Wenig überraschend wählten die 25 erschienenen Mitglieder beide Kandidaten einstimmig respektive mehrheitlich in ihre jeweiligen neuen Ämter. Willi Streicher - seit einigen Jahren Mitglied des Tölzer Stadtrates - übernimmt die Position des stellvertretenden Vorsitzenden. Michael Ernst steht dem Ortsverein ab sofort vor. Der 38-jährige Bankkaufmann lebt mit seiner Familie seit 2002 in Bad Tölz. 2016 trat er als Gastmitglied in die SPD ein, ihn hatte das Informationsangebot über die Bundespolitik interessiert. Anfang 2018 - die Entscheidung der Großen Koalition stand an - entschied sich der 38-Jährige zu einer Vollmitgliedschaft - und gegen die GroKo.

"Politisches Vorbild war und ist für mich Altbundeskanzler Helmut Schmidt", betonte Ernst in seiner Antrittsrede und gab Einblicke in sein persönliches Werteverständnis: Am Wichtigsten sei ihm, mit allen Menschen ins Gespräch zu treten, zuzuhören, Meinungen zuzulassen, aber auch konstruktiv zu diskutieren. Über die Zukunft sagte er: "Für die nächsten zwei Jahre sind einige Herausforderungen zu stemmen". Eine stabile Liste für die Kommunalwahl 2020, Präsenz bei der Europawahl 2019 und eine klare Kommunikation darüber, für was die SPD auf regionaler Ebene letztendlich stehe, stünden auf der Agenda am höchsten, so Ernst. Er appellierte dafür, bei lokalen Kernthemen wie bezahlbarer Wohnraum, ausgeglichener Haushalt ("man darf nur das ausgeben, was man hat") und der Frage, wie man junge Wähler erreicht, künftig klar Position zu beziehen.

Neben der Wahl der neuen Vorsitzenden standen für die versammelten Mitglieder noch weitere Personalentscheidungen an. Monika Singer wurde einstimmig als Kassierin bestätigt, Camilla Plöckl übernimmt in Zukunft das Amt der Schriftführerin. Plöckl - die mit ihrer roten Haarsträhne klar Farbe bekennt - ist ebenfalls Mitglied der Tölzer SPD-Stadtratsfraktion.

Auch wenn die Neuwahl bei den Tölzer Sozialdemokraten als Zäsur und Neuanfang interpretiert werden kann: Bei vielen der anwesenden Genossen im Kolberbräu war den ganzen Abend lang Frust zu spüren, vor allem über das Verhalten der Parteispitze. Denn eines sei sicher: Die Hauptleidtragenden des bröckelnden Ansehens der SPD seien nicht die Spitzenpolitiker in der Hauptstadt Berlin, sondern vor allem langjährige Mitglieder der kleinen Orts- und Kreisverbände, die sich nicht mehr mit "ihrer" SPD identifizieren könnten, so der Tenor.

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